"Ein Gegengewicht gegenüber den alten Mächten"

Moderation: Korbinian Frenzel · 25.03.2013
Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - Vertreter der sogenannten BRICS-Staaten treffen sich ab morgen zum Gipfel in Südafrika. Sie pochen auf mehr Mitsprache in politischen und ökonomischen Gremien. Was davon zu erwarten ist, erklärt Peter Wolff vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.
Korbinian Frenzel: Mfg – mit freundlichen Grüßen heiße ich Sie weiter herzlich willkommen im Deutschlandradio Kultur zu einer kleinen Erweiterung unseres Abkürzungshorizontes, und zwar in der Kategorie Wichtige Bündnisse der internationalen Politik. NATO, EU, G8 oder G20, die sind bekannt, aber es gesellt sich jetzt schon seit einiger Zeit eines dazu, dass sich noch ein bisschen durchsetzen muss: BRICS. BRICS steht erst mal ganz einfach nur für die ersten Buchstaben der Staaten, aus denen dieser Kreis besteht, nämlich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Er soll aber offenbar mehr als nur eine ganz hübsche Aneinanderreihung von Buchstaben sein – die BRICS-Staaten wollen die Gewichte verschieben in der internationalen Politik. Ab morgen treffen sich ihre Regierungschefs zum Gipfel in Südafrika. Mit welchen Zielen, mit welchen Plänen, darüber spreche ich jetzt mit Peter Wolff vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Guten Morgen, Herr Wolff!

Peter Wolff: Guten Morgen, Herr Frenzel!

Frenzel: Was haben diese Länder, diese BRICS-Staaten gemeinsam?

Wolff: Sie haben gemeinsam, dass sie sich selbst als aufsteigende Mächte sehen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Und sie wollen ein Gegengewicht setzen gegenüber den alten Mächten, den, wie sie es sehen, absteigenden Mächten USA, Europa, Japan, die über viele Jahrzehnte die Weltwirtschaft dominiert haben. Wir wissen ja, dass vor allem China, aber auch die anderen Mitglieder der BRICS in den vergangenen zwei Jahrzehnten sich rasant entwickelt haben. Ihr Gewicht in der Weltwirtschaft ist deutlich gewachsen. Und diese Länder möchten jetzt auch in der Weltwirtschaft, in den Entscheidungsgremien, beispielsweise bei IWF und Weltbank eine größere Rolle spielen, und dazu haben sie sich zusammengetan.

Frenzel: Sie sagen, eine ähnliche Entwicklung, eine ähnliche Aufstiegsgeschichte. Erwachsen daraus denn auch gleiche oder ähnliche Interessen?

Wolff: Vor allem außenpolitisch haben sie sicherlich nicht die gleichen Interessen, und auch wirtschaftlich liegen ihre Interessen nicht immer auf der gleichen Ebene. Insofern bleibt ihre Rolle als Gegengewicht gegen die alten Mächte eigentlich das wesentliche gemeinsame Interesse, das sie haben.

Frenzel: Worum soll es denn konkret gehen in Durban, bei dem Gipfel der BRICS-Staaten in Südafrika? Was soll da auf den Weg gebracht werden?

Wolff: Nun, die BRICS-Länder haben schon seit einiger Zeit versucht, die Rahmenbedingungen für mehr Handel und mehr Investitionen untereinander, also unter den BRICS-Staaten zu verbessern. Haben einiges getan, um zum Beispiel auch den Handel in ihrem eigenen Währungen, also nicht in Dollar oder in Euro, sondern in der chinesischen, russischen, brasilianischen Währung und so weiter zu stärken. Das hat auch sich ganz gut entwickelt. Der Handel unter den BRICS-Staaten ist gestiegen, auch die Investitionen sind gestiegen. Das ist das eine Interesse, das sie haben.

Das andere Interesse, wie ich schon erwähnt habe, sie wollen ihr Gewicht in den internationalen Institutionen stärken, und da gibt es einige Stolpersteine. Vor allem der US-Kongress, der schon seit zwei Jahren eigentlich das größere Gewicht, das diese Länder im IWF haben sollen, ein Gesetz dazu ratifizieren sollte, sich aber bisher weigert. Auch das hat dazu beigetragen, dass die BRICS-Länder gesagt haben, wenn ihr eure Zusagen nicht haltet, dann gründen wir einfach eine eigene Bank, und so wird in Durban beispielsweise über die Gründung einer BRICS-Bank, einer BRICS-Entwicklungsbank, auch dieses wird da als Gegengewicht zu IWF und Weltbank besprochen werden.

Frenzel: Wenn ich mir das vorstelle, eine solche Bank, könnte die denn dann auch zur Alternative werden für Länder in der Welt, die, sage ich mal, mit dem westlichen Wertegerüst so ihre Schwierigkeiten haben, Entwicklungsländer, die Geld wollen, aber keine Lust haben auf die nervigen mahnenden Töne des Westens?

Wolff: Ja, genau so ist es. Das ist zumindest die Idee, die dahinter steht. Die BRICS-Länder haben ja auch als ein wesentliches Prinzip untereinander vereinbart, dass sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen wollen. Und das wäre sicherlich auch ein Prinzip für diese neue BRICS-Bank. Die Frage ist natürlich, ob sie das auch tatsächlich umsetzen können. Und ob sie tatsächlich besser sein können als die existierenden Banken, die Weltbank, die regionalen Entwicklungsbanken. Da ist noch ein weiter Weg dahin. Und es deutet auch manches darauf hin, dass sie nicht so schnell mit dieser Bank starten werden. Also wahrscheinlich wird es in Durban auch nur die Ankündigung der Gründung geben und vielleicht einige Präliminarien, aber bis der erste Kredit einer solchen Bank ausgezahlt werden wird, werden sicher noch einige Jahre ins Land gehen.

Frenzel: Die lautesten Wortmeldungen vor diesem Gipfel kamen bereits aus Moskau, BRICS könne den Kern einer neuen Weltordnung bilden, so steht das in einem Strategiepapier der russischen Regierung. Sie haben am Anfang schon Zweifel geäußert – hat BRICS das Zeug dazu, auch politisch zum Machtfaktor zu werden, oder sind das alte Wunschträume, vielleicht auch alte antiwestliche Reflexe aus Moskau, die sonst keiner so richtig teilt in der Runde?

Wolff: Nun, wir sehen in den Verlautbarungen der BRICS-Länder schon seit einigen Jahren, seit es sie gibt – das ist ja jetzt der fünfte BRICS-Gipfel in Südafrika – einiges an Rhetorik, bei dem man sich fragt, wie das tatsächlich umgesetzt werden kann. Da ist vieles sicherlich Wunschvorstellung, und man muss auch sehen, dass China ja mit seinem großen wirtschaftlichen Gewicht in der BRICS-Gruppe sicherlich da seine ganz eigene Rolle spielen wird und sich nicht ohne Weiteres in Koalitionen begibt, wenn es um weltwirtschaftliche, weltpolitische Fragen geht. Ich denke nicht, dass damit zu rechnen ist, dass die Gruppe als solche tatsächlich sich weiter als politisches, weltwirtschaftliches Gewicht in dem Sinne stärken wird.

Da hat vieles auch symbolischen Charakter, aber ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass deutlich wird in diesen Diskussionen, dass es tatsächlich diese Machtverschiebungen, diese Gewichtsverlagerungen in der Weltwirtschaft gibt. Gerade in Europa ist manchem nicht so ganz klar, dass Europa in Zukunft eben eine wesentlich geringere Rolle in der Weltwirtschaft spielen wird. Und gerade in Zeiten der Euro-Krise sollte man sich auch noch mal klar sein: Je länger es dauert, desto kleiner wird die Rolle Europas werden.

Frenzel: Und wie könnte der Westen, wie könnte Europa darauf reagieren? Müssten wir vielleicht eine offenere, eine größere Einladung aussprechen gerade gegenüber den Demokratien in diesem Kreis?

Wolff: Ich denke, dass es auf jeden Fall wichtig ist, dass wir diesen Ländern, und natürlich vor allem auch den demokratischen Ländern in diesem Kreis den Spielraum geben, sich tatsächlich in der Weltwirtschaft, in den weltwirtschaftlichen Gremien wie der G20, in IWF und in Weltbank, sich dort zu positionieren und sich konstruktiv dort einbringen. Das ist natürlich nicht einfach für uns, denn wir müssen Platz räumen, nicht, also das heißt ganz konkret, dass die Europäer ohnehin jetzt schon auf zwei Sitze im Exekutivdirektorium der Weltbank verzichtet haben. Und weitere solche Verzichte werden kommen müssen. Das fällt uns schwer, aber wir müssen uns darauf einstellen, das ist ein Prozess, der sich nicht zurückdrehen lässt. Und ich denke, konstruktives Engagement mit den einzelnen BRICS-Ländern ist angesagt.

Frenzel: Morgen beginnt der Gipfel der BRICS-Staaten. Das sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Was von diesem Treffen, was von diesem Bündnis zu erwarten ist, darüber habe ich mit Peter Wolff gesprochen, Leiter der Abteilung Weltwirtschaft und Entwicklungsfinanzierung beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Vielen Dank, Herr Wolff, für das Gespräch!

Wolff: Ich danke Ihnen, Herr Frenzel!

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