"Ein ganz anderes Publikum als bei den Männern"

Claudia Roth im Gespräch mit Marcus Pindur · 06.07.2011
Faires Spiel, ein Publikum, das vielfach aus Familien bestehe und nicht zehn Minuten vor Abpfiff den Heimweg antrete - das unterscheide den Frauenfußball vom Männerfußball, sagt Claudia Roth. Die Grünen-Chefin hat den 4:2-Sieg der deutschen Elf gegen Frankreich gestern im Stadion miterlebt.
Marcus Pindur: Ein schöner Fußball-Abend war das gestern in Mönchengladbach. Die deutschen Fußballerinnen wirkten wie befreit und so spielten sie dann auch auf: 4:2 schlugen sie die Französinnen im letzten Gruppenspiel. Jetzt geht es am Samstag ins Viertelfinale gegen Japan. – Wir sprechen jetzt mit einem großen Fußball-Fan und Mitglied auch des DFB-Beirats, der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth. Guten Morgen, Frau Roth!

Claudia Roth: Schönen guten Morgen!

Pindur: Wo haben Sie das Spiel denn gesehen?

Roth: Ich war wirklich im Stadion in Mönchengladbach: knallvoll, ausverkauft, mit einer Stimmung, das kann man sich kaum vorstellen. Ich habe, glaube ich, noch nie so ein unglaublich schönes Spiel mit so einer unglaublich tollen Stimmung erlebt.

Pindur: Die Atmosphäre war ja bislang überall sehr gut. Wie fanden Sie denn das Spiel gestern?

Roth: Das Spiel war wirklich mitreißend, hinreißend. Da ist irgendwie ein Knoten geplatzt ganz offensichtlich auch bei der deutschen Mannschaft. Die haben Angriffs-Fußball gespielt, die haben klugen Fußball gespielt, die haben sich nie, ja die haben nach vorne gespielt, hatten natürlich auch wirklich eine tolle Gegnerinnen-Mannschaft mit den Französinnen, und im Gegensatz zum Spiel gegen Nigeria war auch eine Schiedsrichterin auf dem Platz, die sehr konsequent von der ersten Minute an gepfiffen hat. Das war eine Finnin, und die hat das Spiel wirklich wunderbar geleitet.

Pindur: Welche Spielerin hat Ihnen denn gestern am besten gefallen?

Roth: Mir hat gestern die Mannschaft am besten gefallen, also insgesamt. Inka Grings ist ja die Spielerin des Abends geworden, die zwei Tore gemacht hat. Aber ich will da gar niemand herausholen, sondern es war einfach große Klasse. Und man darf auch nicht vergessen, dass Nadine Angerer einfach eine großartige Frau im Tor ist, die viel, viel Sicherheit vermittelt.

Pindur: Das waren ja auch zwei tolle Kopfball-Tore erst mal, die auch toll herausgespielt waren.

Roth: Ja, von Inka Grings wirklich großartig. Dann hat die Celia ein Hammer-Tor gemacht in der zweiten Halbzeit. Also wenn man sich anguckt, wie das Spiel gegen Nigeria war, wo viel Ängstlichkeit drin war, Verunsicherung drin war, dass auch vonseiten der Nigerianerinnen unglaublich faul gespielt worden ist, hart gespielt worden ist, das war gestern sehr, sehr, sehr fair, was ja überhaupt den Frauen-Fußball vom Männer-Fußball massiv unterscheidet, und diese Fairness und diese Lust am Spielen und diese Freude, die überträgt sich natürlich auch auf ein Publikum, das mitgegangen ist, hinreißend. Das war eine Mischung aus Leichtathletik-WM, Evangelischem Kirchentag und einem ausverkauften Rockkonzert.

Pindur: Sie waren gestern dann auch im Hotel der Spielerinnen, Sie haben dort auch übernachtet, hatten auch Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Was hatten Sie denn für einen Eindruck? Waren die jetzt erleichtert, wie der Druck von ihnen ist?

Roth: Also erst mal waren sie natürlich ziemlich fertig. Das muss man sich vorstellen: Das ist ja eine wahnsinnig körperliche Leistung auch. Dann waren die natürlich auch total positiv eingenommen von einem Publikum, das eine wahnsinnige Freundlichkeit hat. Da sind die Familien, da sind viele Kinder, da sind Opa und Oma und es ist ein ganz anderes Publikum als bei den Männern. Übrigens unterscheidet es sich auch dadurch, dass nicht zehn Minuten vor Schluss schon gegangen wird, sondern die bleiben da und die feiern hinterher stehend, die singen, großartig, und das hat die Frauen natürlich auch super beeindruckt und sie waren froh, dass eine Art Knoten geplatzt ist. Aber sie wissen natürlich und sie erleben das auch, dieser unglaubliche öffentliche Druck, der auf ihnen lastet. Am Anfang hat man ja so getan bei uns, als wäre sowieso klar, dass sie die Weltmeisterschaft gewinnen. Vielleicht war das Spiel in Frankfurt, das ja nicht so gut war, ganz gut, weil es diesen Druck ein bisschen weggenommen hat. Aber die Frauen sind ja nicht daran gewöhnt, dass sie vor vollen Häusern spielen, dass sie in so großen Stadien spielen, dass die Medien sich endlich auch für Frauen-Fußball interessieren, dass sie Zuschauer- und Zuschauerinnen-Quoten haben im Fernsehen, die alles überflügeln. Also da muss man sich, glaube ich, erst mal damit auseinandersetzen. Und dann auch neu auf der einen Seite die Begeisterung, auf der anderen Seite aber auch die öffentliche Kritik, die ja gerade Birgit Prinz getroffen hat, und da ist die Birgit Prinz als die Anzieherin oder wie soll ich sagen, eine der wichtigsten, der Pionierinnen auch im Fußball-Spiel der Frauen natürlich unter einer ganz besonders schwierigen Situation.

Pindur: Hatten Sie gestern Gelegenheit, mit Birgit Prinz darüber zu sprechen?

Roth: Persönlich habe ich mit ihr jetzt darüber nicht gesprochen. Ich glaube, da muss man sie jetzt auch erst mal für sich lassen. Aber ich konnte den Frauen einfach noch mal die Begeisterung von außen mitteilen, und sie sind jetzt natürlich schon sehr konzentriert auf ein schweres Spiel gegen die Japanerinnen, und die Hoffnung ist natürlich schon, dass die nächsten drei Spiele gut ausgehen. Dann sind sie nämlich Weltmeisterinnen.

Pindur: Frau Roth, dann weiterhin viel Spaß beim Fußball!

Roth: Ich danke Ihnen auch! Ihnen auch beim Zuschauen!

Pindur: Claudia Roth war das, Vorsitzende der Grünen, sie ist großer Fußball-Fan, zum gestrigen Fußballspiel der Frauen in Mönchengladbach und allgemein zum Frauen-Fußball und Männer-Fußball und wie es sich mit beidem verhält.


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