"Ein Friedhof ist für uns Menschen auch ein Stück unserer Heimat"

Moderiert von Thorsten Jabs · 19.11.2011
Die Verabschiedung von Verstorbenen innerhalb eines Familienkreises könne in den nächsten Jahren wieder zunehmen, meint Claus-Dieter Wulf, der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Bei einer Trauerfeier solle sich die Persönlichkeit des Verstorbenen wiederfinden.
Thorsten Jabs: Im Tod sind alle gleich, heißt es in einem altbekannten Sprichwort. Zumindest müssen alle Menschen auf die eine oder andere Art bestattet werden. Bevor wir uns gleich in dieser Sendung noch ausführlich mit Friedhöfen beschäftigen, wollen wir jetzt erst einmal fragen, wie individuell denn in Deutschland eine Bestattung gestaltet werden kann.

Schließlich könnte auch die Gestaltung eines Grabes oder einer Trauerfeier zur Trauerbewältigung beitragen. Dazu bin ich verbunden mit Claus-Dieter Wulf, dem Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Guten Tag, Herr Wulf!

Claus-Dieter Wulf: Guten Tag, Herr Jabs!

Jabs: Herr Wulf, gibt es so etwas wie Trends im Bestattungsgewerbe?

Wulf: Ja, selbstverständlich verändert sich die Bestattungskultur auch, genau, wie sich die Gesellschaft permanent verändert, und wir haben natürlich auch einen Trend, der im Moment in die Richtung geht, dass bei der Ausgestaltung einer Trauerfeier auch die Persönlichkeit des Verstorbenen sich in Elementen der Aufbahrung wiederfinden soll.

Jabs: Welche Rolle spielt da der Bestatter?

Wulf: Ja, der Bestatter ist eigentlich, wenn Sie so wollen, der Manager dieser Angelegenheit. Das heißt, unsere Aufgabe ist es, im Beratungsgespräch mit den Angehörigen erst einmal herauszufiltern, welche Wünsche vorhanden sind, denn häufig ist es so, dass Angehörige das nicht so genau beschreiben können, was sie gerne tun würden. Das versuchen wir herauszufiltern und setzen es dann mit unseren vorhandenen Fachkenntnissen um.

Jabs: Es ist ja Fakt, dass die Zahl der Christen in Deutschland abnimmt, und andere Konfessionen werden immer wichtiger. Was bedeutet das auch für Trauerfeiern und für die Bestatter?

Wulf: Das heißt, dass wir uns auch in alle möglichen Religionsrichtungen ausrichten müssen. Da gibt es natürlich die beiden großen christlichen Religionen, die immer noch einen guten Stand hier in Deutschland haben, darüber hinaus haben wir aber eben auch muslimische Mitbürger, und wir haben auch Splittergruppen und wir haben eine Anzahl von Menschen, die eben nicht gläubig sind, aber die natürlich genauso Wünsche haben für ihre Bestattung.

Jabs: Was sind denn zum Beispiel ausgefallene Wünsche?

Wulf: Ausgefallene Wünsche sind zum Beispiel Bestattungen eines Seemannes, der nun gerne für seine Trauerfeier sich vorgestellt hat – häufig sind solche Sachen dann auch von dem Menschen selbst schon mal irgendwann zu Papier gebracht worden –, dass die Landschaft in der Trauerhalle einer Küstenregion ähneln soll oder auch einer Hafenregion, und das versuchen wir dann in Einzelpunkten darzustellen.

Jabs: Und wie teuer ist so was dann?

Wulf: Das muss nicht unbedingt teurer sein, denn wir benutzen dann Baustoffe wie Sand und normale Dekostoffe, das ist nicht so aufwendig. Aufwendig ist eigentlich eher im Kopf die Arbeit, die Ideen zu haben und sie zu produzieren.

Jabs: Aber so ungefähr eine Trauerfeier, was kann man da als Preis anrechnen?

Wulf: Also für eine Bestattung mit einer Trauerfeier müsste man eine Summe von um die 2.500 bis 3.500 Euro im Mittelwert rechnen. Dazu kämen dann in jedem Fall noch die Gebühren des Friedhofes beziehungsweise des Krematoriums.

Jabs: Geht das denn auch anders – ich meine, wir reden heutzutage alle von großer Krise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise –, geht das denn auch billiger?

Wulf: Ja, selbstverständlich geht es preisgünstiger. Wenn man also jetzt eine Trauerfeier dann eben gar nicht wünscht, dann sind gerade die Elemente, die personalkostenintensiv sind, eben nicht vorhanden, und da kann man den Preis dann schon direkt halbieren.

Jabs: Wenn wir noch mal über die Bestattungsart sprechen, was für Möglichkeiten gibt es da in Deutschland?

Wulf: Wir haben einmal die klassische Erdbestattung aus alter Tradition und dann haben wir die Feuerbestattung, deren Tradition übrigens 9.000 Jahre bis in die Jungsteinzeit zurückreicht. Diese Bestattungsform ist allerdings mit der Verbreitung des Christentums erst einmal verdrängt worden, und eine Wiederbelebung hat es eigentlich erst zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland gegeben.

Und bei der Feuerbestattung gibt es eben verschiedene Beisetzungsformen, die man dann hat. Man kann klassisch auf einem Friedhof beisetzen, in einem Familiengrab, man kann die Urne in ein sogenanntes Kolumbarium geben, man kann sie im Friedwald beisetzen, also wenn man so will in einem Dschungelwald, man kann sie auch auf der See beisetzen oder zumindest außerhalb Deutschlands auch verstreuen.

Jabs: Aber mit nach Hause nehmen darf man sie nicht?

Wulf: In einigen Bundesländern darf man die Urne auch zeitlich befristet mit nach Hause nehmen. Zeitlich befristet bedeutet, dass es letztendlich in Deutschland ein Gesetz zum Friedhofszwang gibt, was dann irgendwann erfüllt werden muss.

Jabs: Sie haben das eben schon erwähnt, man kann die Asche außerhalb Deutschlands verstreuen. Das ist ja eigentlich meistens eher bekannt aus Hollywoodfilmen, dass die Asche eines Toten in der Natur verstreut wird. Warum ist das hierzulande nicht möglich?

Wulf: Ich denke, es hat etwas mit unserem christlichen Glauben und unserer Kultur zu tun. Eine Bestattungskultur ist ja etwas, was sich entwickelt, und bei uns hat es sich eben so entwickelt, dass die Friedhöfe traditionelle Orte sind. Ein Friedhof – das hört man eigentlich immer wieder, und ich kann diese Einstellung auch gut nachvollziehen – ein Friedhof ist für uns Menschen auch ein Stück unserer Heimat, nämlich da, wo unsere Großeltern und Eltern bestattet sind, und da hat man natürlich dann auch eine sehr enge Beziehung dazu.

Jabs: Aus Ihrer Erfahrung, was ist heutzutage mehr gewünscht, Feuerbestattung oder Erdbestattung?

Wulf: Die Feuerbestattung ist in den letzten Jahren eindeutig auf dem Vormarsch, das heißt, wir haben in deutschen Großstädten einen%anteil hier, der liegt gut bei 70 Prozent, in einigen Städten sogar noch deutlich höher. Auf dem Lande ist es nicht ganz so stark, dort ist die Erdbestattung dann auch noch recht häufig anzutreffen.

Das hat aber auch was damit zu tun, dass natürlich ein Krematorium nicht immer unbedingt in so ganzer Nähe ist, und dann entscheiden sich eben viele doch für die traditionelle Erdbestattung. Hat auch ein bisschen was mit unserer christlichen Religion zu tun.

Jabs: Und hat das auch was mit dem Preis zu tun, Feuerbestattung, Erdbestattung?

Wulf: Es hat auch ein bisschen mit dem Preis zu tun, muss es aber nicht, aber viele Menschen möchten dann, wenn sie eine Erdbestattung wünschen, auch einen besonders stabilen Sarg auswählen, um einfach sicherzustellen, dass die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers und die Vergänglichkeit des Holzsarges eine gewisse Parallelität bieten.

Jabs: Da sind wir gleich beim Stichwort: Sarg. Darf man denn zum Beispiel einem Verstorbenen etwas mit ins Grab legen oder etwas mit in den Sarg hineinlegen, vielleicht persönliche Gegenstände oder so etwas?

Wulf: Das ist selbstverständlich ohne Probleme möglich, zumindest bei der Erdbestattung. Da macht es keinen Sinn, irgendwelche Vorschriften zu erlassen, die gibt es auch nicht. Bei der Feuerbestattung sieht es schon etwas anders aus, weil die modernen Feuerbestattungsanlagen hochsensible Filter haben, und wenn Sie dann im Sarg Beilagen haben, die aus Kunststoff bestehen, dann entstehen bei der Verbrennung also auch Gase und Stoffe, die diese Filter beschädigen beziehungsweise verkleben können. Und deswegen gibt es bei der Feuerbestattung ganz klare Vorschriften, auch was man an Kleidung verwenden darf.

Jabs: Sie haben ja eben gesagt, auch bei Feuerbestattung braucht man teilweise eben doch auf Friedhöfen eine Urnenstelle, so ähnlich vergleichbar wie mit der Erdbestattung eines Grabes. Dann gibt es wahrscheinlich auch die unterschiedlichsten Wünsche der Gestaltung des Grabes oder der Urnenstelle. Was sind zum Beispiel ausgefallene Wünsche, die Ihnen begegnet sind?

Wulf: Also ausgefallen sind dann häufig die Grabskulpturen, die dann erstellt werden auf diesen Gräbern. Da gibt es dann heute doch schon andere Varianten als früher. Früher hat man dann höchstens mal vielleicht einen Engel gesehen, heute sieht man auf Grabsteinen dann auch Schiffe eingemeißelt oder andere Ornamente, je nachdem, welches Hobby oder welche Leidenschaft der Verstorbene damals im Leben gehabt hat.

Jabs: Gibt es da denn die Loslösung vom Christentum, ist die da auch besonders deutlich zu spüren, am Grabstein?

Wulf: Das würde ich so nicht sagen, dass das eine Loslösung vom Christentum ist. Es gibt hier durchaus beide Komponenten nebeneinander. Man kann sich doch auch heute ohne Probleme christlich bestatten lassen und trotzdem sich so einen besonderen Grabstein, der ein Hobby aus dem Leben reflektiert, dort auf das Grab stellen – das sind nicht unbedingt Widersprüche.

Jabs: Und da gibt es auch keine Probleme, zum Beispiel mit der Friedhofsverwaltung, also wenn ich mir zum Beispiel eine große Putte auf mein Grab stellen will?

Wulf: Natürlich gibt es da Vorschriften, die zu beachten sind. Stellen Sie sich vor, Sie haben nur ein kleines Grab, was ein Quadratmeter groß ist, und Sie stellen dort eine Stele in einer Höhe von zwei Metern, das würde ja zum Beispiel den Nachbargräbern auch das Licht für die Blumen nehmen. Also der Friedhof achtet schon als Hausherr darauf, dass gewisse Spielregeln eingehalten werden, dass die Grabmale nicht zu groß sind, im Verhältnis zu der Grabstelle selbst.

Also da wird schon ein wenig drauf geachtet, dass nicht jeder machen kann, was er will. Beziehungsweise in einigen Friedhöfen gibt es auch Regionen, die von vornherein so ausgelegt sind, dass der Friedhof sagt, wer sich hier einen Grabplatz wählt, der kann damit machen, was er will. Der darf sich dann aber auch nicht wundern, wenn sein Nachbar das gleiche Recht für sich in Anspruch nimmt.

Jabs: Und gibt es so eine typische Frage von Kunden, sag ich jetzt mal, die Sie leider immer wieder mit Nein beantworten müssen, weil es eben doch nicht erlaubt ist oder weil es eben doch nicht geht?

Wulf: Das ist natürlich in Hamburg oder in vielen Bundesländern in Deutschland immer die Frage: Darf ich die Urne meines Liebsten mit nach Hause nehmen? Das ist eben in den meisten Bundesländern nicht gestattet, und das müssen wir dann eben auch verneinen.

Jabs: Und wenn wir noch mal zum Anfang unseres Gesprächs kommen, was Trends angeht, was glauben Sie, was wird in den nächsten Jahren vielleicht noch deutlich zunehmen?

Wulf: Also wir sind wieder auf dem Weg in eine Wertegesellschaft, das bedeutet, dass ich durchaus mir vorstellen kann, dass die Verabschiedung von Verstorbenen innerhalb eines Familienkreises in den nächsten Jahren vielleicht wieder zunimmt. Wir hatten in den letzten 15, 20 Jahren den Trend, dass das nicht so der Fall war und dass man auf Abschiede und Trauerfeiern eher verzichten wollte, weil man sich auch mit dem Thema Tod nicht auseinandersetzen mochte.

Wenn ich heute mit jüngeren Leuten in einem Beratungsgespräch bin oder in einer Familie sitze, wo auch Enkelkinder im Alter von 13 bis 15 Jahren sind, dann stelle ich doch immer wieder fest, dass die sehr wohl inzwischen auf eine Verabschiedung und auf ein nochmaliges Beisammensein Wert legen und dass diese junge Generation heute nicht so sprachlos ist wie wir damals in dem Alter. Das ist eigentlich schön mit anzusehen, die sitzen eben nicht nur stumm mit am Tisch, sondern die äußern sich auch.

Jabs: Herr Wulf, vielen Dank für das Gespräch!

Wulf: Gerne.

Jabs: Claus-Dieter Wulf, der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter zum Thema Bestattungen in Deutschland.


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