Ein Dach für drei Kirchen

Von Adolf Stock · 06.07.2013
Das Gebäude soll eine große Halle mit Kuppel bekommen, in der sich Juden, Christen und Muslime begegnen können. Drei separate Räume bieten aber auch Platz für Rückzug. Noch vor Baubeginn wird darüber diskutiert, ob das Projekt theologisch vertretbar ist.
Juden, Christen und Muslime in einem Gotteshaus vereint - dieser interreligiöse Traum soll in der Hauptstadt wahr werden. Doch schon auf dem Weg gibt es Kontroversen. Diskutiert wird zum Beispiel darüber, ob das Projekt überhaupt theologisch vertretbar ist und welche Bedeutung es innerhalb der Stadtgesellschaft erlangen könnte.

Die St.-Petri-St.-Marien-Gemeinde, das jüdische Abraham-Geiger-Kolleg und ein kleiner liberal gesinnter muslimischer Verein haben sich zusammengefunden und lange über ein Konzept für das neue Bet- und Lehrhaus diskutiert. Am Ende stand eine Ausschreibung, die unter dem Vorsitz von Hans Kollhoff den Entwurf der Berliner Architekten Kuehn Malvezzi zum Sieger erklärten.

Gregor Hohberg: "Es ist ja sozusagen Synagoge, Kirche und Moschee unter einem Dach, alle münden in diesem großen Zentralraum, und die Gestaltung von Synagoge, Moschee und Kirche ist so individuell mit verschiedenen Grundflächen, verschiedenen Dachformationen, da haben sie sich also so große Mühe gegeben, dieser Verschiedenheit einen Ausdruck zu geben, das war eine große Qualität dieses Entwurfs."

Es ist ein robuster Baukörper aus gemauertem Stein, dem man ansieht, dass er ganz besonderen Zwecken dient. Ein jetzt vorgestelltes Buch zieht eine erste Bilanz. Es ist in fünf Sprachen verfasst: deutsch, englisch, türkisch, arabisch und hebräisch - eine Hommage an ein multireligiöses Experiment. Die Entwürfe des Wettbewerbs werden mit wunderbar anschaulichen Zeichnungen und Modellen vorgestellt, und das Konzept für das Bet- und Lehrhaus wird noch einmal ausführlich begründet und erklärt.

Ende Juni wurde die Buchpräsentation zum Anlass, noch einmal grundsätzlich über das Bet- und Lehrhaus zu diskutieren. In der Parochialkirche in der Berliner Klosterstraße saßen der Stararchitekt Hans Kollhoff, Verleger Philipp Meuser, Pfarrer Gregor Hohberg und der katholisch-konservative Schriftsteller und Büchner-Preisträger Martin Mosebach auf dem Podium, und es gab ernsthafte Differenzen. Mosebach kritisierte die protestantischen Glaubensbrüder.

Martin Mosebach: "Das ist auch eine Religion, die nicht doktrinär sein will, ohne Offenbarung auskommt. Es ist eine …, es ist eigentlich mehr ein religiöses Gefühl."

Als Katholik will Martin Mosebach die alten Traditionen seiner Kirche bewahren. 'Buchkunst und Baukunst' war sein Thema. Er sprach von der Bedeutung der heiligen Bücher für die Liturgie, vor allem das Messbuch ist für den Gottesdienst wichtig. Die Kirchen sind der architektonische Rahmen, in dem die Schrift zum lebendigen Ereignis wird.

Der Architekt Hans Kollhoff
Architekt Hans Kollhoff.© Deutschlandradio - Bettina Straub
Eine Agora als Scharnier
Natürlich lässt sich überall beten, doch in Kirchen, Synagogen und Moscheen kommen Gläubige zusammen, die in einer langen Tradition eine gemeinsame Sprache und Riten entwickelt haben, die ihnen die Gewissheit gibt, mit Gott in Verbindung treten zu können. Für Martin Mosebach sind Kirchen gebaute Liturgie, sie bieten einen spirituellen Raum, wo jedes Detail wichtig ist. Und nicht nur das, Kern des christlichen Glaubens ist für ihn ein offensives Bekenntnis.

Mosebach: "Zum Christentum gehört der Missionsbefehl: Gehet hin in alle Welt und taufet alle Völker. Ohne die Hoffnung, andere von der Wahrheit seines Glaubens zu überzeugen, ist dieser Glaube im Grunde schon tot. Man kann nicht in Anführungszeichen glauben, man kann nicht glauben, ja hier habe ich nun meine überlieferte Religion, aber die anderen haben ja die ihren und da ist vielleicht auch was Wahres dran, sozusagen in diesem Sinn, das ist nicht mehr Glauben, das ist schon aufgegebener Glauben."

Pfarrer Gregor Hohberg hielt mit pragmatischen Argumenten dagegen.

Hohberg: "Die Grundhaltung unserer Gemeinde war immer zu gucken, was braucht die Stadt von uns als Religion, was können wir als Religion der Stadt zugutetun. Und da gab's verschiedene Antworten, für die Marienkirche die offene Stadtkirchenarbeit mit einem diakonischen Profil, die Parochialkirche, wo wir eine Kulturstiftung gegründet haben, und für diesen Ort wollten wir ein Thema aufgreifen, was in der Gesellschaft aktuell war, was den Menschen auf der Seele brannte, wo wir auch einen Beitrag glauben dazu leisten zu können. Und das war eben, für ein gutes, neuartiges Miteinander der Religionen etwas zu entwickeln."

Juden, Muslime und Christen wollen nicht sprachlos nebeneinander leben, sondern aufeinander zugehen und den Dialog suchen. Das könnte zu einem Signal für ein neues Miteinander werden. Für das Bet- und Lehrhaus ist eine große Halle geplant, eine Agora, wo sich die Religionen begegnen können. Indes:

Hohberg:"Es soll keine Religionsvermischung hier stattfinden. Es sind ja auch drei unterschiedliche Räume, die zu einem Zentralraum sich öffnen und nicht ein großer Raum für alle. Wir müssen gucken und genauer benennen, wo sind wirklich die Differenzen zwischen den Religionen und wo sind sie auch bleibend und dann auch auszuhalten, und wo sind aber eher auch Zuschreibungen, die von außen an die Religion herangetragen werden, aufgrund von Debatten, die gerade tagesaktuell sind, wo dann aber auch Zuschreibungen passieren, die gar nicht die wirklichen Differenzen benennen und eher verwischen vielleicht sogar."

Die geplante Halle wird als Scharnier zwischen den Religionen und der säkularen Stadt verstanden, ein stiller Raum mit keiner eindeutigen Funktion. Doch eben hier sieht Martin Mosebach eine geheime Dramaturgie am Werk. Er befürchtet, die Halle werde die Religionen zugunsten einer übergeordneten Struktur entwerten.

Mosebach: "Da sind wir schon bei einer theistischen Religion des 18. Jahrhunderts, und die sehe ich auch in diesem Bauwerk ein bisschen verkörpert durch diesen erhabenen leeren Mittelraum, der prachtvoller ist durch seine Schönheit und seine Größe als die dann doch irgendwo wahrscheinlich mit ihren Traditionen gefüllten kleinen Andachtsräume der verschiedenen Religionen. Die Botschaft dieses Gebäudes ist für mich: Verlasst doch diese Kammern, die ringsherum angegliedert sind, und findet euch doch unter dieser großen Kuppel zusammen."

Martin Mosebach bleibt skeptisch, doch das Bet- und Lehrhaus soll bald Wirklichkeit werden. Wenn alles gut geht, ist im Sommer 2015 Baubeginn. Die Kosten werden mit einem zweistelligen Millionenbetrag veranschlagt. Jetzt hofft man auf Sponsoren für ein Projekt von unten, das engagierte Juden, Christen und Muslime gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Auch Berlin und der Bund haben Unterstützung zugesagt. Ein Experiment mit offenem Ausgang, ganz im Geist von Lessings Ringparabel, die für das friedliche Miteinander der Religionen steht.

Externe Links:
Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin

Literatur:
Gregor Hohberg, Roland Stolte (Hg.): "Das Haus der drei Religionen. Bet- und Lehrhaus Berlin: Entwürfe für einen Sakralbau von morgen", Berlin 2013, DOM publishers, 272 Seiten, 48 Euro
Der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach
Büchner-Preisträger Martin Mosebach. "Man kann nicht in Anführungszeichen glauben."© picture alliance / dpa / Erwin Elsner
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