Ein Crashkurs im Jüdischsein

Von Igal Avidan · 27.06.2011
Der muslimische Familienvater Mahmud Nasir findet eines Tages heraus, dass er eigentlich aus einer jüdischen Familie stammt. Es folgt eine heimliche jüdische Umerziehung - mit ein bisschen Klezmer, ein bisschen Schoah, ein bisschen Jiddisch.
Die Briten sind ein gerechtes Volk: Diese Erfahrung machte der englische Komiker und Autor David Baddiel bereits in den 1970er Jahren als Kind in London. Er wurde zwei Mal von einem Rassisten geschlagen – ein Mal als Jude und ein Mal, weil man ihn wegen seiner dunklen Haut für einen Pakistani gehalten hat. Baddiel wollte diesen Irrtum spontan korrigieren, aber er schwieg stattdessen. Schon als Kind war ihm klar, dass die meisten ethnischen Engländer zwischen einem Juden und einem Moslem nicht unterscheiden können und beide Gruppen gleichermaßen diskriminieren. Als er den iranischstämmigen Stand-up-Komiker Omar Djalili bei einer Show sah, bot er ihm die Hauptrolle in einem Film über einen Moslem an, der entdeckt, dass er eigentlich jüdisch ist.

Mahmud Nasir ist ein liberaler muslimischer Familienvater, der am liebsten vor dem Fernseher sitzt und sich einen Videoclip seines Lieblingssängers anschaut. Im Haus seiner gerade verstorbenen Mutter entdeckt Mahmud seine Geburtsurkunde und erfährt, dass er als Baby adoptiert wurde. Im Standesamt muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass er ursprünglich aus einer jüdischen Familie stammt. Schließlich findet Mahmud in einem Altersheim sogar seinen leiblichen Vater. Ein orthodoxer Rabbi, der ohne Bart eher wie ein Priester aussieht, versperrt Mahmud den Weg:

"Ist Izzy Shimshilovitz dort?"

Der Rabbiner lässt Mahmud nicht herein, denn der alte Mann, nach dem er frage, sei sehr krank, dazu noch ein gläubiger Jude. Die Begegnung mit seinem muslimischen Sohn könnte auf ihn tödlich wirken! Was solle er tun, fragt Mahmud den Rabbi, der, typisch jüdisch, mit einer Frage antwortet. Was wisse er überhaupt über Juden?

"Sie haben große Nasen, so wie meine; sie lieben Geld, und sie unterstützen den Fußballverein Tottenham Hotspur."

Mahmud müsse zuerst darüber nachdenken, was es bedeutet, Jude zu sein, ordnet der Rabbi an. Erst dann dürfe er herein - eventuell. Verzweifelt klopft Mahmud an die Tür seines Nachbarn Lenny, des einzigen Juden, den er kennt. Nach dem ersten Schock gibt der ihm einen Crashkurs in Sachen Jüdischsein.

Dazu gehören ein bisschen Klezmer-Tanzen, ein bisschen Shoah und einige Brocken Jiddisch, vor allem das typisch jüdische Seufzen "oj, wej" mit der passenden Körpersprache. Mit mäßiger Gewalt gelingt es Lenny, Mahmud eine jüdische Kopfbedeckung, eine Kippa, aufzusetzen. Seine erste Mutprobe soll er bei einer Bar-Mizwa, einer jüdischen Konfirmation, liefern. Die sehr lustige jüdische Umerziehung muss heimlich stattfinden, denn Mahmuds Sohn heiratet bald, und der künftige Schwager ist ein radikaler islamistischer Prediger. Ohne dessen Segen kann jedoch die Hochzeit nicht stattfinden. "Alles koscher!" ist, anders als der Titel suggeriert, auch ein Film über Muslime und nimmt dabei eine sehr ungewöhnliche Haltung ein. David Baddiel:

"Ich habe zwar nicht alle britischen Filme über Muslime gesehen, aber in den allermeisten von ihnen werden Muslime als Fanatiker oder Terroristen dargestellt, sowohl in TV-Serien wie 'My Son the Fanatic' als auch in Filmen wie 'Four Lions'. Unser Film war so erfolgreich in Orten, in denen viele Muslime leben, weil sie sich nach Filmen sehnen, die sie als normale Menschen zeigen."

Anders als die Helden von Filmen über Minderheiten wie "Anatevka", "East Is East" oder "Kick It Like Beckham" wollen die Hauptfiguren hier – Muslime wie Juden - sich nicht assimilieren. Die britische Mehrheitsgesellschaft kommt in diesem multikulturellen Film eigentlich kaum vor. Die meisten Witze gehen hier auf Kosten der Juden. Da kennt sich Drehbuchautor David Baddiel aus, der sich als Jude im Herzen und Atheist im Kopf bezeichnet. Dennoch ärgerte er manche Juden, weil er im Film eine Kippa verbrennen lässt. Im arabischen Sender Al-Jazeera sagte Baddiel dazu:

"Wie haben ihn nicht deswegen ausgesucht, weil er Israeli ist, sondern weil er ein guter Schauspieler ist, der in diese Rolle eines Ägypters gut passte, einschließlich des passenden Akzents. Ein jüdischer irakischstämmiger Israeli."

Und darum sorgte Baddiel, der auch Koproduzent ist, dafür, dass sein Film nicht nur koscher, sondern auch halal ist, nach islamischem Recht also erlaubt. Er ließ eine muslimische Schauspielerin prüfen, ob die Muslime im Film authentisch wirken und er weder Koran noch den Propheten Mohammad beleidigen könnte.
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