Ehrung für Ida Jauch

Die Frau, die Hans Rosenthal versteckte

Die Urkunde und Medaille für Ida Jauch, die als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet wurde.
Die Urkunde und Medaille für Ida Jauch, die als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet wurde. © Deutschlandradio - Andreas Buron
Von Margarete Wohlan · 26.10.2015
Hans Rosenthal prägte wie kaum ein anderer die Radio- und Fernseh-Unterhaltung in Deutschland. Er konnte die Nazi-Zeit nur überleben, weil Ida Jauch ihn versteckt hielt. Jauch wurde dafür geehrt: Im Funkhaus von Deutschlandradio Kultur, dem ehemaligen RIAS-Gebäude, wo Hans Rosenthal fast 20 Jahre lang Unterhaltungschef war. Hier verlieh die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem der Retterin den Titel "Gerechte unter den Völkern".
Manfred Jahn ist sichtlich bewegt, als der Gesandte der israelischen Botschaft Avi Nir-Feldklein ihm die Medaille der "Gerechten unter den Völkern" überreicht – stellvertretend für seine Großtante Ida Jauch, die den jungen Rosenthal während des Nationalsozialismus 18 Monate versteckt und somit vor dem sicheren Tod bewahrt hatte.
Jahn: "Ich glaube, das wäre für sie ein ganz großer Akt gewesen und sie hätte ganz bestimmt hier auch Tränen vergossen. Selbst mir ist es fast so gegangen. So eine beeindruckende Feier habe ich bisher auch noch nicht erlebt."
In der Feierstunde, zu der Angehörige und Freunde von Jauch und Rosenthal kamen, wurde durch die Schilderungen der Redner die Zeit während der NS-Diktatur wieder wach. Ida Jauch riskierte damals ihr Leben, um den verfolgten Juden Hans Rosenthal zu retten: Es ist 1943, Rosenthal ist 18 Jahre alt und Waise. Den Deportationen im Februar 1943 kann er noch entgehen, aber dann will, muss er untertauchen. Doch wohin? In einer ZDF-Dokumentation aus dem Jahr '85, die während der Gedenkfeier eingespielt wird, erinnerte sich Rosenthal an den Moment:
"Ich wusste, hier in Lichtenberg in einer Kolonie, Dreieinigkeit, ist eine Freundin meiner Mutter, Frau Jauch. Und der vertraute ich mich an. Ich sagte also: Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder ich melde mich bei der Gestapo oder irgend jemand müsste mich verstecken. Und sie sagte sofort: Hans, Du bleibst hier. Ich habe hier ein kleines Zimmer mit einer Tapetentür, das ist gar nicht zu erkennen von außen. Und diese Frau Jauch hat dann, wie soll ich sagen, mit mir alles geteilt."
Sie teilt mit ihm ihre Lebensmittelkarten und behandelt ihn wie ihren eigenen Sohn. 1944 stirbt sie unerwartet. Zwei andere ältere Damen aus derselben Kolonie – Emma Harndt und Maria Schönebeck – übernehmen ihre Rolle und verstecken Hans Rosenthal bis zum Kriegsende. So überlebt er den Holocaust. Und deshalb sprach sein Sohn Gerd für die ganze Familie, als er heute sagte:
Rosenthal: "Es gibt viele Dinge, die sich mein Vater von ganzem Herzen gewünscht hat und die er nicht mehr miterleben konnte. Hierzu gehört auch die Ehrung der Frauen, die ihm völlig uneigennützig das Leben gerettet. Heute wäre er mit Sicherheit hier und hätte sich unglaublich über die Berufung von Ida Jauch zu einer Gerechten unter den Völkern gefreut. Ja, er hätte es spitze gefunden."
Jahn bewundert den Mut seiner Großtante
Auch Manfred Jahn bewundert den Mut seiner Großtante. Und obwohl er mit seinen Eltern in Ostberlin lebte – und seine Großeltern in Westberlin seit dem Mauerbau 1961 nicht besuchen konnte, wurden die Geschichten von Ida Jauch in Briefen und Telefonaten immer wieder erwähnt.
Jahn: "Das war bekannt. Meine Großeltern haben mir davon erzählt. Meine Großeltern haben auch viele Veranstaltungen von Hans Rosenthal besucht, kulturelle Veranstaltungen, haben sich wahrscheinlich irgendwie im Hinterraum mal so ein bisschen an ihn herangepirscht. So war das wohl. Und was sie dann immer wieder erzählt haben, habe ich dann weitergeleitet an ihre Nachfahren."
Seit 1953 vergibt die nationale Gedenkstätte Israels Yad Vaschem den Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern". 25.685 Menschen aus 51 Ländern sind bisher ausgezeichnet worden – 569 davon kamen aus Deutschland. Für Avi Nir-Feldklein, den Gesandten der israelischen Botschaft in Deutschland, sind es ganz besondere Tage, wenn er die Medaille überreichen kann:
"Es ist sehr wichtig für uns, denn es erinnert uns daran, dass es in einer sehr dunklen Zeit Menschen gab, die ihr Leben riskierten, um ihre Menschlichkeit zu bewahren, und dafür sind wir dankbar."
Für Hans Rosenthal waren es diese drei Frauen – so erzählte er später immer wieder – die es ihm möglich gemacht haben, in Deutschland zu leben, sich als Deutscher zu fühlen und ohne Hass ein Bürger dieses Landes zu sein.
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