Ehrenmord-Stück

Scherz mit dem Entsetzen

Ibrahim Amirs "Habe die Ehre" am Schauspiel Köln
Szene aus "Habe die Ehre" © David Baltzer
Von Ulrike Gondorf  · 09.05.2014
Die Tochter hat ihren Ehemann verlassen, jetzt soll sie sterben: Unter dem operettenhaften Titel "Habe die Ehre" wird in Köln ein knallhartes Problem abgehandelt, der Ehrenmord. Das ist ernst und bedrohlich - und wird dennoch gekonnt ins Groteske überdreht.
"Habe die Ehre" – das klingt verbindlich, wienerisch, ein bisschen altbacken. Aber unter diesem operettenhaften Titel wird jetzt im Schauspiel Köln ein knallhartes Problem abgehandelt: der Ehrenmord – ein brutales Verbrechen, ein Thema, das wie kein zweites die Mehrheitsgesellschaft gegen muslimische Minderheiten aufbringt. Und das alles in Form einer Komödie. Hausherr Stefan Bachmann hat die deutsche Erstaufführung des Stücks von dem jungen syrischen Autor Ibrahim Amir inszeniert.
Dass schon der Titel ein bisschen wienerisch klingt und sich die ganze Geschichte ziemlich schwarzhumorig entwickelt, dürfte kein Zufall sein. Ibrahim Amir, der in 1982 in Aleppo geboren wurde, lebt seit zehn Jahren in Wien. In seiner Heimat wurde er nach einigen politischen Aktionen von der Universität gewiesen. Er hat Medizin studiert und arbeitet heute als Arzt in einem Krankenhaus. "Habe die Ehre" ist sein erstes Stück.
Harter Kern, absurde Komik
Es versetzt die Zuschauer in die Wohnküche einer Familie von Zuwanderern – man assoziiert Türken, aber der Autor nennt keine Namen, erzählt keine konkreten Herkunftsgeschichten. Dort ist eine Familie versammelt, um eine Katastrophe zu bewältigen. Die Tochter hat ihren Ehemann verlassen und ist mit einem anderen durchgebrannt. Nun soll die "Hure" getötet und die Ehre der ganzen Familie wiederhergestellt werden.
Der Kern des Stücks ist hart, aber die Geschichte entwickelt sich in eine absurde Komik hinein: Der Vater, der Bruder, der verlassene Ehemann und dessen Vater steigern sich rhetorisch in immer größeren Rachedurst. Als es darum geht, die Frau zu erschießen, will das keiner tun: Der eine hat das Zipperlein und könnte die Gefängnishaft nicht überstehen, der andere fällt in Ohnmacht, bevor er die Pistole durchgeladen hat. Zeternd und unterdrückt dazwischen die Mutter; tatsächlich ist sie die einzige, die etwas tut. Mit subversiver Energie hat sie die Tochter längst in Sicherheit gebracht.
Aber das wissen die Streithähne nicht und werden immer radikaler und lauter, bis die Polizei vor der Tür steht. Nicht wegen des geplanten Mordes, sondern wegen "Ruhestörung". Und mit diesen spießigen Ordnungshütern gerät auch die Mehrheit in die Schusslinie der Satire: Sie weiß gar nicht, was in der Parallelgesellschaft der Minderheiten eigentlich abläuft.
Die Figuren bleiben eindimensional
Ibrahim Amirs Stück ist eher eine Farce als eine Komödie, die Figuren bleiben eindimensional. An manchen Stellen knirscht es etwas in der dramatischen Konstruktion. Aber der böse Witz und die slapstickhafte Aktion funktionieren und der Autor zaubert immer noch eine Überraschung aus dem Hut. Stefan Bachmanns Inszenierung spielt in einem winzigen Container. Er steht auf der Spielfläche der Fabrikhalle, die dem Kölner Schauspiel derzeit als Ausweichquartier dient. Schon die räumliche Enge schafft komische Situationen, und es gelingt in dieser Inszenierung, mit dem Entsetzen Scherz zu treiben. Die Brutalität, der Ernst, die Bedrohung brechen immer wieder auf, bleiben potenzielle Realität, auch wenn hier die Geschichte ins Groteske überdreht wird.
Auf eine böse Art unterhaltsam ist der Abend. Und das Publikum kann sich durchaus Gedanken machen über die sinnentleerte Mechanik traditioneller Regeln, an die selbst die Akteure längst nicht mehr glauben und in deren Kodex auch die Täter gefangen erscheinen. Bezeichnenderweise fällt kein Wort über Religion oder göttliche Gebote, die man hier sonst sofort mit dem Thema Ehrenmord in Verbindung bringt.
Es ist eine leer laufende Maschine, der man vielleicht mit absurder Komik am besten beikommen kann. Die Kölner Aufführung kam sehr gut an beim Publikum – sie könnte ein kleiner Meilenstein sein. Die Wohnküche einer Migrantenfamilie ist nämlich noch längst kein etablierter Schauplatz auf den Bühnen der deutschen Stadttheater.