"Effi Briest"

11.02.2009
In Fontanes Roman "Effi Briest" wird das enge Korsett dargestellt, in das Frauen durch gesellschaftliche Konventionen und scheinheilige Moralvorstellungen im Kaiserreich gezwungen wurden. Der Verfilmung von Hermine Huntgeburth fehlt die Spannung zwischen dem Freiheitsdrang der jungen Effi und der Doppelmoral ihrer Umgebung. Herausgekommen ist ein Kostümfilm, ein Stück hübsches Unterhaltungskino.
Deutschland 2007. Regie: Hermine Huntgeburth. Darsteller: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Barbara Auer, Mišel Maticevic, Margarita Broich, Rüdiger Vogler, Juliane Köhler, Thomas Thieme. Länge: 118 Minuten

In ihrem neuesten Spielfilm, der mit 6,5 Millionen EURO budgetiert war und u.a. im September 2007 auf Schloss Hoppenrade in Brandenburg gedreht wurde, nimmt sich Hermine Huntgeburth ein gutes Stück deutscher Literatur vor: "Effi Briest" ist die Titelfigur des gleichnamigen Romans von Theodor Fontane (30.12.1819/Neuruppin - 20.9.1898/Berlin), erstveröffentlicht im Jahr 1895. Der im Preußen des späten 19. Jahrhunderts angesiedelte Roman blickt auf das durch strenge Normen fest bestimmte Privatleben im Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck.

Effi Briest ist eine junge Frau von kindlichen 17 Jahren aus gutbürgerlichem Hause, die von ihren Eltern bzw. mehr von ihrer Mutter an einen der früheren Verehrer der Mama "verschachert" wird, an den fast 20 Jahre älteren Baron von Innstetten. Sie fügt sich dieser Vernunftehe, wird aber - weit fernab ihrer Heimat Preußen, am Ostsee-Küstenort Kessin - in dieser Beziehung wie auch an diesem verschlafenen Ort weder glücklich noch zufrieden. Ihr Ehemann erweist sich als gefühlsarmer Typ, der sich voll und ganz seiner politischen Karriere widmet und sie oft alleine in dem riesigen "Spuk-Haus" mit seiner insgeheim eifersüchtigen Hausdame Johanna zurücklässt. Neun Monate nach der Hochzeit wird, "pflichtgemäß", ein Kind geboren, das Mädchen Annie.

Als Major von Crampas in der Gegend auftaucht, ein Regimentskamerad Innstettens, kommt es zwischen Effi und ihm zu einer leidenschaftlichen Affäre ("Ist das jetzt Liebe? Nein - das ist Freiheit!"), die erst endet, als Innstetten nach Berlin versetzt wird. Dort entdeckt er, sechs Jahre danach, die Liebes-Briefe von Crampas an seine Frau. Innstetten, ein Mann mit Prinzipien, fordert Crampas zum Pistolen-Duell und tötet ihn. Die Ehe wird geschieden, Effi wird von ihren Eltern verstoßen, doch anders als bei Fontane, wo sie mit 29 Jahren an gebrochenem Herzen stirbt, kommt sie hier "in die Puschen" und geht zuletzt ihrer eigenständigen, emanzipatorischen Wege.

Es ist die bereits fünfte Verfilmung dieses bekannten, populären deutschen Literatur-Stoffes. Nach Marianne Hoppe in "Der Schritt vom Wege" von Gustaf Gründgens (1939); Ruth Leuwerik in "Rosen im Herbst" von Rudolf Jugert (1955); Angelica Domröse in "Effi Briest" von Wolfgang Luderer (DDR 1968) und Hanna Schygulla in "Fontane Effi Briest" von Rainer Werner Fassbinder (1974) spielt nun die 30-jährige Julia Jentsch die lebenssüchtige, unterforderte, leidenschaftliche junge Frau.

Einem größeren Kino-Publikum wurde die in West-Berlin aufgewachsene ausgebildete Schauspielerin durch ihre Hauptrolle in "Die fetten Jahre sind vorbei" von Hans Weingartner (Jury-Preis in Cannes 2004) und vor allem durch ihre großartige Titelrolle in dem vielfach ausgezeichneten Drama "Sophie Scholl - Die letzten Tage" (2005) bekannt. Neben dem Silbernen Berlinale-Bären und dem Deutschen Filmpreis als "Beste Hauptdarstellerin" erhielt Julia Jentsch auch den Europäischen Filmpreis für die "Beste Hauptdarstellerin" (Der Film wurde zudem für den Auslands-"Oscar" nominiert).

Was den Briten mit ihren Jane-Austen-Adaptionen gelingt ("Stolz und Vorurteil"), sollte doch auch hierzulande möglich sein: ein großes deutsches wie historisches Gesellschaftspanorama neu zu entdecken; so jedenfalls war Produzent Günter Rohrbach motiviert. Allerdings: Diese neuerliche Adaption des Fontane-Werks, das gerade anlässlich der "Goldenen Kamera"-Verleihung an den 80-jährigen ehemaligen Geschäftsführer der Münchner Produktionsfirma Bavaria in einer Berlinale-Special-Gala uraufgeführt wurde, gibt sich - gegenüber der ebenso kraftvollen wie tragischen Original-Literatur - "anders"; sowohl "herber" wie aber auch "softer": Effis Entjungferung in der Hochzeitsnacht kommt einer Art "Vergewaltigung" gleich, während die "heißen" Liebesszenen mit dem Major bei den heimlichen Treffs in der Strandhütte nichts an Deutlichkeit vermissen lassen.

Und am Schluss dann, als alles "ausgestanden" ist, sieht man Effi Briest stolz an ihrem (staunenden) Ex-Mann auf der Straße vorbeiflanieren, sozusagen hinein in die emanzipatorische Frauen-Freiheit. Dieser Film tut heute nicht weh, berührt nur oberflächlich, bewegt sich im gepflegten Ausbruchsrahmen, besitzt/bewegt kaum emotionale Schmerzgrenzen. Seelische Frauen-Qual als gepflegtes Stück deutsches Unterhaltungskino, mit prächtigen See- und Alt-Berlin-Motiven, inmitten eines schönen Ausstattungsrahmens und "ordentlichen" Schauspielern, "Effi-light" sozusagen, die Seele des Romans nett verscherbelnd.

Julia Jentsch als Effi und Sebastian Koch ("Das Leben der Anderen") "bedienen" ihre Figuren überschaubar; Misel Maticevic (neulich bei Caroline Link: "Im Winter ein Jahr") als Liebhaber-Major bleibt blässlich; Rüdiger Vogler mimt routiniert den gütigen Dorf-Apotheker-Helfer Gieshübler. Von darstellerischem Reiz und interessanterer Personen-Spannung sind dagegen die "unbequemen" Effi-Eltern Juliane Köhler ("Der Untergang") und der in seinen kurzen Momenten brillante Thomas Thieme (der tückische DDR-Minister in "Das Leben der Anderen"). Er vor allem lässt diese doppelbödige, unangenehme, falsche Zeit-Moral spüren und deuten.

Fazit also: Diese neue "Effi Briest"-Verfilmung atmet, innerlich wie äußerlich, (viel zu viele) beliebige Freundlichkeit und laue Bequemlichkeit anstatt für Wut, Provokation und gesellschaftskritische Schärfe zu sorgen. Eine hübsche, preußische Atmo-Posse.

Filmhomepage "Effi Briest"