Deutschland und die Energiewende

Vom Vorreiter zum Bremser?

Menschen demonstrieren mit orangenen Plaktaten gegen die Ökostrom-Reformpläne von Sigmar Gabriel.
Die Proteste haben nicht viel gebracht, die schwarz-rote Regierung hat das EEG "beerdigt", kritisiert Hans-Josef Fell. © dpa/picture alliance/Daniel Naupold
Moderation: Klaus Pokatzky · 20.09.2014
Schwarz-Rot hat das Erneuerbare Energien Gesetz novelliert. Eine schlimme Ausbaubremse, kritisiert Hans-Josef Fell. Als Bundestagsabgeordneter der Grünen hat er das EEG im Jahr 2000 noch mit auf den Weg gebracht.
Am 23. September findet der Klimagipfel in New York statt, ein wichtiger Vorbereitungsschritt für neuen Klimavertrag, der im kommenden Jahr in Paris verabschiedet werden soll. Deutschland gilt vielen nach wie vor als Vorreiter im Klimaschutz, auch dank des Erneuerbare Energien Gesetzes, kurz EEG, aus dem Jahr 2000. Es legte die Grundlage für die Verbreitung der Regenerativen in Deutschland, die mittlerweile auf einen Anteil von 27 Prozent gestiegen sind.
Seit dem 1. August ist nun die umstrittene EEG-Novelle in Kraft. Sie soll unter anderem den Anstieg der EEG-Umlage und damit des Strompreises bremsen. Schon im Vorfeld war heftig über die darin enthaltenen Pläne gestritten worden; die Branche der Erneuerbaren befürchtet weitere Einbußen und Arbeitsplatzverluste und beklagt eine "Wende von der Wende". Vertreter der Industrie loben die Novelle dagegen als längst fällige Weichenstellung und Marktbereinigung.
Die Neufassung "beerdigt" das EEG
"Mit der jetzt verabschiedeten Novellierung wird das EEG beerdigt",
sagt Hans-Josef Fell, einer der Väter des EEG.
"Das ist eine Ausbaubremse in einem ganz schlimmen Maße. Der dringend schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien wird gebremst und in die Hände der Industrie gelegt. Diese Koalition tut alles, um die Bürgerenergiewende abzuwürgen."
Hans-Josef Fell war von 1998 bis 2013 Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, heute ist er der Präsident der Energy Watch Group (EWG). Das internationale Netzwerk aus Parlamentariern und Wissenschaftlern hat es sich zum Ziel gesetzt, über Ressourcenknappheit und Klimawandel aufzuklären.
Der Energieexperte kritisiert nicht nur die seiner Meinung nach industriefreundliche Haltung der der jetzigen Bundesregierung. Er warnt auch vor dem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen im Bereich der regenerativen Energien; längst habe China Deutschland die Vorreiterrolle in der Solarbrache abgenommen. Der Erfolg des EEG, dass jeder seinen Strom selbst produzieren und einspeisen könne, werde zunichtegemacht:
"Jetzt, da neue Windkraftanlagen an Land und Fotovoltaik-Freiflächenanlagen billiger geworden sind als Neuinvestitionen in konventionelle Stromerzeugung aus Erdgas, Erdöl, Atom- und Kohlekraft, werden die Ökostromerzeuger beim Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage belastet."
100 Prozent Erneuerbare Energie sind machbar
Dennoch setzt Hans Josef Fell auf eine Zukunft mit 100 Prozent Erneuerbaren:
"Ein eineinhalb bis zwei Jahrzehnten könnte man das leicht schaffen, technisch ist das überhaupt keine Frage, es sind alle Technologien vorhanden. Es ist der Mix, der hier wichtig ist: Wir brauchen eben zu dem starken Anteil, der hauptsächlich aus Solar- und aus Windstrom kommen wird, aber auch flexible Stromquellen aus erneuerbaren Energien. Sie können dann eingeschaltet werden, wenn zu wenig Wind und Sonne vorhanden sind. Das ist Bioenergie, das ist Wasserkraft, das kann Geothermie sein. Aber wir müssen auch schauen, dass wir eben die Nachfrage besser steuern und eben eine solche Energiewirtschaft orientieren, wo eben der Kunde belohnt wird, wenn er in starken Windlastzeiten den Strom abnimmt und in schwachen Windlastzeiten dann eben auch seinen Stromverbrauch drosselt. Zusammen mit Speichern und mit dem Ausbau von Netzen können wir das wunderbar organisieren."
Wie sehen das die Verbraucher? Wie diejenigen, in deren Nähe Stromtrassen verlegt werden und Windparks entstehen? Wie weit sind wir wirklich bereit, bei der Energiewende mitzuziehen?
Vom Vorreiter zum Bremser? Deutschland und die Energiewende
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Hans Josef Fell. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.

Literaturhinweis
Hans-Josef Fell: "Globale Abkühlung. Strategien gegen die Klimaschutzblockade – ökologisch, wirtschaftlich, erfolgreich", Beuth Verlag, 2013

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