Education-Projekt "Babar, der kleine Elefant"

Mit Musik das Gruppengefühl stärken

Ein Notenständer mit einem geöffneten Notenheft, welches durch zwei orangefarbene Klammern befestigt ist.
"Es wird am Anfang wirklich eine Dschungelatmosphäre geben", sagt Steffen Tast vom Rundfunk-Sinfonieorchester. © imago / Westend61
Von Uwe Friedrich · 14.02.2017
Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Gelassenheit fehlt jungen Menschen oft. Umso erstaunlicher, was das Projekt "Babar, der kleine Elefant" vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin bei Grundschülern aus Berlin-Neukölln bewirkt. Sie treten nun mit Profimusikern auf.
Dschungelatmosphäre im Neuköllner Klassenzimmer. Vorne gibt eine Soundpainterin Zeichen, dirigiert die Grundschüler aus zwei Schulen, die sich bis zu diesem Morgen noch nicht kannten, aber auf Anhieb gemeinsam Klänge erzeugen und Musik machen. Am Freitag und Samstag werden die Kinder im Großen Sendesaal im Funkhaus an der Berliner Masurenallee mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin auf dem Podium stehen und gemeinsam mit den Profimusikern "Babar, der kleine Elefant" von Francis Poulenc aufführen.
"Wir nehmen uns sozusagen diese Freiheit, dieses Stück so zu öffnen, dass für die beiden klanglichen Erlebnisse und Ergebnisse, Dschungel und Stadt, die Kinder verantwortlich sind und diese klanglichen Atmosphären dann auch schaffen", erläutert Steffen Tast vom Rundfunk-Sinfonieorchester.
"Es wird am Anfang wirklich eine Dschungelatmosphäre geben, die so erzeugt wird, sie benutzen dazu keine Instrumente, sondern nur ihre eigenen Körper. Das haben wir längere Zeit mit denen geübt, einstudiert. Dazu kommen dann auch die Instrumente des Orchesters, die auch soundpaintingmäßig gesteuert werden, auch solche Geräusche machen, bevor dann die Originalmusik von Poulenc losgeht."
Mit den Mitteln der Musik Erfahrungen möglich machen
Die Berliner Philharmoniker haben mit ihrem Film "Rhythm is it" die Bedeutung der Musikvermittlung auch einem breiten Publikum nähergebracht. Was heute "Education" heißt, haben die Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin aber schon Jahre vorher praktiziert, erzählt die Geigerin Isabel Stegner.
"Wir sind oft den Kindern mit unserer Art zu arbeiten viel näher als die Pädagogen. Wenn wir auch mit Neugier kommen, mit diesem künstlerischen Antrieb, diese Neugier zu erforschen, auszuprobieren. Das ist dem, wie Kinder sich benehmen, oft viel näher als dieses pädagogische, durchdachte, vielleicht irgendwo sinnvollere aber den Kindern fernere, was die Lehrer anbieten. Das habe ich schon oft gehört, wenn man die Künstler ohne sie zu schulen mit den Kindern zusammen tut, dass oft etwas ganz Faszinierendes entsteht, einfach weil diese Neugier von beiden Seiten zusammenkommt.
Steffen Tast ergänzt: "Dass man einfach Möglichkeiten aufzeigt, hör mal zu, wenn du das oder das machst oder das oder das hörst, was macht das mit dir. Was macht das mit einem Mitschüler, mit deinem Freund, wenn ihr gemeinsam Klänge produziert, solche elementaren Sachen kann man damit vermitteln. Und ich denke, das ist dann vielleicht auch eher eine soziale Aufgabe, mit unseren Mitteln der Musik Erfahrungen und Erlebnisse überhaupt möglich zu machen."
Als Ersatz für den immer weiter zusammengestrichenen Musikerunterricht an den Schulen möchten die Musiker ihre Projekte auf keinen Fall verstanden wissen. Hier wird weder musikwissenschaftliche Analyse betrieben noch ein Instrument gelernt. Beides wichtig, aber nicht die Aufgabe von Educationprojekten, erläutert Steffen Tast:
"Es passiert alles auf der klanglichen Ebene. Und das was sie hören, dann auch kontrollieren und sagen, eine konkrete Verbindung zu dem, was tue ich und was kommt dabei heraus. Und das kann plötzlich Musik sein. Und das ohne Vorkenntnisse auch noch, denn das sind ja oft Hemmschwellen, ich muss dann wöchentlich zur Musikschule oder ich muss ein Ding in die Hand nehmen und muss da irgendwie Töne raus kriegen, die müssen möglichst schön klingen und das geht dann erstmal nicht. Diese Hemmschwelle fällt weg und deshalb ist das eine tolle Art, miteinander zu musizieren."
Andere Fähigkeiten gefragt als im Schulalltag
Schon bei den ersten Treffen der Schülerinnen und Schüler ist klar, dass die gemeinsamen Klangaktionen das Gruppengefühl stärken. Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Gelassenheit sind nicht weit verbreitet unter den Neuköllner Schülern. Umso schöner ist es zu beobachten, wie schnell sich das beim gemeinsamen Musizieren ändert.
"Sie hatten ein Gefühl dafür, was passiert, wenn wir etwas wirklich gemeinsam tun. Was passiert, wenn jemand da ausschert und das nicht tut. Was passiert dann eben mit dieser Gemeinschaft und auch mit dieser Klasse. Und das ist wirklich eine sehr spannende Erfahrung gewesen, auch deswegen, weil wir über eine längere Zeit da waren und diese Entwicklung auch miterlebt haben", sagt Steffen Tast.
Manchmal wundern sich die Lehrer, was die Musiker da mit ihren Schülern anstellen und schauen zunächst argwöhnisch. In der Regel merken sie aber schnell, dass hier neue, andere Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler gefragt sind als im Schulalltag und dass diese Erfahrungen auch wieder zurückwirken auf den gewöhnlichen Unterricht. Die Zusammenarbeit wirkt übrigens auch in die andere Richtung, betont Steffen Tast:
"Ich muss aber auch sagen, dass wir auch von den Lehrern lernen. Es ist auch eine für uns bereichernde Sache, dass wir Erfahrungen sammeln, dass man mit bestimmten Situationen, in denen man vorher nicht weiß, wie man damit umgeht, wenn es Probleme gibt, wenn es plötzlich ganz laut wird oder wenn Kinder ausflippen, so etwas gibt es ja alles, also wie man damit umgeht, und damit Erfahrungen zu sammeln finde ich auch für uns, auch für unseren Beruf, da wir ja auch in einer großen Gemeinschaft tätig sind, auch für uns ganz persönlich sehr bereichernd."