Edgar Rai: "Etwas bleibt immer"

Die Geschäftswelt, die Schickeria und das Böse

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Schauplatz von Edgar Rais neuem Roman ist die Côte d'Azur. © picture alliance / dpa / Florian Schuh
Von Verena Auffermann · 02.08.2016
Eine Villa an der Côte d'Azur: Doch die perfekte Welt der Reichen wird gestört von der krankhaften Persönlichkeit des jungen Nino Keller. Mit "Etwas bleibt immer" liefert Edgar Rai einen unterhaltsamen Roman mit Krimielementen ab – raffiniert erzählt und garniert mit einem deftigen Ende.
Ein Sommerbuch, ein Krimi, der Bericht einer Krankheit? Dem 49-jährigen Autor Edgar Rai gelingt es, seine Themen zu einem atmosphärisch dichten und unterhaltsamen Roman mit Krimielementen zu verknüpfen. Dass er dabei die Kolportage nicht scheut und kaum eine deftige Milieuschilderung auslässt, ist das Risiko, das er sehenden Auges eingegangen ist.

Eine Art Hausverwalter mit vielen Privilegien

Schauplatz ist eine Villa an der Côte d'Azur, ausgestattet mit all dem Millionärsluxus, den man aus Filmen kennt. Die Villenbesitzer, der deutsche Firmenchef Breuer und seine attraktive unausgefüllte Frau, haben nur wenige Tage im Jahr Zeit, ihr Anwesen zu genießen. Deshalb hat Nino Keller als eine Art Hausverwalter wenig Pflichten und viele Privilegien. Aber der junge Mann leidet an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung.
"Dein Körper", heißt es, "ist wie ein Pferd mit zwei Besitzern, von denen immer nur einer im Sattel sitzen kann". Ninos zweites Ego heißt Lola. Lola ist seine dunkle Seite, sie überschreitet alle Grenzen und bringt Ninos ruhiges Leben, das aus täglichem Joggen und Gesprächen mit der jungen Gärtnerin besteht, durcheinander. Als die Gärtnerin eine Reise machen muss, überlässt sie Nino ihren Hund.

Machtspiele in der Saint-Tropez-Schickeria

Edgar Rai spart nicht mit den Beschreibungen der Accessoires der Saint-Tropez-Schickeria. Er hat ein Talent für plastische Darstellungen von Haus und Garten, Pool und Landschaft. Als Breuers sich für ein Wochenende mit einem Geschäftspartner ankündigen, wächst Ninos Nervosität. Was jetzt folgt, ist ein Machtspiel zwischen Breuer und dem Geschäftspartner Wolff, ihren Frauen, Nino. Und dazwischen der Hund.
Zum perfekten Bild von Saint Tropez gehört eine Yacht, also wird auch die von der Leine gelassen. Edgar Rai konfrontiert die harte Realität der Geldwelt mit der krankhaften und gespensterhaften einer doppelten Realität. Das zweite Ich Ninos begeht Handlungen, die sein erstes Ich schockierend findet. Die Männer aus der Welt des Geldes benehmen sich ebenfalls wie wilde Tiere. Herr Wolff (!) ist der Stärkere, Breuer wird der Unterlegene, und doch der Sieger sein. Und die Frauen füllen in dem Spiel ihre vorgestanzten klischeehaften Rollen aus. Dann bekommt der Autor ein deftiges Ende hin, das jeden Leser, der an Gerechtigkeit glaubt, freut.

Der Erzähler spricht über sich in der dritten Person

Raffiniert ist die Erzählweise. Nino, der Erzähler spricht über sich selbst in der dritten Person. Dieses "Er" ist der Beobachter des Menschen, dessen "Ich" krank ist und der über sich wie über einen Fremden spricht: "Du stehst auf der Terrasse des Haupthauses... Du antwortest ...".
"Etwas bleibt immer", ist kein Roman über eine Heilung, es ist eine Darstellung. Die Geschäftswelt erlaubt und belohnt das Böse, die Krankheit gebiert das Böse. Edgar Rai ist ein unterhaltender, furchtloser Erzähler.

Edgar Rai: Etwas bleibt immer
Berlin Verlag, Berlin 2016
222 Seiten, 18 Euro

Mehr zum Thema