Ed Motta: "Perpetual Gateways"

Von Platten lernen, ohne die Musik zu stehlen

Der brasilianische Musiker und Sänger Ed Motta bei einem Konzert im portugiesischen Porto.
Der brasilianische Musiker und Sänger Ed Motta bei einem Konzert im portugiesischen Porto. © picture alliance / dpa / Jose Coelho
Von Thorsten Bednarz · 09.02.2016
In der brasilianischen Soulszene ist Ed Motta schon seit den 80er-Jahren eine Größe. Doch auch dem europäischen Publikum will er sich nun stärker öffnen. Für sein neues Album "Perpetual Gateways" spielte seine Leidenschaft für Vinylplatten eine große Rolle.
"Ganz ehrlich – für die ersten beiden Monate hier habe ich mir ein Klavier gemietet und habe hier schon viele Songs geschrieben. Ich habe ja meine Plattensammlung nicht dabei. Normalerweise stehe ich sehr früh auf – etwa um 6 Uhr oder halb Sieben – und dann hole ich mir als erstes ein Glas Wasser und lege mir eine Schallplatte auf ..."
Aber Ed Motta ist ein ganz altmodischer Sammler, der nichts mit der DJ-Kultur gemein hat. Und allein die Vorstellung von Remixen oder dass er gesampelt werden könnte, bereitet ihm Unwohlsein.
"Ich sammle Platten, weil sie meine Musik und mein Leben beeinflussen. Aber ich will nichts von meinen Platten stehlen. Ich möchte auch nicht gesampelt werden. Ich möchte von meinen Platten lernen, nicht die Musik stehlen."
Das neue Album hat Ed Motta in Kalifornien aufgenommen. Erstmals hat er in den USA gearbeitet und das auch gleich mit einem erfolgreichen Produzenten: mit Kamau Kenyatta. Der ist zum Beispiel auf allen Alben des Sängers Gregory Porter als Arrangeur zu hören und produzierte auch dessen Debütalbum. Mit einem Produzenten zu arbeiten war für Ed Motta eine insofern neue Erfahrung.
Erstmals ein Album mit einem Produzenten aufgenommen
"Ich arbeite nie mit einem Produzenten, sondern immer allein. Und das schon ziemlich lange. Es lief ja auch immer alles gut für mich. Aber jetzt wollte ich etwas anderes machen, einen großen Schritt vorwärts in meinem Leben. Das einzige Album von mir, das bisher Platin erreichte, war auch das einzige mit einem Produzenten. Also wollte ich auch diesmal jemanden haben, der da noch einmal einen anderen Blick darauf hat. Machen wir uns doch nichts vor: Die Kunst heutzutage ist doch tot – oder Nebensache. Echte Kunst hatte nie einen Produzenten. Aber seit Elvis oder gar seit Bach ... Im Ernst: Er hat für die Kirche gearbeitet, hat ihm gesagt: schreibe dies, schreibe jenes... Die Kirche war der erste Produzent!"
Aber eines gibt es doch, was man dem Sänger und Komponisten Ed Motta immer wieder unter die Nase reibt – seine Musik sei so unbrasilianisch. Ein Vorwurf, den auch sein berühmter Onkel Tim Maia oft zu hören bekam. Ed Motta kann inzwischen damit umgehen.
"Auf der neuen Platte gibt es einen Song ‚Forgotten Nickname'. Der hat für mich eine enge Verbindung zu einem Teil der brasilianischen Musik, der nicht mit den üblichen Rhythmen verbunden ist. Am wichtigsten in der brasilianischen Musik sind für mich die Harmoniefolgen. Die Qualität der Harmoniewechsel ist einzigartig. Die Musik von Tom Jobim oder Edu Lobo ist davon geprägt. Das ist die komplexeste Seite Brasiliens, die wird aber oft übersehen, weil die Stereotype der brasilianischen Rhythmen einfacher zu verkaufen sind. Es ist doch immer das Gleiche: der Rhythmus, die Strände, kalte Drinks.... Ich denke schon, dass da noch Brasilien in meiner Musik steckt, zumindest in den Harmonien!"
Aber auch Ed Motta, obwohl er aus einem sehr musikalischen Haus stammt, musste sich erst an die brasilianische Musik "heranarbeiten", wie er ganz offen gesteht.
"Wenn es um Musik geht, leben die Amerikaner auf einem ganz anderen Planeten!"
"Ich komme nun mal aus einer Generation, die mit Humble Pie, Led Zeppelin, Johnny Winter und Rory Gallagher aufgewachsen ist. Brasilianische Musik kam da nicht vor. Die kam erst über den Jazz zu mir. Diese rhythmische oder auch ethnologische Seite der brasilianischen Musik hat mich nie interessiert. Vielleicht liegt deswegen mein Hauptinteresse auf nordamerikanischer Musik, wie sie in der ganzen Welt gespielt wird. Zum Beispiel der Jazz, der wird auch überall gespielt, ist aber immer von der nordamerikanischen Herkunft geprägt. Die Amerikaner machen ja nun wirklich viele Fehler, wenn es um ihre Politik oder das tagtägliche Leben geht, aber wenn es um Musik geht, dann leben sie nun mal auf einem ganz anderen Planeten!"
Und so sind es auch meist amerikanische Musiker, die beim Hören der Musik Mottas als Vergleich herangezogen werden können. Da ist das soulige Timbre eines Terry Callier, der einschmeichelnde Sound der große Produktionen Al Jarreaus in den 90er Jahren und die Raffinesse und Vielfältigkeit in den Arrangements eines George Duke. Kein Wunder also, wenn man in den engeren Musikerzirkeln Europas schon seit Jahren von diesem Brasilianer schwärmt. Jetzt ist es an der Zeit, dass Ed Motta auch das breite Publikum erobert. Und mit dem Album "Perpetual Gateways" sollte das keine Schwierigkeit sein.