Ebola-Epidemie

Mit Kriegs-Rhetorik gegen das Virus

Mikroskop-Aufnahme des Ebola-Virus
Mikroskop-Aufnahme des Ebola-Virus © picture alliance / dpa / Foto: Frederick A. Murpy / Cdc Handout
Von Julia Diekämpfer · 13.11.2014
Als "Massenmörder" oder "Killervirus" wird die Ebola-Epidemie in den Medien vermenschlicht und so als niederträchtiger Gegner charakterisiert. Damit wird ein Freund-Feind-Denken erzeugt, das der Problematik nicht gerecht wird.
Hörbeispiel aus ZDF-ZEIT "Die Unbesiegbaren. Die Rückkehr der Seuchen": "Das Jagdgebiet des Virenforscher Fabian Leenderts. Er ist den gefährlichsten Krankheitserregern der Welt auf der Spur. Wo verstecken sich die unsichtbaren Killer? Und: Wie können wir uns schützen? Der Mensch gegen die Mikroben. Ein Kampf, der an vielen Fronten gleichzeitig geführt wird. Und wir haben noch lange nicht gewonnen."
Die unsichtbaren Killer, das sind Viren. Diese Viren führen Krieg. Diesen Krieg führen sie gegen uns. Gegen unsere Körper. Und, als wäre das nicht genug: Sie führen ihn auch gegen die Errungenschaften der westlichen Zivilisation mit ihrem verlässlichen medizinischen System, das den Ausbruch von Epidemien unter Kontrolle zu halten verspricht. Das Sprechen über diesen Virus ist selbst von einer Kriegsmetaphorik infiziert.
"Ein Virus wie ein Krieg" -
titelt die Süddeutsche Zeitung. Bereits im März hatte die BILD-Zeitung gewarnt:
"Ebola-Angst – So kann das Killer-Virus nach Europa kommen" -
und die taz prophezeit:
"Epidemie in Westafrika: Regierungen erklären Ebola den Krieg" -
und die "Die Welt" titelt
"Wir können diese Krankheit besiegen"
In der Welt des Verbrechens
Der Feind heißt Ebola. Bevor die Krankheit vor wenigen Wochen die westliche Welt erreichte, waren es zunächst die Bilder des Krieges, die die Krankheit in den Westen transportierten.
"Ich glaube tatsächlich, man immer wieder auf diesen Wort- und Bildervorrat zurückgreift, der nämlich in die Welt des Verbrechens geht, in den bewaffneten Kampf bis hin zum Krieg."
Bettina Radeiski ist Kulturwissenschaftlerin. Sie untersucht an der Universität Halle, wie Seuchen in Mediendiskursen dargestellt werden.
"Weil dieses Virus subjektiviert wird und dann eben diese Eigenschaften zugeschrieben bekommt, die man einem Gegner im Krieg auch zuschreiben würde, das es tötet, dass es wütet und dass man eben nur als Kollektiv gegen dieses Virus ankommt."
Massenmörder, Killervirus. Mit solchen Formen der Vermenschlichung erscheint der Virus als besonders niederträchtiger, hinterhältiger Feind. Normalerweise werden in der politischen Rhetorik die politischen Gegner als Krankheitserreger verunglimpft. Jetzt sind es Krankheitserreger, die zu politischen Gegnern werden. Die Metapher führt ein Eigenleben.
"Der Krieg findet, wie bei allen anderen Seuchen-Diskursen auch immer zwischen einem Kollektiv statt, und zwischen genau diesem Virus, dieser Seuche, die sich ausbreitet. Diese Zweiteilung der Welt steht ja im Fokus, dass dort in Afrika die Geschehnisse so sind und wer weiß, ob sie überhaupt im Westen, oder in Europa, oder USA ankommen. Nichtsdestotrotz ist es so, dass von außen etwas Bedrohliches hereinkommt. Und ich glaube, dass dieser Rückgriff auf die Kriegsmetaphorik auch damit zu tun hat, dass man es darüber etwas veranschaulicht, also etwas fassbarer macht; dem überhaupt eine Existensweise gibt, die greifbar ist. Weil das Virus ja für das menschliche Augen ja überhaupt nicht fassbar und auch in der Vorstellungskraft gar nicht anders existiert als eben über diese Medien."
Realität wie in Hollywood
Diese Erzählmuster kommen allerdings im Falle des erneuten Ausbruchs von Ebola nicht aus dem Nichts. Sie sind massenkulturell bestens grundiert. Die Bilder der Nachrichten gleichen auffallend denen im Kino.
Und so titelte die Washington Post konsequent:
"The best movie to watch during the current Ebola outbreak"
"Wir stecken ganz schön im Dreck, Billy. Das Virus ist mutiert. Es kann auch durch Luft übertragen werden. (...)"
Ein Kinofilm zum besseren Verständnis einer Krankheit? Ebola, das ist eine häufig vertretene These, sei vor allem deshalb im Westen bekannt, weil sich Wolfgang Petersen 1995 in seinem Film "Outbreak" ihrer annahm. Der Untertitel des Films schon damals: Lautlose Killer.
"Der ´Outbreak`– jener Horror, den es bisher nur im Kino gab, 1995 in dem berühmten Hollywoodfilm mit Dustin Hoffman – scheint real zu werden." Hieß es im August 2014 in der Süddeutschen Zeitung und einen Monat später sprach man in der "Zeit" und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Film und Aufmerksamkeitsgrad.
"Die Wahrnehmung der westlichen Welt hatte sich grundlegend verändert. Wer oder was hatte den Umschwung bewirkt? Im April 1995 war die Seuche in einem Hospital in Kikwit ausgebrochen, kurze Zeit vorher kam weltweit ein Film in die Kinos, der den Horror in eine amerikanische Kleinstadt verlegte."
Erzeugung eines Freund-Feind-Denkens
Seinen Bekanntheitsgrad verdankt Ebola also – auch – seiner fiktionalen Bearbeitung. In "Befehl von oben" bemächtigen sich etwa arabische Bioterroristen des Todeskeims. Nazis machen dasselbe in Jack Ballards "Panic". Mal entweicht der Virus aus einem Labor, mal wird er von einem Psychopathen in Umlauf gebracht. Und hier wird die Kriegsmetaphorik konkret ausbuchstabiert, sie wird von etwas fern abstraktem zu etwas nah konkretem umgeformt. Auf dem "Schlachtfeld" der öffentlichen Auseinandersetzung um Ebola hat sich die Kriegsmetaphorik schon durchgesetzt, und mit ihr ein Freund-Feind-Denken.
"Ich meine, dass der mediale Diskurs von fiktionaler Darstellungen lebt, einfach darüber, dass bestimmte Sachen noch gar nicht eingetreten sind, von denen man sich aber vorstellen könnte, dass sie eintreten werden, und dass sie in einem Ausmaß eintreten werden, dass tatsächlich ein ganzes Kollektiv betroffen sein wird. Ich glaube, es gibt so etwas wie ein Bedürfnis zu schauen, wie es sein könnte, wenn eine Gefahr flächendeckend ausbricht, von der man nicht weiß, ob man ihr handhabbar wird."
Ebola, dieses todbringende Virus, bringt Kollektive in Stellung. Die wiederum benötigen zu ihrer Konstitution weiterverwertbare Plots und brauchen ein belastbares Wertesystem, das dann in Filmen wie "Outbreak" durchgespielt wird. Die Berührungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen Science und Fiction, markieren einen Konflikt, der offensichtlich an unterschiedlichen Fronten geführt wird. Zwischen Virus und menschlicher Zelle, zwischen Infizierten und Gesunden und schließlich zwischen den betroffenen Regionen und denen, die es noch nicht sind. Wir tun auch in einem ethisch-moralischen Sinn gut daran, diese Ebenen voneinander zu unterscheiden. Zuletzt auch deshalb, weil im Kriegsszenario die Schuldfrage zur Disposition steht und gegebenenfalls Interventionen rechtfertigt.
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