DVD-Tipp: Miniserie "Show Me A Hero"

Wenn Rassismus eine Stadt in den USA spaltet

US-Schauspieler Oscar Isaac als Bürgermeister Nick Wasicsko in der HBO-Serie "Show Me A Hero"
US-Schauspieler Oscar Isaac als Bürgermeister Nick Wasicsko in der HBO-Serie "Show Me A Hero" © HBO
Von Laf Überland · 20.08.2016
Stadtplanung, Lokalpolitik, Alltagsrassismus: Die exzellent besetzte HBO-Serie "Show Me A Hero" handelt von einer ergreifenden und lustigen Provinzposse. Für die Rolle des Bürgermeisters Nick Wasicsko gewann Oscar Isaac einen Golden Globe.
Richter: "Meine Herren! Unser Ziel ist es nicht, Helden oder Märtyrer zu schaffen. Wir wollen nur, dass diese Wohnugen gebaut werden."
Das sagte ein Richter kühl von seinem Stuhl herab in dieser Serie "Show Me A Hero". Aber Nick Wasicsko sieht das anders.
Sekretärin: "Nick Wasicsko – als Ex-Polizist im 7. Wahlbezirk gelandet. Grünschnabel!"

Jüngster Bürgermeister der USA

Dieser Wasicsko wird 1987 in Yonkers, einer Mittelstadt direkt außerhalb der Stadtgrenzen von New York City, zum jüngsten Bürgermeister der USA gewählt - ein etwas unambitionierter 27-Jähriger, der zwar inzwischen Anwalt geworden ist, aber seine Zeit im Rat dieser Stadt verbringt. (Gespielt wird der Mann vom großartigen Oscar Isaac: unauffällig, mit kleinen Gesten und nur etwas lebendiger als in seiner grandiosen Rolle "Inside Llewyn Davis".)
Sekretärin: "In Yonkers sind Parteien nicht so wichtig. Wer auch immer die Mehrheit des Rats kontrolliert, kontrolliert die Stadt."
Eben. Und weil die Parteigranden es beschließen, soll Wasicsko also den selbstgefälligen und behäbigen Altbürgermeister ablösen, den herrlich selbstherrlich James Belushi gibt.
Journalist 1: "Seinen Freunden aus der Baubranche gewährt er fette Steuererleichterungen. Das ist Korruption."
Wasicsko: "Ziemlich langweilig, oder?"
Journalist 2: "Ja, das ist kein Stoff für einen Skandal."

Den weißen Wählern alles versprochen

Ok, der Junge setzt also relativ moralfrei den Auftrag um, indem er, rigoros populistisch, den weißen Wählern - aus den Wohlhabenden-Vierteln – die Armen interessieren sich eh nicht für Politik...: indem er dem Stimmvieh also alles verspricht!
Problem nur: Jahre lang hat Yonkers seine nicht-weißen Minderheiten in abgegrenzten Armenvierteln wohnen lassen, was einer Rassentrennung gleichkommt - befindet das Gericht, und deshalb soll Yonkers 200 Sozialwohnungen in den Wohngebieten der weißen Mittelschicht errichten.
Und das ist tatsächlich ein Stoff, der eine sechsteilige Serie zu brillanter und intelligenter, informativer und subtil-komischer Unterhaltung macht.
Wasicsko: "Hi Mam! Ich bin Nick Wasicsko und ich kandidiere für das Amt des Bürgermeisters. Wollen Sie den nicht mitnehmen?"
Wasicsko: "Hallo, wie geht's? Ich bin Nick Wasicsko, ich..."
Passantin: "Nein, jetzt nicht, danke."
Wasicsko: "Nehmen Sie den Flyer mit und sehen Sie in sich zu Hause an!"
Passantin: "Nein danke!"
Ein bisschen sieht "Show Me A Hero" aus, als folge man den großen Fotografen der amerikanischen Unter- und Mittelschicht: Mit konzentrierter, fast journalistischer Qualität beschreiben die Macher die politischen Prozesse, die Armut und das allmähliche Gären des Volkszorns.
Politiker: "Großartig! Wir sind nur noch so viel von einem Aufstand entfermt!"
Wachmann: "Wem sagen Sie das? Wir haben vier Pistolen am Eingang kofisziert!"

Opportunistische Unternehmer, skurrile Anwohner

Ein paar Erzählstränge führen in die nicht-weißen Wohnviertel, wo die Menschen hausen, die diese erschwinglichen neuen Wohnung eigentlich brauchen: die junge Mutter, die ihre Kinder in Puerto Rico zurückgelassen hat, weil Yonkers für alle zu teuer wäre; die erblindene Krankenschwester, die ihren Job verlieren wird; die Schwangere, die vor Angst um den Drogen dealenden Kindsvater beinahe vergeht: Sie und die vielen verschiedenen Menschen, die alle irgendwie mit diesem Bauprojekt zu tun haben...
Rechtsanwalt: "Ich werde beschuldigt, den Kardinal getäuscht zu haben. Du lieber Himmel!"
Wasicsko: "Ein schmutziges Geschäft, he?"
Die opportunistischen Unternehmer, die skurrilen Anwohner, die Machtpolitiker und Journalisten - sie alle werden mit ihren Handlungsfäden zu einem komplizierten, aber dichten Teppich verwoben, auf dem Bürgermeister Wasicsko seine politische Wandlung erlebt, nebenbei das Verhältnis zu seinem toten Vater aufpoliert und sich auch noch eine Braut angelt.
Und währenddessen ziehen sich wie ein Soundtrack durch seine ganze Geschichte die Songs von Bruce Springsteen, dem offiziellen Troubadours des Niedergangs an der Ostküste.
Auch "Show Me A Hero" stellt viele Fragen an die amerikanische Alltags-Realität: an den populistischen Wackelkurs von Politikern und die dehnbare Macht der Institutionen, die Apathie der abgehängten Armen und den Opportunismus der aufgeblasenen Besitzstandswahrer - und: Was ist eigentlich ein Heim, eine Wohnung - außer den vier Wänden, die sie umgeben. Und wo beginnt eigentlich Rassismus in Amerika?
Passant 1: "Das sieht dir ähnlich, Newman! Versteck dich hinter den Cops!"
Passant 2: "Der ist Jude, der Newman. Die sind alle Juden. Deshalb passiert so was."

Lächerlich realistische Posse

"Show Me A Hero" ist kein Intrigenkabarett wie "House of Cards": Lokalpolitik ist viel popeliger, muffiger und so banal wie das Feinrippunterhemd des Bürgermeisters, wenn er vorm Spiegel seine Reden probt – so lächerlich realistisch wie die aufgeblasenen komischen Kleinstadtrassisten!
Und mit einem lachenden und einem weinenden Auge hört diese Posse denn auch nach sechs Folgen auf mit einem kleinen Triumph - zwischen bleibendem Rassenhass, korrumpierten Idealen und Grummeln im Bauch.
Und so bleibt für den Träumer am Ende nur Springsteen.
Bruce Springsteen: "Everbody's got a hungry heart"
Mehr zum Thema