DVD-Kritik: "Westernhagen MTV Unplugged"

Los-geh-Rock mit Udo

Die Musiker Marius Müller-Westernhagen (l.) und Udo Lindenberg bei der Generalprobe zu "MTV Unplugged"
Die Musiker Marius Müller-Westernhagen (l.) und Udo Lindenberg bei der Generalprobe zu "MTV Unplugged" © Tine Acke / Virgin Records / dpa / picture alliance
Von Bernd Sobolla · 28.10.2016
Ein ordentlicher Konzertfilm ist Fatih Akins "Westernhagen MTV Unplugged" geworden, kein wirklich großes Werk. Deutsch-Rock-Fans kommen trotzdem auf ihre Kosten: Es gibt Anekdoten, Udo Lindenberg trommelt – und eine Berliner Straßenmusikerin hat einen Gastauftritt.
Fatih Akin zeigt seine Protagonisten zunächst in gespannter Atmosphäre vor dem Konzert, dann eine Kamerafahrt auf die Volksbühne zu und schließlich das obligatorische Zusammenkommen im Backstage-Bereich – das Ganze in Schwarz-Weiß.
Auf der Bühne nimmt Westernhagen mit hellem Hut auf dem Barhocker Platz. Mit dabei: eine achtköpfige Band, außerdem sechs Background-Sänger. Es gab schon intimere Unplugged-Konzerte. Das Programm: ein bisschen Liebe, ein bisschen Sehnsucht und dann natürlich das, was Marius schon immer zum Westernhagen machte – Los-geh-Rock.
Schon beim dritten Song tanzen die Leute im Publikum. Fatih Akin begleitet das Konzert mit ruhigen Kameraeinstellungen, schwenkt auch ins Publikum – leider meist etwas kurz. Dann setzt sich Udo Lindenberg ans Schlagzeug: Zeit für einen kleinen Exkurs über ihre erste gemeinsame Studioaufnahme für den Film "Supermarkt".
"Und ich habe da die Titelmelodie gesungen in Englisch und Udo hat da getrommelt", sagt Westernhagen. "Ich weiß, wir sind zum Studio gefahren damals, in seinem R4. In dem R4 gab es weder Außenspiegel, noch einen Innenspiegel. Gab es nicht. Und auf der Fahrt hat Udo mir erklärt, wie man startet."

Akin ist ein großer Filmemacher, aber kein großer Interviewer

Es sind Momente wie diese, die daran erinnern, dass interessante Konzertfilme nicht nur Musik präsentieren, sondern auch Anekdoten, Geschichten und Hintergrund. Fatih Akin bietet einige kurze Interviewsequenzen. Damit lehnt er sich an Martin Scorsese an, der 1976 das legendäre Abschiedskonzert "The Band – The Last Waltz" drehte. Allerdings gibt es zwei große Unterschiede: Während die Mitglieder von "The Band" und ihre Gäste – etwa Bob Dylan, Van Morrison oder Neil Young – meist Mitte 30 waren, geht Westernhagen auf die 70 zu. Außerdem ist Fatih Akin ein großer Filmemacher, aber kein großer Interviewer.
Wirklich überraschend ist dann der Auftritt von Lindiwe Suttle. Die Amerikanerin mit südafrikanischen Wurzeln ist die neue Frau an Marius Müller-Westernhagens Seite. Westernhagen war von "Luft zum Atmen", einer Eigenkomposition seiner Frau, so angetan, dass er es in sein Bühnenset übernahm. "Für mich war das ein großes Kompliment, denn er ist ein super Songschreiber", sagt Suttle. "Als wir sechs Monate in Kapstadt saßen und er über neue Songs für das Unplugged-Konzert nachdachte, kam er auf diesen Song zurück und beschloss, einen deutschen Text dafür zu schreiben. Auf diese Weise sind wir zum ersten Mal musikalisch vereint.

Gastauftritt für eine Straßen-Sängerin

Sympathisch wirkt auch der Auftritt von Elen, einer junger Sängerin, deren Stimme Westernhagen auffiel, als sie auf einer Berliner Straße sang.
Westernhagen: "Und ich ging dahin und habe gesagt: 'Where you are from?' Weil sie in Englisch gesungen hat. Und sie sagt: Ich bin aus Berlin. Und dann habe ich eine Platte gekauft, die sie da verkaufte. Und war vollkommen hin und weg von dieser Performance." Und so lud er sie zum Duett für "Durch deine Liebe" ein.

Westernhagens musikalische Wandlungen: überschaubar

Thematisch hat sich Marius im Laufe der Jahre etwas gewandelt, sein Imagewechsel vom Düsseldorfer Straßenjungen zum Hamburger Millionär und Berliner Gegenwartstyp ist noch deutlicher. Die musikalischen Wandlungsprozesse in den letzten 40 Jahren dagegen sind überschaubar. Warum auch? Er gefällt seinen Fans ja so, wie er ist. Wenn Westernhagen und seine Band-Musiker nach 90 DVD-Minuten zum unvermeidlichen "Johnny Walker" anstoßen, ist das Publikum jedenfalls begeistert. Und auch er ist hoch zufrieden.
"Das ist immer ein unheimlich schmaler Grat", so Westernhagen. "Du möchtest in diese Zone kommen, wo es für dich als Musiker fast spirituell wird. Aber du möchtest nicht die Kontrolle verlieren. Und so wie wir das auf der Bühne empfunden haben, hatten wir das heute."
Dass Fatih Akin einen Vergleich mit seinem Vorbild Donn Alan Pennebaker nicht standhält, liegt nicht nur an Akin, sondern daran, dass Pennebaker immer in entscheidenden Momenten der Musikgeschichte auftauchte, zum Beispiel bei David Bowies Abschlusskonzert der Ziggy-Stardust-Tournee, mit dem Bowie seinen Durchbruch feierte und nebenbei den Glam Rock etablierte. "Westernhagen MTV Unplugged" hingegen ist in erster Linie ein Rückblick. Mit einigen Szenen, die zeigen, wie er sich mehrere Monate auf das Konzert vorbereitete, hätte Fatih Akin aus einem ordentlichen Konzertfilm einen guten Musikfilm machen können.
Mehr zum Thema