Drohnenkrieg

Obamas tödliches Erbe

Eine Drohne vom Typ Predator im Einsatz in Afghanistan.
Eine "Predator"-Drohne im Einsatz in Afghanistan © (dpa / Kirsty Wigglesworth)
Von Emran Feroz · 19.01.2017
Während der Präsidentschaft von Barack Obama wurden Tötungen per Drohne zur Staatsdoktrin, jede Woche unterschrieb er die sogenannte "Kill List". Und in Zukunft wird ein Donald Trump das tun - dank seines Vorgängers, den Friedensnobelpreisträger Obama.
Am 7. September 2013 hat Aisha alles verloren, was ein Kind verlieren kann. Nachdem eine US-Drohne den Pick-Up von Aishas Familie im ostafghanischen Kunar anvisiert hat, brach das Feuer einer Hellfire-Rakete über sie herein. Vierzehn Menschen, die meisten Frauen und Kinder, wurden getötet. Die damals vierjährige Aisha überlebte, doch sie verlor bei dem Angriff ihre gesamte Familie - und ihr Gesicht. Der Drohnenangriff hatte es zerfetzt, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Später traf der damalige afghanische Präsident Hamid Karzai Aisha in einem Krankenhaus in Kabul. Ihm kamen die Tränen, als er das erblickte, was einst Aishas Gesicht darstellte.
Afghanistan ist das am meisten von Drohnen bombardierte Land der Welt. Unzählige Menschen wurden bei diesen Angriffen getötet oder verloren ihre Liebsten. Aisha ist nur eine von ihnen. Doch im Gegensatz zu den Geschichten anderer Opfer fand ihre Geschichte den Weg in die Öffentlichkeit. Aisha wurde damit zum entstellten Gesicht des US-amerikanischen Drohnenkrieges. Ein Krieg, der während der Präsidentschaft Barack Obamas seinen bisherigen Höhepunkt erreicht hat.

Auch außerhalb Afghanistans

Doch amerikanische Drohnenangriffe finden nicht nur in Afghanistan statt, sondern auch im Irak und in Syrien. Obama hat den Drohnenkrieg auch in Länder getragen, in denen die USA offiziell gar keinen Krieg führen, etwa in den Jemen, nach Somalia oder nach Pakistan. "Ich bin wohl gut im Töten", scherzte der Friedensnobelpreisträger Obama einst über seinen Drohnenkrieg. Man fragt sich, ob er das auch im Angesicht der kleinen Aisha sagen würde.
Bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit hatte Obama mehr Drohnen-Angriffe auf seinem Konto als sein Vorgänger George W. Bush nach seiner gesamten Präsidentschaft. Außerdem wurden während Obamas Amtszeit erstmals US-amerikanische Staatsbürger durch Drohnen getötet.
Kein einziger Drohnenangriff findet ohne die Absegnung des US-Präsidenten statt. Jeden Dienstag unterzeichnet er die sogenannte "Kill List" persönlich. Bislang bestimmte Obama über Leben und Tod – und bald macht dies ein Donald Trump.

Kaum beachtetes Thema

2012 wurde bekannt, dass laut Weißem Haus jede männliche Person im Umkreis eines Drohnenangriffs als "feindlicher Kombattant" zu betrachten sei. Die wenigsten Medien haben das hinterfragt. Studien kamen zum Schluss, dass die Drohnenkriegsberichterstattung von führenden Zeitungen wie der "New York Times" oder der "Washington Post" in der Vergangenheit konsequent fehlerhaft gewesen ist – wenn man sich überhaupt einmal dem Thema widmete.
Eins ist nämlich klar: Jener Drohnenkrieg, den der Sprachwissenschaftler und Philosoph Noam Chomsky einst als "mörderischste Terror-Kampagne der Gegenwart" bezeichnete, genießt medial weiterhin so gut wie keine Aufmerksamkeit.
Genau deshalb soll in diesen Tagen, in denen viele Obama nachtrauern und die bevorstehende Ära Trump fürchten, daran erinnert werden. All die Macht, die Trump diesbezüglich haben wird, hat er nur seinem Vorgänger zu verdanken.

Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz publiziert in deutsch- und englischsprachigen Medien.

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