Drohende Abschiebung nach Afghanistan

Hauptsache Überleben

Der afghanische Musiker und Arzt Ahmad Shakid Pouya
In Afghanistan verfolgt: Ahmad Shakid Pouya © Deutschlandradio Kultur / Tobias Krone
Von Tobias Krone · 14.01.2017
Der afghanische Musiker und Arzt Ahmad Shakid Pouya floh vor sechs Jahren vor den Taliban nach Deutschland. Obwohl er die Verfolgung in seinem Heimatland weiterhin fürchtet, steht nun seine Abschiebung bevor. Kulturschaffende versuchen, das zu verhindern.
Ahmad Shakid Pouya, Künstlername Pouya, sitzt auf dem Parkettboden des Proberaums in der Alten Messehalle München im Blitzlicht, bewegt den Blasebalg seines Harmoniums und singt seine Ouvertüre auf Farsi.
"Von den Schönheiten meiner Liebe habe ich gesungen", sagt Pouya."Und dass sie so schön ist, dass ich überhaupt nicht dachte, dass ich so eine Liebe finde. Das hat zwei Teile. Und am Ende singe ich, dass die uns trennen wollen. Und dass ich schreie und singe, weil ich das nicht will."

Ganz persönliche Ouvertüre für Mozarts Opernfragment

Was die Geflüchteten auf der Bühne präsentieren, ist ein Spiel – aber gleichzeitig auch Ernst. Pouya hat Mozarts Opernfragment um seine ganz persönliche Ouvertüre ergänzt.
Pouya sagt: "Ich spiele, was ich gerade erlebe. Und das ist gerade für mich wahr."
Von Amts wegen hätte sich der 33-Jährige schon im Dezember von seiner Frau verabschieden müssen.

Ein Versteck in Frankfurt

"Letzte Woche, Mittwoch, als die dieses Flugzeug nach Afghanistan geschickt haben, haben mich drei Polizisten gesucht, bei meiner Frau in Frankfurt, obwohl ich da gar nicht gemeldet bin. Und auch in Augsburg, wo ich offiziell gemeldet bin. Auch die haben mich gesucht, überall, wo ich sein könnte."
Diese Sätze hat Pouya kurz vor Weihnachten mit dem Handy aufgenommen, aus einem Versteck in Frankfurt. Er will der Abschiebung entgehen. Weil sein Fall der bayerischen Härtefallkommission vorliegt, die aber Ende Dezember nicht mehr entscheiden kann, setzen sich Kulturschaffende für ihn ein. Die Bezirksregierung von Schwaben hat die Rückführung bis morgen, Sonntag, ausgesetzt. In seiner Heimatstadt Herat kann er nicht bleiben, sagt er. Da suchen ihn die Taliban.
"Ich habe in Afghanistan als Zahnarzt in einer privaten Praxis gearbeitet und gleichzeitig als Krankenpfleger in einem französischen Krankenhaus, weil ich beides gelernt habe. Es war einfach eine gute Arbeit, dass ich meinen Leuten helfen konnte."

Verhaftet fürs Musikmachen

Mit Christen arbeitet man nicht zusammen, sagen die Taliban. Allein dafür würden sie ihn auch künftig in Afghanistan verfolgen, davon ist Pouya überzeugt. Von seiner Leidenschaft, der Musik, ganz zu schweigen.
"Wir waren auf einem Konzert, einfach auf der Straße. Wir haben um eine Platzerlaubnis gebeten, wollten Musik machen, und ein Kommandeur hat uns die Erlaubnis gegeben: Wir können schon Musik machen. Weil er so ein bisschen bekannt werden wollte. Und dann machen wir Musik, und während unseres Konzertes kommen Polizisten und machen unser Keyboard kaputt, und alles kaputt. Und wir gehen ins Gefängnis, und dann müssen wir Bekannte anrufen und sagen: Bitte kommt her, dass sie uns freilassen, weil wir Musik gemacht haben auf der Straße. Nicht Musik gegen jemanden, sondern einfach friedliche Musik, dass Leute tanzen und lachen."
Es ist paradox: Ausgerechnet die Musik könnte Pouya jetzt helfen. Das Münchner Opernprojekt, in dem Geflüchtete mitspielen, hat seinen Fall bekanntgemacht. Fernsehkameras verfolgen jede Regung Pouyas bei der Opernprobe. Der 33-Jährige nutzt die Aufmerksamkeit, um möglichst auch in Afghanistan gehört zu werden. Jetzt mit Protestmusik.

"Die Religion von Taliban und IS ist Hass"

"In meinem Heimatland ist Krieg. Die töten unschuldige Kinder", so Pouya. "Die Religion von Taliban und IS ist Hass – und ihr Ziel ist Töten und Ausbeuten."
Würde Pouya als Härtefall akzeptiert und könnte hier bleiben, dann wäre er ein glücklicher Einzelfall. Viele Afghanen müssen gehen, weil ihnen die Unterstützer fehlen. Doch seine Landsleute neiden ihm seine Aufmerksamkeit nicht, im Gegenteil.
Pouya: "Ich treffe gerade auch andere afghanische Flüchtlinge, die auch in Gefahr sind und auch lange Zeit hier sind oder kurze Zeit hier sind. Und die sagen: 'Hey! Du bist ein Vorbild für uns. Wir haben nicht so viel gemacht wie du in Deutschland. Aber wenn die mit dir so umgehen und die Härtefallkommission alles nicht sieht – was machen die mit uns?' Das ist ein Schock. Und ich versuche erstmal, selber hier zu bleiben. Wenn du selber nicht hierbleibst, kannst du auch für andere Leute nichts machen."
Pouya passt in eine Mozart-Oper. Seine geschwungenen Gesichtszüge wirken melancholisch. Doch die Stirn des jungen Mannes trägt die Sorgenfalten eines 60-Jährigen. Kunst ist für Pouya gerade zweitrangig. Die IG Metall in Frankfurt hat ihm einen guten Job als Übersetzer angeboten. Den würde er gerne annehmen, Hauptsache in Deutschland bleiben, Hauptsache Überleben.

(tmk)
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