Drogensucht

Ein Ex-Crystal-Meth-Konsument erzählt

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Die Zahl der Crystal-Meth-Konsumenten ist in Deutschland gestiegen. © picture alliance / dpa
Von Heiner Kiesel · 06.01.2016
Dominik Forster hat jahrelang Crystal Meth konsumiert und verkauft. "Mein Plan war, dass ich so viel Geld verdiene, dass ich alle Menschen, denen es schlecht geht, rausholen kann." Heute schreibt er über seine Vergangenheit und engagiert sich gegen Drogen.
Dominik Forster ist zurück auf der Matte zwischen den künstlichen Kletterfelsen. Der Foschda, so heißt der 27-Jährige hier, fränkisch - in der Boulderhalle in Nürnberg.
Die Begrüßung in der Gruppe ist herzlich. Handschlag mit fester Umarmung. Klettern verbindet, die Vergangenheit auch. Viele hier kämpfen gegen ihre Drogensucht, einige waren deswegen im Knast, suchen jetzt – wieder draußen – Kontakte und Halt.
Forster macht sich fertig, greift in einen Beutel mit Kreide:
"Ich warte eigentlich nur auf den Moment, dass ich von der Polizei kontrolliert werde, gerade vom Bouldern komme und ein Kilo weißes Pulver in einem durchsichtigen Sack dabei habe."
Er lächelt, prüft schnell aus den Augenwinkeln, ob das so launig angekommen ist, wie er es gedacht hat. Braune Augen hinter einer Brille mit dunklem Rand. Seine ganze Erscheinung strahlt etwas Sanftes aus. Obwohl die kräftigen Arme tätowiert sind, vom Hals bis runter. Vorne am Handgelenk grinst ein gelber Spongebob mit qualmender Tüte.
"Alles außer Heroin und Medikamente"
Ein ganz Lieber ist er, sagt sein Agent, bestätigen Bekannte ...
... und das passt überhaupt nicht so zu dem, was Dominik Forster hinter sich hat, was er in seinem Buch mit dem Titel "Crystal.klar" beschreibt.
"Mit 17 habe ich das erste Mal gekifft. In den darauffolgenden Monaten habe ich LSD, Pilze, Ecstasy, Koks einfach überall mal mitprobiert. Hängengeblieben bin ich dann aber bei Speed, Später dann Crystal und ich habe durch die Bank alles wegkonsumiert, außer Heroin und Medikamente."
Dominik Forster hat Drogen nicht nur selbst konsumiert, sondern sie auch verkauft. Da bringt ihm 500, 1000 Euro am Tag ein. Für den Eigenverbrauch und für ein Leben als Dealer wie im Film: Brutale Geschäftskontakte, Goldkette, Macho-Attitude. Dazu der Crystal-Kick: Fünf Tage ohne Schlaf, das Gefühl, unbezwingbar zu sein. Wegen ihres Suchtpotentials sind die synthetischen Drogen der Alptraum der Jugendschützer. Forsters Kunden sind Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Seine Ware sorgt für körperlichen Verfall und eine gestörte Psyche. Aber – eigentlich war's ja nicht so gemeint.
"Überall wo ich hin bin, jedem, dem ich meine Drogen verkauft habe... Die Menschen haben sich gefreut, denen konnte ich durch die Droge Sonne in ihr Leben bringen. Die Menschen haben sich gefreut und mein Plan war, dass ich durch den Drogenverkauf so viel Geld verdiene, dass ich alle Menschen, denen es schlecht geht, rausholen kann – und so ne Art Superheld werde, wieder."
Kann man so naiv sein?
So naiv kann man doch gar nicht sein. Oder doch? Wenn die Psychodroge das Ego aufpumpt wie einen Bodybuilder mit Anabolika? Verstehen lässt sich das vielleicht nur, wenn Dominik Forster bekennt, wie klein er sich eigentlich gefühlt hat – ohne.
Sein Schlüsselerlebnis ist ein Schulwechsel. Seine Freunde gehen in die Realschule, der kleine Dominik muss auf die Herschel-Hauptschule. Brennpunktschule. Knüffe, Schläge auf dem Schulklo, Angst auf dem Weg nach Hause. Forsters Blick verliert die Richtung, wenn er davon erzählt.
"Wenn du jeden Tag mit dieser Angst lebst und dich niemandem mitteilen kannst, weil ich gemerkt habe, dass meine Eltern ihre eigenen Probleme haben und ich da nicht zur Last fallen wollte, dann ist alles grau in grau. Das muss man sich so, da habe ich das Bild der Schlümpfe vor mir, der Gargamel mit seinem dunklen Schloss, als wärst du da in diesem Keller, diesem dunklen Verlies und du kommst da nie mehr raus."
Ins Gefängnis ist Dominik Forster schließlich tatsächlich gekommen. Zwei Jahre und sechs Monate. Eineinhalb Kilo Speed haben Ermittler bei ihm gefunden. Wahrscheinlich würde er sonst gar nicht mehr leben. Und noch weniger hätte er seine Erfahrungen aufschreiben können. Seelenstriptease auf 335 Seiten. Damit zieht er nun durch die Klassenzimmer. Dort wird er jetzt akzeptiert.
"[Dass] Wenn ich in Schulen gehe und meine Lebensgeschichte erzähle, komplett die Hosen runterlasse, dann habe die Kinder keine Angst mehr mir etwas zu erzählen, wenn ich erzähle, dass ich in der Schule verprügelt worden bin, dann haben die keine Angst mehr davor, mir dasselbe zu erzählen."
Unverschämt nett und sanft
Und es hilft, dass er so unverschämt nett und sanft wirkt. Man will gar nicht glauben, wie dreckig es ihm ging. Und was er davon so berichtet. Das Buch und die Drogen-Aufklärung sind Dominik Forsters neue Mission. Er arbeitet damit seine Schuldgefühle ab. Aber das ist nicht alles. Die Aufmerksamkeit, die er dadurch erhält, ersetzen den Kick, den ihm die Drogen früher beschert haben. Er ist der Held. Und das hat er quasi amtlich.
Das Präventionsprojekt, an dem er mitarbeitet, erhält staatliche Hilfe. Die Klettergruppe, die er mitbegründet hat, wird auf der Website der Bundesdrogenbeauftragten lobend erwähnt.
"Also wir sind hier im Café Kraft mit dem MAC, dem Mountain Activity Club, der eine Auffangstation ist für Menschen mit meinem Hintergrund. Da es einfach wahnsinnig schwer ist, mit Leuten nach der Haft in Kontakt zu treten. Und wir bieten den Rahmen dafür. Zusätzlich braucht man natürlich Kicks, oder echtes Erleben, wie wir es nennen. Deswegen haben wir uns für das Bouldern entschieden, weil es eben Kraft, Ausdauer beansprucht und sehr vielfältig ist. Und ich wage mich jetzt an eine lila Route, das ist der zweite Schwierigkeitsgrad von unten und gebe mein Bestes."
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