Dresden und Pegida

"Das ist ein Klima, das man kaum noch aushält"

Der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden, Robert Koall, spricht am 26. Januar 2015 bei einer Großveranstaltung in Dresden, bei der tausende Bürger ein Zeichen für Weltoffenheit setzen wollen
Der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden, Robert Koall, spricht am 26. Januar 2015 bei einer Großveranstaltung in Dresden, bei der tausende Bürger ein Zeichen für Weltoffenheit setzen wollen © Imago / Max Stein
Robert Koall im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 13.10.2015
Robert Koall, Chefdramaturg am Staatsschauspiel Dresden, sieht in dem Galgen auf der Pegida-Demo keine Verschärfung der Bewegung. "Das ist im Kern der gleiche volksverhetzende hasserfüllte Ton wie zu Beginn". Jetzt gelte es, dass das "träge Dresdener Bürgertum" sich endlich solidarisiere.
Robert Koall beobachtet die Pegida-Bewegung von Anfang an und hat darüber ein Buch geschrieben: "Ein Winter mit Pegida". Das Bild mit dem für Kanzlerin Merkel reservierten Galgen beschreibe keine neue "Qualität" der Bewegung: "Da hat sich nichts gewandelt oder verschärft, diesen Kern gab es von Anfang an."
Was sich aber verändert habe, sei das Klima in der Stadt:
"Der Stein wird seit einem Jahr gehöhlt. So ist ein Klima entstanden, in dem die Hemmschwelle soweit abgesunken ist, dass die konkrete Gewalt zunimmt und dass es sich eben nicht mehr um den stillschweigenden Spaziergang handelt, sondern der dafür sorgt, dass an anderen Ecken von Dresden Leute sich bemüßigt fühlen, Gewalt anzuwenden."
Das Klima in der Elbstadt sei vergiftet:
"Das macht mich traurig, das entsetzt mich, und das macht mir auch Angst. Die Gewalt, die in dieser Stadt zugenommen hat, betrifft Freunde und Kollegen, ich rede davon, dass Knochen gebrochen werden auf offener Straße. Und das ist ein Klima, das man kaum noch aushält."
Enttäuscht ist er davon, dass sich "das träge Dresdener Bürgertum immer noch nicht zu einer klaren Gegenwehr zusammengefunden" hat:
"Was fehlt in dieser Stadt sind unglaublich viele starke Signale von Solidarisierung. Weil man das Gefühl hat, man ist alleine mit seinem Standpunkt hier, bis einem auffällt, es sind nur 7500 Vollidioten und wir sind viel, viel mehr. Und wir sind eine viel größere Gruppe als die. Die muss sich nur bemerkbar machen."
Dass er mit seiner Theaterarbeit Pegida-Demonstranten zum Nachdenken bringen könnte, glaubt er gleichwohl nicht:
"Das Theater erreicht die Pegida-Leute nicht. Das Theater predigt meistens zu den Bekehrten, wer ins Theater geht, der hat eine gewisse Neugierde auf Welt, der möchte sich etwas erzählen lassen, der möchte sich verführen lassen im Kopf. Die Menschen, die zu Pegida-Demos gehen, die wollen sich nicht verführen lassen im Kopf, die wollen ihren eigenen Betonkopf von anderen Betonköpfen bestätigt sehen. Ich glaube nicht, dass wir jemanden, der zu einer Pegida-Demo geht, ins Theater locken können, dann zeigen wir dem 'Nathan der Weise' und dann geht der raus und sagt: 'Ich hab mich getäuscht.' So naiv sind wir nicht."
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