Dreidimensionale Vermessung der Welt

Alberto Moreira im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 22.11.2012
Die beiden Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X umkreisen gemeinsam die Erde und liefern ein räumliches Bild der Oberfläche des Globus. Alle zwei Jahre wollen die Forscher mit dem Satelliten-Tandem die Erde abtasten und daraus beispielsweise Schlüsse für das Klima und seine Veränderung oder über den Ausbruch von Vulkanen und Erdbeben ziehen.
Liane von Billerbeck: Kommende Woche verleiht der Bundespräsident den diesjährigen Zukunftspreis. Drei Teams und deren Entwicklungen gibt es, die wir in dieser Woche vorstellen, die dafür nominiert sind. Heute geht es dafür ins All, denn dort schweben zwei ganz besondere Radarsatelliten, die die Erde aus jedem Winkel, und das auch noch dreidimensional aufnehmen, also quasi alles entdecken können.

Entwickelt wurden sie im Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Alberto Moreira ist dessen Direktor. Und bevor Sie das Gespräch mit ihm hören, stellt Dirk Lorenzen das höchst findige Satellitenpaar vor.

Beitrag: "Satellitenpaar macht Radarbilder der Erde"

von Billerbeck: Und dieses Satellitenpaar, nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2012, ist mein Thema im Gespräch mit Alberto Moreira, dem Direktor des Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Er ist der Sprecher des Forscherteams. Ich grüße Sie!

Alberto Moreira: Guten Tag!

von Billerbeck: Ihre Radarsatelliten sind ja nicht die ersten. Radarsatelliten gibt es schon. Was also ist das Neue, Tolle an diesen Satelliten? Was genau kann man da besser dran sehen, als wenn man nur ein zweidimensionales hat?

Moreira: Alle Veränderungen, Informationen, wo wir auf die Information der Topografie angewiesen sind. Das gilt in der Klimaforschung, wenn wir das Volumen, die Wassermenge, die dann jährlich in den polaren Gebieten abschmilzt, wenn wir so eine Abschätzung brauchen, dann brauchen wir die Informationen der Topografie, der Höhe.

Oder wenn es darum geht, die Abholzung genauer zu beobachten oder Waldwachstum, Abschätzen der Biomasse – es geht dann darum, wie viel Kohlenstoff in den Wäldern steckt. Und dafür brauchen wir diese Höhe, bis hin zu allen Veränderungen. Also die Erde ist dynamisch, wir haben mit Erosion, Absenkungen zu tun, Vulkanausbrüche, Erdbeben. Und wenn wir die Information der Höhe haben quasi, dann sind wir wesentlich besser in der Lage, dann eine Abschätzung der Informationen zu haben.

von Billerbeck: Lohn der Arbeit, so haben wir es eben ja auch gehört, wird der erste 3D-Globus der Erde sein. Da die Erde aber ja ein dynamisches System ist, Sie haben es eben auch noch einmal geschildert, muss ja auch dieser Globus dann immer wieder angepasst werden.

Moreira: Ja. Es ist so, dass bis Jahr 2000 war die Topografie der Erde global mit einer sehr schlechten Auflösung bekannt. Also hundert Meter Höhengenauigkeit. Und wir wollen mit TanDEM-X dieses globale Abbild der Erde dann mindestens um den Faktor 30 genauer machen. Also Metergenauigkeit in der Höhe. Und dazu wollen wir jedes zweite Jahr dann diese Vermessung wiederholen, um genau diese Veränderungen aufzunehmen. Die Erde ist nicht statisch, wöchentlich, täglich verändert sich etwas auf der Erde. Und das können wir dann mit dem Radarsatellit.

von Billerbeck: Das kostet ja eine Menge Geld. Wie wird das alles finanziert?

Moreira: Wir haben für TerraSAR-X und TanDEM-X ein sogenanntes Public-Private-Partnership-Modell ausgewählt, wo dann die Industrie von Anfang an schon substanziell an den Kosten beteiligt ist. Und so übernimmt die Industrie quasi die Vermarktung der Daten und das DLR die Koordination der wissenschaftlichen Nutzung.

Durch die Vermarktung der Daten erreicht man Umsätze im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Auch der Rückfluss für die Forschung ist substanziell. Also wir bekommen dann Rückfluss im zweistelligen Millionenbereich, sodass wir auch uns weiterentwickeln können, können wir auch mit diesen Daten Forschung betreiben. Also so ist das Modell. Und künftig dann soll die Industrie mit diesen Einnahmen die Satelliten der nächsten Generation dann auch voll finanzieren.

von Billerbeck: Stichwort Daten: Dieses Satellitenpaar sammelt ja dauernd eine riesige Datenmenge. Wie werden die alle ausgewertet?

Moreira: Das ist eine Herausforderung für sich. Also insgesamt nehmen wir 1,5 Petabyte von Daten, das sind über …

von Billerbeck: Kann ich mir gar nicht vorstellen …

Moreira: Das sind über 200.000 DVDs. Und alle diese Daten werden dann von drei Bodenstationen aufgenommen, also in Norddeutschland in Neustrelitz, dann in der Antarktis, und dann auch in Inuvik, in Kanada. Und diese Daten dann müssen verarbeitet werden, kalibriert werden, also dann diese Höhenberechnung, das dreidimensionale Bild, das alles ist eine Herausforderung, soll dann, wie vorhin gehört, Mitte 2014 global verfügbar sein.

von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur, Alberto Moreira ist mein Gesprächspartner, Direktor des Radarinstituts des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, in dem ein besonderes Satellitenpaar entwickelt wurde, das auch für den Deutschen Zukunftspreis nominiert ist. Sie sind ja in Brasilien geboren, man hört es. Und man hört‘s vor allen Dingen auch an dem Namen. Ihr Vater war Architekt im brasilianischen Raumfahrtinstitut. Könnte man sagen, Ihnen ist das All, das Streben ins All, schon in die Wiege gelegt worden?

Moreira: Ja, das kann man auch so sagen. Und das andere auch ein bisschen, die Wissenschaft. Weil ich war immer als Kind fasziniert von allen diesen Gebäuden, sehr modern, was mein Vater konzipiert hat. Und während meines Studiums habe ich auch viel mit Luftfahrt zu tun, war selber Segelflugpilot, sehr aktiv.

Und denke, ich habe genau den Beruf ausgewählt, was für mich quasi das Ideale darstellt, wo ich dann Wissenschaft mit Raumfahrt kombiniere. Wissenschaft ist verbunden mit viel Innovation, man sucht immer Neues. Raumfahrt mit Neugier. Man geht auch ins Unbekannte, ins All. Und diese Kombination ist für mich einfach traumhaft, also bin ich sehr glücklich darüber.

von Billerbeck: Sie haben erst in Brasilien studiert und hätten dann vermutlich überall hin gehen können. Warum haben Sie sich ausgerechnet Deutschland ausgesucht?

Moreira: Es ist so: Ich war immer sehr an der Forschung aktiv. Schon als Gymnasiast habe ich immer elektronische Geräte entwickelt, während der Uni sehr engagiert in der Forschung. Und mein Professor an der Uni hat mir auch den Rat gegeben, wenn ich denn Forschung auf hohem Niveau machen sollte, dann entweder Europa, hauptsächlich Deutschland, oder in den USA.

Und für mich war Deutschland die bevorzugte Wahl. Ich sehe hier das Land als Vorbild, heute genauso, mit Klimainitiative, Nachhaltigkeit. Und ich habe als Brasilianer, muss ich sagen. mich sehr schnell hier angepasst an das Leben in Deutschland, was eigentlich sehr anders ist als in Brasilien.

von Billerbeck: Was ist Ihnen am schwersten gefallen, also als Brasilianer in Deutschland?

Moreira: Gut, angefangen mit Pünktlichkeit, das systematische Denken, wenn man einen Bleistift ausleiht, dass man den auch am nächsten Tag zurück gibt. Das sind alles Sachen, wo man in Brasilien vielleicht ein bisschen anders denkt, vielleicht das Leben ein bisschen leichter nimmt. Und vielleicht ist es die optimale Kombination etwas dazwischen, wo man dann auch trotzdem ein bisschen von dem Brasilianischen dann beibehält.

von Billerbeck: Ein Brasilianer in Deutschland. Alberto Moreira war mein Gesprächspartner, Direktor des Radarinstituts des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, in dem ein besonderes Satellitenpaar entwickelt wurde, das für den Deutschen Zukunftspreis nominiert worden ist. Ich danke Ihnen, und wir drücken natürlich die Daumen, dass Sie der Preisträger sind.

Moreira: Herzlichen Dank!

von Billerbeck: Der Preis wird am 28. November verliehen, und diese Preisverleihung wird auch im ZDF übertragen, und da können Sie dann vielleicht auch Alberto Moreira und seine Kollegen sehen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.