Drei-Religionen-Haus "House of One"

Das Wunder von Berlin

Pfarrer Gregor Hohberg (l-r), Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Imam Kadir Sanci posieren am 03.06.2014 in Berlin mit Ziegelsteinen auf dem Petriplatz. Dort soll ab 2015 das Bet- und Lehrhaus, das "House of One" entstehen. Geplant ist ein Sakralbau, in dem sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden.
Pfarrer Gregor Hohberg (l-r), Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Imam Kadir Sanci in Berlin. Dort soll ab 2015 das Bet- und Lehrhaus, das "House of One" entstehen. © picture alliance / dpa / Foto: Paul Zinken
Von Gunnar Lammert-Türk · 01.02.2015
Ausgerechnet in Berlin, der Stadt, in der die Vernichtung des Judentums geplant wurde, soll das "House of One" entstehen, um Christen, Juden und Muslimen eine Begegnungsstätte zu bieten. Die Hoffnungen, die die Beteiligten mit diesem Projekt verbinden, sind groß.
"Das ist ein Projekt, das nicht nur Berlin angeht und Deutschland angeht, sondern das ist ein Projekt, das sich bewusst an alle Interessierten und hoffentlich viele Interessierten in der Welt wendet. Es ist also ein Zukunftsversprechen."
Volker Hassemer ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin. Er spricht von einem Projekt, das ihm am Herzen liegt, weil es zukunftsweisenden Charakter hat und über Berlin hinaus Beachtung verdient. Die Rede ist vom House of One, einem Sakralgebäude, das die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam unter einem Dach vereinen soll und offen ist für die Begegnung mit der säkularen Stadtgesellschaft. Bislang gibt es lediglich den architektonischen Entwurf und den Platz, auf dem es errichtet werden soll. Und das ist nicht irgendein Platz in der Stadt, sondern, wie Pfarrer Gregor Hohberg erklärt...
"...der Ort in Berlin, der Urort der Stadt, an dem alles begann, an dem seit über 700 Jahren Stadt und Religion miteinander zu tun haben und insbesondere unsere Gemeinde dort seit über 700 Jahren ihre Kirchen hatte."
Die erste Petrikirche wurde hier im Mittelalter errichtet. Damals gehörte der Petriplatz zu Berlins Nachbarstadt Cölln. Später mit Berlin vereinigt, war sie der älteste Teil der Stadt. 1964 wurde die im Zweiten Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogene letzte Petrikirche im Ostteil der Stadt gesprengt. Damit war die jahrhundertealte Verbindung von Stadt und Religion an diesem Ort für lange Zeit aufgelöst. Über Jahrzehnte wurde die Fläche als Parkplatz benutzt und dämmerte nach der Wende als trostlose Brache vor sich hin. Bis eine Ausgrabung die alte Bedeutung wieder in Erinnerung rief.

"Man hat gegraben, im Jahr 2007 begann das, und hat sehr schnell ganz viel gefunden: über 3000 Grabgelege unserer Gemeindeglieder, die wir dann an anderer Stelle wieder bestattet haben, die Fundamente der Lateinschule, die Fundamente des Cöllschen Rathauses und Fundamente von vier Petrikirchen."
Menschen aus 35 Ländern unterstützen das Projekt
Die historische Verbindung von Stadt und Religion war somit wieder ins Bewusstsein gerückt. Aber wie sieht es mit dieser Verbindung heute aus? Gregor Hohbergs Gemeinde machte sich darüber Gedanken und kam zu folgendem Schluss: Angesichts des Aufeinandertreffens von Menschen verschiedener Kulturen und Religionen in Berlin und angesichts von Konflikten, die oft mit Religion oder religiösen Gedanken verknüpft werden, sollte hier eine Stätte entstehen, die ein friedvolles Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen vor Augen führt. Und so wurde gemeinsam mit muslimischen und jüdischen Partnern das Bet- und Lehrhaus Petriplatz, wie das House of One auch genannt wird, erdacht. Einer von ihnen ist Imam Kadir Sanci:
"Wir haben uns jetzt kennen gelernt, das ist ja das Bedeutende im Dialog, aber da darf man nicht stecken bleiben. Und es darf nicht ein Kennenlernen sein, wo man einfach sagt, ja wer bist Du, wer bin ich, und dann einfach wieder nach Hause geht, sondern eigentlich tagtäglich gemeinsam ist, etwas zusammen macht und vielleicht den Alltag teilt. Und das ist genau dieser Weg, den wir zu gehen versuchen und das hat, denke ich mal, sehr viele überzeugt."
Bislang unterstützen Menschen aus 35 Ländern das House of One. Als Botschafter werben sie in ihrer Heimat für das Projekt und spenden für seinen Bau. Sie sind offensichtlich davon beeindruckt, dass es sich hier nicht um eine von vielen flüchtigen Religionsbegegnungen handelt, sondern um ein beständiges Miteinander. Aber ohne Verwischen oder Bagatellisieren der Unterschiede. Jede Religionsgruppe wird ihren eigenen Kultraum im House of One erhalten, in dem sie ihre Zeremonien vollzieht. In einem vierten Raum werden sie zum Austausch zusammen kommen. Bereits jetzt wird um gegenseitiges Verständnis gerungen. Unter anderem in Tagungen unter der Überschrift "An welchen Gott glauben wir?", die genau die "heißen Eisen" anfassen, die untereinander für Irritation und Auseinandersetzung sorgen: die islamische Scharia, die Auserwähltheit des jüdischen Volkes, die christliche Auffassung vom dreieinigen Gott. Für Rabbiner Tovia Ben Chorin, einen der jüdischen Vertreter des House of One, geht es bei solchen Veranstaltungen vor allem darum zu verstehen, ...
"...how does the mind of the other ticks, wie arbeitet der Kopf des anderen. Wenn ich das nur erreicht habe, dann können wir viel harmonischer miteinander leben."

Die Voraussetzung, um so miteinander umgehen zu können, ist die Überzeugung, dass Gott alle menschliche Erkenntnis übersteigt und die Anerkennung der lebensgestaltenden Kraft und des Erkenntniswertes der Religion des jeweils anderen. Pfarrer Gregor Hohberg bemerkt dazu:
"Dieser Respekt voreinander, davor, dass der andere seine Glaubenswahrheit lebt, den verknüpfen wir mit dem Respekt vor Gott, indem wir sagen, wir Menschen machen uns Gedanken in Form von Religion über unser Gottesverhältnis, aber wir sind dabei insofern demütig, dass wir sagen, die letzten Fragen beantwortet Gott und wir müssen es auch bei ihm lassen, wir müssen anerkennen, dass wir Glaubenserfahrung deuten und dass wir uns darüber austauschen, dass aber die letzten Antworten Gott gibt und auch das verbindet uns."
Der Bau soll für ein neues Berlin stehen
Baulicher Ausdruck dieser Demut vor Gott wird der vierte Raum im House of One sein, ein runder Saal, der jeden empfängt, der das Gebäude betritt und durch den auch jeder, der aus einem der drei Kulträume kommt, wieder hinaus geht. Die Kuppel, die ihn bekrönen wird, überragt das übrige Gebäude. Weithin sichtbar, ist sie ein Symbol des einen Gottes, den Juden, Christen und Muslime auf ihre jeweils eigene Weise verehren. Hier werden sie sich über diese Weise austauschen. Hier werden sie mit den nicht religiös gebundenen oder suchenden Menschen der Stadt zusammen treffen. Hier sollen Menschen aus Konfliktregionen der Welt einen Ort des Friedens und der Suche nach Lösungen finden. Hier werden die Vertreter der drei monotheistischen Religionen für den Frieden beten, wie sie es seit einigen Jahren schon auf dem noch leeren Petriplatz tun. Für den 1936 in Jerusalem geborenen Rabbiner Tovia Ben Chorin steht das House of One, das Haus des Einen, für ein neues Berlin, ...
"...weil die Stadt Berlin als solche ist für einen Juden Stadt der Wunden, Stadt des Wunders. Gerade hier wurde geplant, wie man das Judentum ausrotten soll aus Europa, wenn nicht von der ganzen Welt. Und hier in so ein Zentrum, wo eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee sind und ein Saal in der Mitte, wo auch die Atheisten, Theisten und einfache Menschen, die sich nicht sofort identifizieren mit einem oder dem anderen, aber doch den Sinn in Leben suchen, so ein Zentrum in Berlin zu haben, ist das nicht ein Wunder?"
Wie alle anderen, die mit dem House of One verbunden sind, hofft er, dass es ausstrahlen wird, über Berlin hinaus in die Welt, dass es, wie Volker Hassemer von der Stiftung Zukunft Berlin sagt, einen Beitrag leistet...
"...für ein friedliches und auch interessiertes Zusammenleben, also die Friedfertigkeit nicht abzuleiten von einem mangelnden Interesse oder von einer Distanz zu dem jeweils Anderen, sondern die Nähe zum Anderen zu suchen. Und da braucht man Plätze, die sich dafür bereithalten, die Interessiertheit zum einen, aber auch die Engagiertheit im Hinblick auf unterschiedliche Religionen und Kulturen zu praktizieren und daraus Positives für die gemeinsame Zukunft zu gewinnen."
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