Dominic Johnson u.a.: Tatort Kongo

Deutsche Strafen für ruandische Milizführer 

Der mutmaßliche afrikanische Kriegsverbrecher Straton Musoni steht in einem Gerichtssaal im Oberlandesgericht in Stuttgart (2011) .
Der mutmaßliche afrikanische Kriegsverbrecher Straton Musoni steht in einem Gerichtssaal im Oberlandesgericht in Stuttgart (2011) . © picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod
Simone Schlindwein im Gespräch mit Maike Albath · 11.06.2016
Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart mussten sich wegen Kriegsverbrechen im Kongo zwei ruandische Milizenführer verantworten. Von Deutschland aus sollten sie Mord und Terror angeordnet haben. Drei Autoren haben den Strafprozess dokumentiert.
Das Oberlandesgericht Stuttgart habe im September 2015 nach 320 Verhandlungstagen Justizgeschichte geschrieben. Auch wenn das Urteil nicht den ursprünglichen Erwartungen der Staatsanwälte wie der Verteidiger, der Opfer wie der Prozessbeobachter entsprochen habe, ja die "krude" richterliche Begründung von ihnen nicht einmal verstanden worden sei.
So zieht Simone Schlindwein - gemeinsam mit ihren Koautoren, Dominic Johnson und Bianca Schmolze - Bilanz eines ungewöhnlichen, neuartigen und zugleich unvollkommenen Strafverfahrens, das noch nicht beendet ist, weil es in die Revision gehen wird.

Deutsches Völkerstrafrecht erweist sich als unvollkommen

Ungewöhnlich, weil der Tatort im Kongo lag, die beiden Angeklagten aber in Deutschland wohnen. Neuartig, weil erstmals das noch junge, nicht erprobte deutsche Völkerstrafrecht angewandt wurde. Und unvollkommen, weil die Strafprozessordnung nur ungenügend mit Beweismitteln und Vernehmungen – oft unter Opferschutz oder per Videokonferenz geführt – umgehen kann, die an einem weit entfernten ausländischen Tatort entstanden sind.
Auch durften Überlebende oder Angehörige nicht als Nebenkläger auftreten wie in herkömmlichen Verfahren, geschweige denn strafrechtliche Feststellungen, Grenzen überschreitend, in einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch in ihrer Heimat verwandeln. Mit ihrem Resümee geben die drei Autoren zugleich Hinweise für eine angedachte Gesetzesnovelle.
Der Strafsenat verurteilte die beiden Ruander Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni als Rädelsführer einer terroristischen Organisation zu 13 bzw. acht Jahren Haft. Beide haben in Deutschland studiert und später den Status von politischen Flüchtlingen erhalten.

Angeklagt wurden grausame Verbrechen einer Hutu-Milz im Exil

Ihnen wurde vorgeworfen, aus dem sicheren Exil heraus die Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gesteuert zu haben, mithin für grausame Verbrechen im Ostkongo verantwortlich gewesen zu sein.
Für ihr Buch zum Prozess gingen die Autoren arbeitsteilig vor. Dominic Johnson recherchierte als Afrika-Redakteur der TAZ in Berlin historische, politische, juristische Hintergründe. Bianca Schmolze, Mitarbeiterin der Menschenrechtskampagne "Gerechtigkeit hilft" in Bochum, verfolgte regelmäßig die Verhandlungstage im Gericht.

Täter im Genozid rechtfertigen sich als politisches Opfer

Und Simone Schlindwein befragte als Korrespondentin von Uganda aus aktive wie ehemalige Kämpfer im Dschungel des Ostkongo, wo die straff organisierte, sektiererisch katholische FDLR ein staatenloses Gebiet so groß wie Ruanda kontrolliert, Einwohner grausam terrorisiert und von dort Operationen in die benachbarte alten Heimat startet.
Nicht nur aus dem Prozess heraus, sondern auch durch persönliche Gespräche wollte die Korrespondentin im Afrika der Großen See die verdrehte Sicht von Rebellen verstehen und dokumentieren, die als Angehörige der Gruppe der Hutu sich um ihre angestammte Macht in Ruanda gebracht sehen und deshalb, obschon Täter des Genozids an der Minderheit der Tutsi, sich zum Opfer der Zeitgeschichte stilisieren.

Dominic Johnson, Simone Schlindwein, Bianca Schmolze: Tatort Kongo — Prozess in Deutschland. Die Verbrechen der ruandischen Miliz FDLR und der Versuch einer juristischen Aufarbeitung.
Ch. Links Verlag, Berlin 2016
504 Seiten, 30 Euro

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