Dokumentarfilm "Julia"

Träume, die mit dem Leben kollidieren

Eine Frau unterhält sich mit einem Mann
Julia geriet schnell ins Berliner Rotlicht-Milieu - mit bitteren Folgen © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Patrick Wellinski · 08.01.2015
Mit dem Dokumentarfilm "Julia" skizziert J. Jackie Baier zehn Jahre im Leben von Jaroslav, einem Jungen aus Litauen, der als Frau leben will, sich später Julia nennt und nach Berlin zieht. Julia fällt in die Hände eines Zuhälterringes. Ein komplexes Porträt.
Wenn es je so etwas wie einen globalen Straßenfeger gab, dann war es die brasilianische TV-Soap "Skalvin Isaura" (1970/80). 100 Folgen lang bangten Zuschauer in knapp 130 Ländern um das Schicksal der jungen, schönen Sklavin. Irgendjemand schrieb ihren Namen auf die Berliner Mauer; Bauern aus Chile schickten Kühe nach Brasilien, um Isaura aus der Gefangenschaft frei zu kaufen und auf Kuba fuhren während der Ausstrahlung der Serie keine Taxis. Zu den größten Fans der bis dahin unbekannten brasilianischen Schauspielerin Lucelia Santos gehörte Fidel Castro - und Jaroslav aus Litauen.
Ein Leben ohne Ruhe
Der Junge saß seine ganze Kindheit vor dem Fernsehen und hatte nur einen Wunsch: so zu sein wie Lucelia. Das aber nicht nur im übertragenen Sinn. Und so wurde aus Jaroslav Julia. Und Julia floh aus dem Osten in den Westen, nach Berlin. Kaum in der geteilten Hauptstadt angekommen, fiel Julia in die Hände eines Zuhälterringes und versucht seitdem als transsexuelle Prostituierte auf den Straßen Berlins zu überleben.
Alkohol, Drogen, Gewalt - Julia kam nie zur Ruhe. Rein zufällig traf die deutsche Regisseurin J. Jackie Baier auf Julia und begleitete sie zehn Jahre lang mit der Kamera. Das Resultat ist ein Dokumentarfilm über verlorene Illusionen, eine in all ihren Facetten hoch komplexe Person, die ihren hellen Jugendträumen folgte und dabei nicht nur einmal zusehen musste, wie diese bitter mit der kalten Realität kollidierten.

"Julia"
Regie: J. Jackie Baier; 89 Minuten
Deutschland/Litauen 2013

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