"Doktor Schiwago"

Russisches Reinheitsgebot

Szene aus "Doktor Schiwago" am Theater Regensburg
Szene aus "Doktor Schiwago" am Theater Regensburg © dpa / picture alliance / Armin Weigel
Von Franziska Stürz · 24.01.2015
Die Uraufführung der Oper "Doktor Schiwago" in Regensburg hüllt den Roman und Verse von Boris Pasternak in russisch-nationale Klangwogen. Das gewaltige Pathos der Musik trifft auf surreal-traumhafte Szenen, mit denen der Komponist Anton Lubchenko teilweise nicht einverstanden war.
Der 1985 geborene Komponist und Dirigent Anton Lubchenko sieht sich und seine Werke ganz in der Tradition der russischen Nationalkomponisten, und er verehrt den zu Sowjetzeiten geächteten Dichter Boris Pasternak. Dessen Roman "Doktor Schiwago" durfte 1957 nicht in Russland veröffentlicht werden, sondern kam in Italien heraus. Lubchenko hat sich bis heute allerdings gegen jegliche Übersetzung seines Librettos ausgesprochen. Ein rein russisches Werk soll seine Oper bleiben.
Mit der Genehmigung von Pasternaks Erben hat Lubchenko den "Doktor Schiwago" nun zu einem Opernlibretto aus neun Szenen verarbeitet, das auf die ganze Vorgeschichte der vorrevolutionären Epoche verzichtet und mitten in die Grauen des Ersten Weltkrieges mit der Lazarett-Szene in die Oper einsteigt. Wortreich im wagnerschen Stil gesungene Dialogpassagen werden durch lyrische Momente unterbrochen, in denen Lubchenko Pasternaks Gedichte sehr liebevoll vertont hat.
Insgesamt überwiegt aber ein gewaltiges Pathos im Orchesterklang, das mit äußerster Vehemenz vom Komponisten und Dirigenten eingefordert wird. Die Musik ist gespickt mit Zitaten aus allen Stilepochen von Bach bis Charleston. Besonders die Komponisten der russischen Romantik tauchen ständig in Lubchenkos Musik auf.
Seine Lara klingt in der grandiosen Interpretation von Michaela Schneider wie eine Mischung aus Tatjana und Elektra, und den Schiwago gibt der russische Bariton Vladimir Baykov mit kräftigem, kernigem Ton. Dem zerbrechenden, sensiblen Charakter im Roman wird diese musikalische Darstellung allerdings wenig gerecht.
Streit mit dem Regisseur
Schon im Vorfeld der Premiere wurden schwere Differenzen zwischen Komponist und Regisseur Silviu Pucarete öffentlich. Dieser war dann auch am Premierenabend nicht mehr anwesend. Dabei erhielt das Ausstattungsteam überschwänglichen Beifall. In der Tat stellten die surreal angehauchten, traumhaften Sequenzen des Regisseurs und die düsteren, an Chagall-Gemälde erinnernden Bilder von Bühnenbildner Helmut Stürmer glücklicherweise eine optische Distanz zu den überbordenden Klangwogen her.
Ob und wie diese Produktion auch an Lubchenkos Haus, der neuen Oper von Wladiwostok, zu sehen sein wird, bleibt offen. Jedenfalls war die Aufregung des Komponisten wegen angeblicher Diffamierung Russlands durch die Interpretation des Regisseurs in keiner Weise nachzuvollziehen. Aktuelle politische Bezüge des Stoffes hingegen sind nicht von der Hand zu weisen und auch nicht durch Fortissimo zu übertönen.
Die schwierige Geburt eines streitbaren Werkes war da also zu erleben. Dennoch ist dieser Doktor Schiwago ein Erlebnis: aufrüttelnd, spannend und in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich für die deutsche Opernszene.
Informationen des Theaters Regensburg zur Inszenierung von "Doktor Schiwago"
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