DIW-Forschungsdirektor: Irland wird sich aus Rettungsschirm befreien können

Ansgar Belke im Gespräch mit Nana Brink · 11.10.2011
"Bei Irland kann man davon ausgehen, dass es seinen Rettungsschirm loswerden kann, wenn es so weitergeht", sagt der Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke. Das Budgetdefizit habe sich stark verringert. Bei Griechenland rechnet er hingegen mit einem Schuldenschnitt.
Nana Brink: Ein Sorgenkind weniger! – So jedenfalls könnte ein Urteil der internationalen Prüfer über Irland lauten. Heute trifft sich die sogenannte Troika aus Experten von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds einmal nicht in Athen, sondern in Dublin. Das irische Sparprogramm verlaufe nach Plan, so meinten sie jedenfalls noch im Sommer. Wir erinnern uns: Im November letzten Jahres griff die Irland-Hilfe, IWF und EU hatten dem Land Kredite in Höhe von 67,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. In der Finanzkrise hatte die irische Regierung ja viele Banken gerettet und dadurch die Staatsverschuldung rasant in die Höhe getrieben. Am Telefon ist jetzt Ansgar Belke, Professor für Makroökonomie an der Universität Duisburg-Essen und ein ausgewiesener EU-Finanzmarktexperte, schönen guten Morgen, Herr Belke!

Ansgar Belke: Einen schönen guten Morgen!

Brink: Hat die Irland-Hilfe funktioniert?

Belke: Ich denke, ja, nach allem, was wir sehen. Wir schauen ja immer auf die Marktindikatoren, wie die Anleihezinsen für irische Staatsanleihen, für die Kosten der Versicherungen gegen den Bankenbankrott in Irland und den Staatsbankrott, und da sieht es gut aus. Die sind nämlich alle ein Drittel niedriger als noch vor zwei Monaten. Wir sehen auch, dass die Anstrengungen der irischen Regierung glaubwürdig sind, das Haushaltsdefizit zu verringern, das Leistungsbilanzdefizit des Landes ist nahezu geschlossen, geht leicht in den positiven Bereich. Wir haben ein bisschen Sorge noch bei der Arbeitslosenrate, die angestiegen ist, und auch der Stimmungsindex will nicht so recht.

Brink: War dann die Irland-Hilfe nicht eher eine Bankenrettung mit großem Stil?

Belke: Das kann man durchaus mit Ja beantworten, denn viele Banken, auch deutsche Banken, waren in Irland involviert, nicht nur gegenüber Banken in Irland, sondern auch gegenüber dem irischen Staat. Und insofern ist die Rettung Irlands auch eine Rettung deutscher Banken. Allerdings hat sich dieses Ausgesetztsein der Banken verringert, wie wir wissen, sind gerade die staatlich gestützten Banken, Hypo Real Estate und auch einige Landesbanken noch involviert.

Brink: Aber ist das nicht auch dann eine Blaupause für künftige Aktionen? Ich sehe jetzt gerade die aktuelle Situation um die belgisch-französische Bank Dexia, die ja verstaatlicht worden ist.

Belke: Ja, das ist leider eine Blaupause, wir sind in einer Situation, wo wir sonst Riesenansteckungseffekte bekommen würden. Weil, wenn eine Bank in Mitleidenschaft gezogen ist, weil sie irische Anleihen hält, die nicht so recht wollen, dann kann es sein, dass andere Großbanken dieser Bank kein Geld mehr leihen, die Banken, die dieser Bank sozusagen kein Geld mehr leihen, werden auch woanders gefährdet sein. Und so kommt ein Negativkreislauf in Gange, den der Internationale Währungsfonds zu Recht brandmarkte. Frau Lagarde hat recht, wir müssen kurzfristig in Bankenrettung investieren, um größere Kosten in Zukunft zu vermeiden.

Brink: Aber werfen wir noch mal einen Blick auf Irland: Die Troika besucht ja jetzt Dublin, was wird sie in Dublin suchen und was wird sie finden?

Belke: Ja, wenn man sich die Programme der Troika anschaut – und die Missionen gehen ja alle drei Monate auf Tournee –, dann wird gesucht die fiskalische Konsolidierung, also der Haushalt wird überprüft, vor allen Dingen die Finanzsektorreformen, weil Irland ja gerade daran krankte, dass wir eine Immobilienpreisblase hatten, die sich dann auf die Banken auswirkte. Man schaut, ob die ganze sogenannte Hebelwirkung bekämpft wird, dass sozusagen die Bilanzen der Finanzen, die Finanzhaushalte der Banken verringert werden, auf ein Normalmaß schrumpfen, und auf Strukturreform in Arbeitsmärkten und auch Wettbewerbsfähigkeit, ob da was getan wurde. Und da wird die Troika eigentlich ein gutes Urteil ausstellen können, die Finanzen sind wie gesagt on track, sie sind, das Budgetdefizit ist von 32 Prozent des BIPs mittlerweile auf zehn Prozent gesunken, da wird man ein bisschen noch meckern und deutlich darauf beharren, dass das noch weitergeht auf 8,5 Prozent, aber insgesamt wird die Troika ein positives Urteil fällen.

Brink: Ja, dann reibe ich mir aber jetzt schon ein bisschen die Augen: Warum sind die denn dann so in eine Schieflage geraten, wenn jetzt angeblich alles besser läuft?

Belke: Ja, die Schieflage hat andere Ursachen als in Portugal und Griechenland. Portugal und Griechenland haben über alle Maßen konsumiert, das haben die Iren nicht gemacht, sie haben vernünftig gespart. Sie haben unter der Immobilienpreisblase gelitten. Durch viel zu niedrige Zinsen der Europäischen Zentralbank, eine hohe Inflationsrate in Irland haben sie viel zu viel in den Sektor geleitet, sodass dann auch die Banken ihre ganzen Hypothekenkredite abschreiben mussten. Das ist eine andere Ursache und liegt nicht speziell in der Leistungsfähigkeit der dynamischen Volkswirtschaft, die die Iren ja aufweisen, begründet.

Brink: Also kann man das Beispiel Irland mit dem Griechenlands nicht vergleichen?

Belke: Das kann man überhaupt nicht. Wenn man mit Mitgliedern der Troika spricht, so wie ich das in den letzten Tagen auch getan habe, sieht man, dass das ein ganz anderer Fall ist. Wir haben im Bereich der anfallenden Schulden, der Bargelddefizite und auch der Verpflichtungen des Staates ganz andere Bedingungen in Griechenland als in Irland. In Irland ist es so, dass bis 2013 keine neuen Anleihen gegeben werden müssen, in Griechenland ist das in Höhe von 150 Milliarden der Fall. Wir haben institutionelle Unterschiede, sehr große, wir haben politische Verhältnisse wie Korruption, es gibt Untersuchungen, dass ein höheres Maß an Korruption die Wahrscheinlichkeit von Staatsbankrotten stark erhöht. Alles das ist anders in Griechenland als in Irland. Und ein letzter Punkt, den ich machen möchte, ist, dass die Umstrukturierung der irischen Volkswirtschaft schon längst unterwegs ist. Sie haben viel eher angefangen zu sparen, sie strukturieren um in Richtung Sparrate des privaten Sektors, in Richtung Exportorientierung, und das fehlt den Griechen ja auch und das können die Griechen auch nicht so schnell, weil sie eine Bevölkerungsstruktur haben, dass sie doch stärker und schneller alt werden als die irische Bevölkerung. Das bringt nicht viel Wachstum.

Brink: Also, was uns, also vor allen Dingen natürlich auch den deutschen Steuerzahler interessiert: Werden dann keine weiteren Unterstützungsmaßnahmen fällig?

Belke: Ich denke, bei Irland kann man davon ausgehen, dass es seinen Rettungsschirm loswerden kann, wenn es so weitergeht. Wir haben ein bisschen Wasser in den Wein zu gießen, wie ich gerade sagte, die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch, die Schulden sind auch nach wie vor um die 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Hier kann man aber zuversichtlich sein, weil das Budgetdefizit so stark nach unten geht und vielleicht in den positiven Bereich rutscht in den nächsten Jahren, sodass Irland sich selber befreien kann.

Brink: Eine ganz kurze Antwort noch, fassen wir zusammen: Irland ist gerettet, die Eurozone ist mit den Milliardentransfers de facto eine Transferunion geworden?

Belke: Ja, in Bezug auf Griechenland ist es das zweifelsohne. Ich rechne nicht mehr damit, dass man ohne den Schuldenschnitt auskommt, und die Märkte haben das bereits eingepreist, alle Zinskurven weisen darauf hin. Und bei den anderen Ländern – Italien, Spanien – handelt es sich vielleicht um Liquiditätskrisen, dass wir da Vertrauenskrisen haben. Und da denkt man ja schon darüber nach, den Stabilisierungsfonds EFSF zu hebeln, das heißt, seine Wirkungsmacht noch mal um ein Vielfaches zu vergrößern, sodass wir als Steuerzahler, als deutsche, eben durchaus vor dem Risiko stehen, nicht mehr bezahlen zu müssen, aber dass das Risiko, dass wir zahlen müssen, sich erhöht hat, und das über die Notenpresse.

Brink: Ansgar Belke, Professor für Makroökonomie an der Universität Duisburg-Essen, schönen Dank, Herr Professor Belke, für das Gespräch!

Belke: Ich bedanke mich auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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