Dirigent Lahav Shani debütiert beim RSB

Blind Date mit dem neuen Orchester

Der israelische Dirigent Lahav Shani beim Gustav Mahler Dirigentenwettbewerb mit den Bamberger Symphonikern in Bamberg
Lahav Shani gibt sein Debüt beim Rundfunksinfonie-Orchester Berlin. © dpa / picture alliance / Bamberger Symphoniker / Peter Eberts
Von Mascha Drost · 06.10.2015
Der Israeli Lahav Shani gilt als der Nachwuchsdirigent der Stunde - Kritik und Fachwelt feiern ihn gleichermaßen. Nun steht er erstmals am Pult des Rundfunksinfonie-Orchesters Berlin.
"Wenn man zum ersten Mal mit einem neuen Orchester arbeitet, ist das immer so wie ein Blind Date - man weiß nicht genau, wie es wird."
Blind Dates dieser Art hat Lahav Shani momentan viele - und sie verlaufen erfolgreich. Man will sich wiedersehen beziehungsweise die Orchestermusiker den jungen Dirigenten, der vor zwei Jahren Student der Berliner Hanns Eisler Hochschule war und jetzt weltberühmte Orchester leitet.
Die sogenannte Ochsentour, die junge Dirigenten normalerweise durch die musikalische Provinz und vielleicht einmal an größere Häuser führt, hat Lahav Shani nie machen müssen. Der Sieg beim Gustav-Mahler Wettbewerb reichte, um dem trotz seiner Jugend so ungeheuer natürlich und versiert musizierendem Studenten Eintritt zu Orchestern wie der Staatskapelle Berlin oder Los Angeles Philharmonic zu erhalten. Der Vorteil: Er arbeitet von Anfang an mit den besten Musikern. Der Nachteil: Dirigentische Erfahrung muss er da sammeln, wo die Luft dünn ist - einen Jugend-Bonus gibt es für den 26-Jährigen nicht.
"Man erwartet von mir genau das, was man von einem älteren Dirigenten erwartet. Nämlich, dass ich total 100 Prozent vorbereitet bin, schon zur ersten Probe muss ich genau wissen, was ich will, und wie es sein muss usw. Das ist natürlich ein großer Druck, manchmal, aber, Gott sein Dank, ich schaffe es noch, im Moment."
"Es hat mich niemand gelehrt am Anfang"
Geboren wurde Lahav Shani 1989 in Tel Aviv, beide Eltern sind Musiker, das Klavier zu Hause wird im Kleinkindalter intuitiv entdeckt.
"Ich habe es einfach gespielt. Es hat mich niemand gelehrt am Anfang, ich habe es irgendwie verstanden, ganz intuitiv. Ich habe Videos als ich drei oder vier bin, ich spiele im Kindergarten alle hebräischen Lieder, an Feiertagen und so."
Später hat sich eine Lehrerin des begabten Jungen angenommen, der im Laufe seiner Kindheit nicht nur Klavier spielte sondern auch Kontrabass. Das Orchester lernte er somit gleich von drei Seiten kennen: Als Klaviersolist und Dirigent davor, und als Musiker mittendrin. Ans Dirigentenpult zog in teils Neugier, teils der Wunsch, große Orchesterwerke nicht nur unter fremder Leitung zu spielen sondern sie selbst zu interpretieren.
Und eine bessere Schule als die eines Orchestermusikers kann es für einen Dirigenten eigentlich nicht geben, ist Lahav Shani überzeugt: Wie kommuniziert man mit 100 Musikern, wie geht man mit ihnen um, was sollte man vermeiden - manche Fehler musste er dadurch gar nicht erst machen.
Und wie war es, das erste Mal nicht in sondern vor einem Orchester zu stehen?
"Ein wunderbares Erlebnis, wirklich unvergesslich! Ich weiß nicht, ob es besonders gut war, schwer einzuschätzen, aber es war ein sehr gutes Gefühl, und ich wusste sofort, dass das der richtige Weg für mich ist."
Der Weg führte von Tel Aviv nach Berlin – auch nach seinem Studium ist die Stadt sein Wohnsitz geblieben. Hier hat er die Bekanntschaft eines der bedeutendsten Dirigenten gemacht, der mittlerweile so etwas wie ein Mentor geworden ist: Daniel Barenboim. Vor wenigen Wochen gab er seinen Platz an Lahav Shani ab – zwar nur für die letzte Zugabe am Ende eines Konzertes mit dem West-Eastern-Divan Orchestra, aber die Botschaft war deutlich. Eine der größten Dirigentenbegabungen nannte er ihn – und sprach seinen Namen für alle zum Merken und Mitschreiben überdeutlich aus.
Wenn Barenboim probiert, sitzt Lahav Shani im Zuschauerraum und lernt – durchs Zuschauen und Zuhören.
"Das Meiste, dass ich über das Dirigieren, über das Orchester weiß, habe ich davon gelernt. Durch das Live-Erlebnis wie man wirklich eine Probe macht, was kann man erreichen, wie kann man die Sachen verbessern. Wirklich die Partitur zu studieren, da habe ich viel viel von ihm gelernt."
In der nächsten Spielzeit sitzt er nicht mehr nur im Zuschauerraum, sondern im Orchestergraben der Berliner Staatsoper – nicht zum ersten Mal aber für gleich mehrere Vorstellungen hintereinander.
Die Intendanten der großen Häuser weltweit sind auf ihn aufmerksam geworden; aufgrund der ruhigen, selbstverständlichen Art seines Dirigats, der großen Souveränität im Umgang mit einem Orchester und nicht zuletzt natürlich wegen seiner ebenso durchdachten wie ausdrucksstarken Interpretationen.
Was sein Repertoire angeht, so hat sich Lahav Shani eine fast schon eine ideale Haltung zugelegt.
"Jedesmal was ich am Abend spiele, denke ich: Das ist mein Lieblingsstück! Das ist mein Lieblingskomponist, ich muss das Stück jetzt überall dirigieren – das ist das Schöne, das ist jedesmal!"
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