Diktator in den Anden

Von Gaby Weber · 22.08.2011
Am 22. August 1971 ergriff in Bolivien der deutschstämmige Hugo Banzer die Macht - zur Freude der USA, deren Bergwerke und Erdölgesellschaften in dem Andenland von Enteignung bedroht waren. Das State Departments hält viele Dokumente über den Putsch von 1971 nach wie vor unter Verschluss.
"Der Putsch begann am 19. August in Santa Cruz, im Tiefland. Ich war auf dem Kongress unserer Jugendorganisation in La Paz. Als wir die Nachricht erhielten, gingen wir sofort auf die Straße und verlangten Waffen. Die Militärs hatten alle wichtigen Stellungen eingenommen, ohne dass sie auf Widerstand gestoßen waren. Wir standen mit leeren Händen da, von den paar Flinten der Guerilla abgesehen. Deshalb konnten wir nur unsere Wut kundtun."

Erinnert sich der Historiker Carlos Soria, damals ein junger Kommunist, an den Staatsstreich und die Machtübernahme von General Hugo Banzer am 22. August 1971. Banzers Großvater war Ende des 19. Jahrhunderts aus Osnabrück eingewandert. Sein Enkel absolvierte die Militärschule in La Paz, dann die US-Kaderschmiede "School of the Americas", in der fast alle lateinamerikanischen Diktatoren gedrillt worden sind. Ende der 60er-Jahre ging er als Militärattaché nach Washington.

Seit der kubanischen Revolution sorgte man sich dort über den neuen Wind in Südamerika. In allen Ländern waren revolutionäre Bewegungen entstanden. Und nationalistische Regierungen wollten mit ihren Bodenschätzen diese Entwicklung finanzieren. So war in Bolivien 1970 Juan José Torres an die Regierung gelangt, sagt sein Sohn Juan Carlos:

"Mein Vater war der erste Politiker, der unsere Ölfelder verstaatlicht hat. In seinen Augen gehörten die strategischen Bodenschätze uns, ebenso die Bergwerke."

Torres nationalisierte die US-Erdölgesellschaft "Gulf Corporation", die "International Metal Processing Company" und die Minengesellschaft "Mathilde Corporation". Die Regierung in Washington fürchtete ein zweites Chile, wo der Sozialist Salvador Allende die US-Kupferminen verstaatlicht hatte. Auf ihren Druck hin erhielt La Paz von den internationalen Finanzorganisationen keine Kredite mehr, und auf dem Weltmarkt wurden bolivianisches Zinn und Zink boykottiert.

Nach dem Putsch im August 1971 verbot Banzer die Gewerkschaften, schränkte die bürgerlichen Freiheiten ein und ließ Widersacher ermorden. Torres wurde in seinem argentinischen Exil getötet.

Sieben Jahre lang hielt sich der deutschstämmige General an der Macht. Doch den Widerstand konnte er nicht brechen. Im Ausland wurden die Menschenrechtsverletzungen angeklagt, und auf Druck von US-Präsident Jimmy Carter musste Banzer 1978 Wahlen ausschreiben lassen. Die wurden derart gefälscht, dass er sie selbst für ungültig erklärte. Es folgte eine Regierung der anderen, das Land verfiel ins Chaos, und schließlich stellte sich Banzer wieder zur Wahl, legal, mit seiner ADN, der Demokratisch-Nationalistischen Aktion. Er wollte, als "starker Mann", mit Streiks und Drogenhandel aufräumen.

Im Juni 1997 siegte die ADN. Nun zogen auch diejenigen in die Regierung ein, die Banzer einst verfolgen ließ. Antonio Peredo, dessen Brüder schon in der Guerilla von Che Guevara gekämpft hatten, hatte zufällig die Witwe des ermordeten Generals Torres getroffen.

"Ich sprach Emma Torres auf den Pakt mit der ADN an. Emma sagte: 'Wir werden Banzer benutzen, um ein linkes fortschrittliches Projekt voranzutreiben'. Ich dachte, ich höre nicht richtig: Aber nach dem Wahlsieg wurde ihr Sohn Jorge Präsident des Wirtschaftsausschusses und damit Sprecher der neoliberalen Politik."

Banzer stellte sich jetzt als jovialer Landesvater vor. Er sei kein blutrünstiger Diktator gewesen, meinte er:

"Damals versanken die Länder Lateinamerikas im Chaos und der Anarchie. Die Torres-Regierung war nicht verfassungsmäßig, sie wollte unsere Streitkräfte durch die Guerilla, das Nationale Befreiungsheer, ersetzen. So war die Situation im Jahr 1971."

In seiner zweiten Amtszeit, diesmal als verfassungsmäßiger Präsident, setzte Banzer ein rigides Sparprogramm durch. Auf US-Druck brannte er Koka-Felder ab und Zehntausende stürzten in die Armut. Die Weltbank machte frische Kredite von der Privatisierung des Trinkwassers abhängig. Die Bevölkerung in Cochabamba stieg auf die Barrikaden, die Polizei erschoss mehrere Demonstranten und Banzer rief den Notstand aus. Doch die Privatisierung musste er rückgängig machen.

2002 starb er in Santa Cruz an Lungenkrebs. Das State Departments hält viele Dokumente über die Unterstützung des Putsches von 1971 nach wie vor unter Verschluss.
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