Digitale Welt

Analog ist die gesündere Lebensweise

Eine grüne Kassette aus den 1970er-Jahren liegt auf einem Terrazzo-Steinboden.
Die Kassette ist nicht nur ein günstiges Medium, sondern steht in der heutigen digitalbeeinflussten Zeit für eine analoge Lo-Fi-Ästhetik. © dpa - picture alliance / Maximilian Schönherr
Von Vera Linß · 18.03.2015
Wie hat das digitale Zeitalter unser Leben und Denken verändert? Was wird passieren, wenn die Entwicklung ungebremst voranschreitet? Der Autor Andre Wilkens entwirft in seinem Buch "Analog ist das neue Bio" Zukunftszenarien der digitalen Welt.
Los gehen, anschauen, ausleihen. Und nicht mal eben "on demand" einen Video runterladen. Warum machen das viele Menschen immer noch gerne? Warum funktionieren Videotheken, auch die, die sich spezialisieren, fragte sich Andre Wilkens. Eigentlich dürfte es solche "Videotheken nicht geben. Aber es gibt sie, weil die Digitalisierung der Gesellschaft nach einer Alternative suche, so der Politikwissenschaftler. Als Gegenwehr. Das Analoge stehe für eine selbstbestimmte Lebensqualität und Kultur. So wie die Bio-Bewegung eben.
"Analog ist das neue Bio" heißt dann auch sein Buch. Es ist eine Art Grundkurs über die Schattenseiten der Digitalisierung. Das Bestreben, mit Smartphones, digitalen Gadgets und Sozialen Netzwerken die Welt zu verbessern, sei mit erheblichen Risiken für die Gesellschaft verbunden, so der Autor. Vom NSA-Skandal bis hin zur drohenden Verblödung durch übermäßige Computernutzung dekliniert Andre Wilkens alle hinlänglich diskutierten Gefahren durch. Auch wenn sich das unterhaltsam liest, wahrlich neu ist es nicht, zumal der griffige Buchtitel kaum durch Fakten belegt wird.
Das Buch bleibt unnötig flach
Stattdessen geht es darum, wie wichtig es wäre, dass der Trend zum Analogen entstünde. Denn durch das Internet würden Dinge verloren gehen, "die uns als Mensch ausmachen". Physische Orte, an denen man sich treffen kann, Briefe, die mit der Hand geschrieben werden, ein gutes Essen unter Freunden, der Buchladen um die Ecke, aber auch der Schutz der eigenen Daten. All das steht im Sinne des Autors für das "Analoge" und sei nur zu retten, indem man es in einer neuen Nische etabliere – so, wie in den 1970er-Jahren die Biobewegung alte Produktionsweisen wiederentdeckt habe.
Detaillierter erklärt Andre Wilkens seine Idee nicht, dafür hat er jede Menge Tipps parat, wie man sich der Allgegenwärtigkeit des Digitalen entziehen könnte: das Smartphone ausschalten, mit Bargeld bezahlen oder Fotos in ein Album kleben. Aber reicht das, um einen Gegentrend auszurufen? Nein, reicht es nicht! "Digital macht abhängig. Analog unabhängig", schreibt Wilkens. Ebenso falsch ist seine Aussage, man könne "ja auch analog posten, searchen, twittern", kann man eben nicht.
Andre Wilkens übt also primär Gesellschaftskritik, er formuliert ein Unbehagen, das er mit vielen, vor allem älteren Menschen teilt. Mehr aber auch nicht. Das ist schade, denn tatsächlich bedarf es einer gesellschaftlichen Debatte darüber, was und in welchem Masse sich der Mensch von (digitaler) Technik abnehmen lassen darf. Das Buch bleibt damit unnötig flach. Um zu überzeugen, hätte Andre Wilkens tiefer gehenn müssen, anstatt sich an einer unausgegorenen These festzubeißen. Schade!

Andre Wilkens: Analog ist das neue Bio.
Eine Navigationshilfe durch unsere digitale Welt

Metrolit Verlag, Berlin 2015
220 Seiten, 18 Euro

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