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Herz ohne Schnauze

Ein Taxifahrer hält einen Moment inne und lehnt sich gegen sein Taxi am Checkpoint Charlie in Berlin.
Ein Taxifahrer hält einen Moment inne und lehnt sich gegen sein Taxi am Checkpoint Charlie in Berlin. © picture alliance / Wolfram Steinberg
Von Anja Nehls  · 28.05.2014
Die Konkurrenz für Taxibetriebe wird ständig größer, günstige Mietautos und Carsharing-Angebote locken die Kunden an. Deshalb schult der Berliner Taxiverband seine Fahrer jetzt in Sachen Freundlichkeit und Qualität.
Adnan Kilic sitzt hinter dem Steuer seines beige farbenen Mercedes Vito und fährt heute mal nicht zum Taxihaltestand.
"So, einen wunderschönen Guten Morgen allerseits."
Im Schulungsraum des Taxiverbandes Berlin Brandenburg sitzen 15 gestandene Berliner Taxifahrer, die meisten seit vielen Jahren im Beruf. Adnan Kilic stammt aus der Türkei, hat eigentlich KFZ Mechaniker gelernt und fährt seit sieben Jahren Taxi. Nun will er Premium Taxifahrer werden und mit einem VIP Aufkleber für die Windschutzscheibe für sich werben. Zwei Tage Seminar plus Prüfung für 40 Euro.
"Warum sind wir hier, weil alle gesagt haben, Premium ist besser, wir kriegen mehr Aufträge, stimmt aber nicht."
Das hat Adnan Kilic von denen gehört, die den Kurs schon hinter sich haben, das sind 700 von knapp 8000 Berliner Taxifahrern. Probieren will er es trotzdem, denn das Gewerbe ist schwer angekratzt: Mies gelaunte Fahrer, betrügerische Abrechnungen und - ganz wichtig - die Konkurrenz: Carsharing Angebote, Mietwagenfirmen und Limousinenservice. Dozent Martin Benecke steht in seriöser schwarzer Stoffhose und gebügeltem roten Hemd vor den 15 Kutschern, die meisten tragen Jeans und Kapuzenpulli. Die richtige Mischung zwischen Lockerheit und Autorität ist jetzt gefragt. Benecke zeigt auf einen Kreis in der Mitte einer Overhead-Folie:
"Das Zentrum all unserer Bemühungen: der Fahrgast. Es gibt ein gutes altes Sprichwort, der Kunde ist König - zustimmendes Gemurmel."
Im Vordergrund: der Dienstleistungsgedanke
Es geht um Taxigesetze und Verkehrsrecht, Steuern und Taxameter und vor allem um den Dienstleistungsgedanken. Der Fahrgast soll besser gelaunt aussteigen, als er eingestiegen ist.
"Und wie schaffts Du das? Na ich rede mit ihm, erzähl Witze, erzähl von der Stadt."
Adnan Kilic hat kurze Haare und ein offenes freundliches Gesicht. Vertrauenerweckend. Manchmal nennt er sein Taxi deshalb auch Beichtstuhl. Nach 7 Jahren Taxifahren weiß er genau, ob ein Fahrgast reden will oder nicht. Aber welche Antwort gibt man, wenn ein Fahrgast fragt: Na, wie läuft denn das Geschäft so?
"Ist er denn an einer ernsthaften Antwort überhaupt interessiert? Nein. Das ist eine rhetorische Frage. Er möchte einfach nur Kontakt aufnehmen. Genau. Dann sagt man, ich habe gerade erst angefangen oder, och, Sie sind mein erster Fahrgast heute, jetzt kann's ja nur gut werden, oder irgendwie sowas ja."
Eine womöglich volle Brieftasche sollte man weder erwähnen noch zeigen. Sicherheit geht vor. Die Fahrer nicken und so mancher kennt auch schon den nächsten Trick - immer dann anzuwenden, wenn König Kunde es extrem eilig haben sollte:
"Dann können wir durch geschicktes Betätigen des Gaspedals und des Bremspedals durchaus den Eindruck von Schnelligkeit vermitteln, ohne es wirklich zu machen. Damit der das Gefühl hat, oh, der strengt sich wirklich an, toll, super. Man muss es nicht wirklich machen, man soll es auch nicht machen, wir dürfen es auch nicht tun. Das ist Quatsch. Wir brauchen unseren P-Schein, wir brauchen den Führerschein, wir können uns keine Punkte leisten."
Es geht um Navis und Duftbäumchen
Danach geht es ums Trinkgeld, um Sauberkeit im Taxi, um eine ordentliche Kleidung des Fahrers, das Für und Wider eines Navis und den penetranten Gestank von Duftbäumchen. Beim abschließenden Test hat Adnan Kilic einen Punkt zu wenig und kriegt keine VIP Plakette, weil er sich beim korrekten Steuersatz geirrt hat. Er befindet sich in guter Gesellschaft. jeder fünfte Taxifahrer schafft die Prüfung nicht. Lächerlich, findet Kilic, denn für einen Premium Fahrer sind seiner Meinung nach ganz andere Dinge wichtig:
"Was gehört noch zum VIP dazu, die Sprache, zu 100 Prozent. Eine Fremdsprache muss sein."
Er selber spricht außer Türkisch noch Englisch. Den Test will er später nochmal machen, vorerst pfeift er auf den Aufkleber. Er muss erstmal Geld verdienen.
Am nächsten Tag, später Vormittag. Seit 20 Minuten steht Adnan Kilic am Taxistand in Charlottenburg. Noch kein einziger Auftrag. Das Auto ist blitzsauber, Kilic trägt frisch gewaschene Jeans und Pulli und sein Gute- Laune-Gesicht.
"Sybelstraße, ist ein Kind dabei. Gibst du ein, dann sagt dir dein Navi, ab geht die wilde Luzie."
Der erste Job für heute. Drei Minuten später hält der beigefarbenen Mercedes Vito vor einem Altbau um die Ecke. Oma, Mutter und Kind warten.
"Sie muss ans Fenster, sonst weint sie. Ja sie ist direkt am Fenster. Bitte junge Dame. Du bist ja richtig cool hey, du heulst ja gar nicht, haha, das gibt's gar nicht. "
Viel Mühe, wenig Trinkgeld
Die kleine Thalia sitzt angeschnallt im Kindersitz. Ein Blick nach hinten, Kilic lächelt freundlich:
"Sie würden wohin fahren. Ins Krankenhaus Neukölln."
Selbstverständlich auf dem Weg, den die junge Frau am liebsten hat, dem schnellsten über die Stadtautobahn. Klilic merkt sofort: Diese Kunden kennen sich aus:
"Das ist wie bei den Taxifahrern, ich bin zum Beispiel einer der Besten."
"Ja das war mir klar, als ich eingestiegen bin."
Das Eis ist gebrochen. Diese Fahrgäste werden dem Taxigewerbe wohl erhalten bleiben. Als Vielnutzer wissen Mutter und Oma was Kunden mögen - und was nicht.
"Es gab einen der hat so ein ganz penetrantes After Shave mal gehabt. Als ich schwanger war mit meiner Tochter, dachte ich, ich muss brechen, weil man da so empfindlich ist für Gerüche. Ach es war natürlich jeder unterschiedlich, aber unfreundlich in dem Sinn war keiner, nein. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die haben es in sich, höflich zu sein, die brauchen die Schulung nicht. Und die die launenabhängig ihre Arbeit machen. Da ist Hopfen und Malz verloren."
"So, die Damen, sind ja alles Damen im Wagen, bitteschön, wollen Sie zahlen."
"Ja gerne."
"26,80 bitte."
"Machen wir 28."
Naja, bei der Mühe hätte das Trinkgeld ruhig etwas üppiger ausfallen können. Kilic wuchtet dennoch den Kinderwagen aus dem Kofferraum - auch ohne VIP Aufkleber an der Windschutzscheibe.
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