Die Weltwirtschaft in der Zwickmühle

24.03.2011
Freier Welthandel und unbegrenzte Mobilität von Kapital und Arbeit sind mit unseren Vorstellungen von Demokratie und Nationalstaat nicht vereinbar. Zu dieser Einsicht kommt der Harvard-Ökonom Dani Rodrik. Vor der Finanzkrise gehörte er noch zu den eindeutigen Befürwortern der Globalisierung.
Ökonomen, die an den Segnungen der Globalisierung zweifeln, hatten einen schweren Stand in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Sie wurden als Außenseiter abgetan oder gar als linke Spinner. Dieses Urteil hat sich seit der Finanzkrise geändert. Auch der bekannte US-Ökonom Dani Rodrik gesteht auf den ersten Seiten seines neuen Buches, er habe die Rolle der internationalen Finanzmärkte falsch eingeschätzt.

Lange ging der Harvard-Professor davon aus, dass der ungehinderte Kapitalfluss rund um den Globus den Unternehmern helfen würde, Geld für Investitionen aufzutreiben und das entsprechende Risiko an "gewiefte Investoren" abzutreten. Nach dem weltweiten Finanzkollaps im Jahr 2008 kommt er nun zu dem Schluss: "Die finanzielle Globalisierung führte unter dem Strich zu mehr Instabilität als zu mehr Investitionen und höheren Wachstumsraten." In vielen Ländern habe sie die Ungleichheit und Unsicherheit vertieft, anstatt wie versprochen den Wohlstand aller Menschen zu mehren.

Damit bekennt sich Rodrik eindeutig zu seinem Irrtum. Das macht ihn glaubwürdig. Zumal er weiterhin die Vorteile betont, die Globalisierung bringen kann, wenn sie bestimmten Spielregeln unterworfen wird. Vor allem sucht er einen Ausweg aus dem Dilemma, dass Finanzinvestoren ihr Kapital per Knopfdruck in Sekundenschnelle um den Globus schicken, während ihre Aufseher in der Regel an nationalen Grenzen Halt machen.

Eine einfache Lösung hat er nicht zu bieten. Dafür aber eine klare Analyse, die ihm als Entscheidungshilfe dient. Rodrik sieht die Weltwirtschaft in einer politischen Zwickmühle: Freier Handel und unbegrenzte Mobilität von Kapital und Arbeit sind mit unseren Vorstellungen von Demokratie und Nationalstaat nicht vereinbar. Diesen Widerspruch bezeichnet er als Globalisierungsparadox und kommt zu dem Schluss, dass eines auf der Strecke bleiben muss: entweder die Demokratie, der Nationalstaat oder die Weltwirtschaft.

Rodrik plädiert dafür, dass die Globalisierung hinten an steht. Jedes Land müsse die Chance auf einen eigenen Entwicklungsweg haben. Es soll sich entscheiden können für eine selbst gewählte Kombination von Marktöffnung, Produkt-, Arbeitsstandards und sozialem Netz. Die Freiheit der Investoren zählt für ihn weniger als das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Nationen.

Globalisierungskritiker finden in diesem Buch nicht viel Neues. Es richtet sich vielmehr an jene, deren Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes durch die Finanzkrise erschüttert wurde. Sie finden zahlreiche Fakten und Argumente, die ihre Verunsicherung zur Gewissheit werden lässt.

Besprochen von Uli Müller

Dani Rodrik: Das Globalisierungsparadox - Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft
Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber
Verlag C. H. Beck, München 2011
416 Seiten, 24,95 Euro