Die Wellen schlagen hoch

Von Matthias Günther und Almuth Knigge · 28.03.2008
Eine Brücke über die Ostsee von Deutschland nach Dänemark und eine Erdölpipeline von Russland nach Deutschland - sie sind immer mal wieder Tagesthema in den beiden betroffenen Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern.
Die Fehmarnbeltbrücke
Von Matthias Günther

Eine Brücke über die Ostsee von Deutschland nach Dänemark bringt nach Ansicht der Befürworter große wirtschaftliche Vorteile: die Boom-Region Kopenhagen/Malmö rückt mit den Großräumen Hamburg und Berlin zusammen, Skandinavien und Südeuropa werden besser miteinander verbunden. Vor allem Dänemark hat sich für den Bau einer Straßen- und Eisenbahnbrücke über den 19 Kilometer breiten Fehmarnbelt stark gemacht und will das wirtschaftliche Risiko des mautfinanzierten Projekts allein tragen. Einzelheiten des Vertrages werden derzeit zwischen Berlin und Kopenhagen ausgehandelt. Gegner sind vor allem Naturschützer und die Bewohner Insel Fehmarn. Ihr Protest geht weiter – aber falls die Brücke gebaut wird, wollen die Fehmaraner wenigstens für Verluste im Tourismus entschädigt werden.

Die Fehmaraner kennen die Diskussion seit 15 Jahren. Fast jeder hier hat eine Meinung zum Bau einer Brücke über den Fehmarnbelt nach Dänemark:

Umfrage: "Es geht ja viel kaputt. Auch mit den Fischen und mit allem drum und dran. Das muss nicht sein."
"Weniger Touristen würden kommen, weil das würde hier zehn Jahre lang `ne Baustelle sein. Arbeitsplätze würden weggehen von den Fähren – die würden ja nicht mehr fahren."
"Es ist ja nicht nur die 600 Leute, die dann wegbrechen, sondern multiplizieren Sie das ruhig mal mal drei – nehmen Sie `ne dreiköpfige Familie – dann haben Sie 1800 Leute, deren Kaufkraft hier vor Ort auch fehlen wird."

Nach einer Umfrage lehnen 80 Prozent der Inselbewohner den Brückenbau ab. Zum einen bangen die Beschäftigten der Reederei Scandlines, die die Fähren zwischen Puttgarden und Rödby betreibt, um ihre Arbeitsplätze. Bernd Friedrichs vom Betriebsrat:

"Wir hätten auch gern gewusst, wo denn die 610 Arbeitsplätze dann bleiben hier in der Region. Wir haben über 110 Nautiker, wo die bleiben, 200 Leute in der Verwaltung. Da möge mir bitte mal jemand sagen von den Herren, wo denn diese Arbeitsplätze in Zukunft bleiben. Das hat mir bisher noch niemand gesagt!"

Zum anderen fürchten die Fehmaraner einen Einbruch im Tourismusgeschäft – zumindest während der Bauphase, wenn die Brückenpfeiler in den Ostseegrund gesetzt werden. Und nicht nur Fehmarn wäre betroffen, meint Claus-Hinrich Stiehr vom Inselnaturschutzring:

"Wir haben 80 Prozent West- bis Nordwest-Wind. Das heißt also, die entstehenden Verschmutzungen durch Bohren in diesem Trust, in den Ton-Untergründen, wird dazu führen, dass die gesamte Lübecker Bucht im Prinzip durch dieses Bauvorhaben zehn Jahre lang betroffen sein wird."

Der Bürgermeister von Fehmarn, Otto-Uwe Schmiedt, weist daraufhin, dass fast jede Familie auf der Insel vom Tourismus lebt:

"Das wird fast ein Jahrzehnt dauern. Dann sind wir hier Baustelle in einer wirklich touristisch geprägten Ferienregion. Wir sind auf jeden Kilometer sauberen Strandes, wir sind auf sauberes Wasser angewiesen. Wenn die Buchungen zurückgehen – und wir haben eine Wertschöpfung im Tourismus von ca. 330 Millionen Euro pro Jahr, das muss man sich mal vorstellen – und wenn das dann einbricht um 20, 25, 30 Prozent, dann ist das Geld, die Kaufkraft auf der Insel nicht da."

Ein breites Bündnis von Parteien, Vereinen, Gewerkschaften sowie Umwelt- und Tourismusorganisationen auf Fehmarn hat immer wieder gegen den Bau einer Fehmarnbeltbrücke protestiert. Jetzt wartet man ab – und hofft, dass die Verhandlungen zwischen den Regierungen in Berlin und Kopenhagen noch scheitern. Nur der Naturschutzbund hat noch einmal nachgelegt und eine eigene Studie über den Nutzen der Brücke im Vergleich zum bestehenden Fährbetrieb vorgelegt. Gutachter Karl-Heinz Rößler:

"Es wurde nicht berücksichtigt, dass auf dieser Route die Lkw-Fahrer und die Busfahrer gesetzliche Ruhepausen einlegen müssen. Auch die Pkw-Fernreisenden wollen ihre lange Fahrt zwischen Kopenhagen und Hamburg oder zwischen Stockholm und dem Mittelmeer gerne einmal unterbrechen. Heute ist die Fahrt mit der Fähre eine willkommene Ruhepause. 45 Minuten Fährzeit – das ist genau die gesetzliche Ruhezeit, die die Lkw-Fahrer machen müssen. Fazit: die Pkw-, Lkw- und Omnibus-Zahlen sind dadurch überschätzt, weil ein zu großer Fahrzeit-Gewinn durch die Brücke zugrunde gelegt wird."

Statt der von den Brückenplanern vorhergesagten 8000 würden nur 5000 Fahrzeuge am Tag die Brücke über den Fehmarnbelt passieren, so die Studie des Naturschutzbundes. Die Befürworter des Brückenbaus bezweifeln das Ergebnis der Studie. Bernd Rohwer, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein, weist darauf hin, dass schon bei dem jetzigen Fährbetrieb 6200 Fahrzeuge täglich den Fehmarnbelt passieren:

"Ich denke, das jüngste Nabu-Gutachten ist nicht sehr seriös gemacht. Wie kann man für das Jahr 2020, also kurz nach Eröffnung einer Fehmarnbelt-Querung, einen Verkehrswert von gut 5000 Fahrzeugen pro Tag prognostizieren, wenn der Ist-Wert für diese Fahrzeuge 2007 schon bei 6200 liegt! Das scheint mir überhaupt nicht plausibel zu sein."

Der Geschäftsführer des Naturschutzbundes Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski, vertraut aber der neuen Studie, die außerdem davon ausgeht, dass die Brücke nicht wie offiziell veranschlagt 5,6 sondern 9 oder 10 Milliarden Euro kosten wird. Dass Dänemark das wirtschaftliche Risiko allein tragen wolle, sei kein Grund, die Augen davor zu verschließen, dass hier ein unsinniges Projekt geplant werde, meint Ludwichowski:

"Für uns ist ein Ergebnis dieser Studie eben auch, dass man bei so wenig Nutzen, die so ein Bauwerk bringt, sich letztendlich für den Schutz der Ostsee, für den Umweltschutz allgemein aussprechen muss und sagen muss: wir brauchen dieses Projekt nicht."

Der Bau einer Fehmarnbeltbrücke hat aus Sicht der Naturschützer gravierende Nachteile für die Umwelt: durch die vielen Brückenpfeiler werde der Vogelzug gefährdet und der für die Ostsee wichtige Wasseraustausch mit der Nordsee beeinträchtigt. Außerdem erhöhten die Brückenpfeiler das Risiko von Schiffskollisionen:

"Jedes Bauwerk, das in den Verkehrsraum gebaut wird, erhöht das Risiko von Kollisionen – zum einen mit dem Bauwerk selbst, aber auch, dass die Schiffe untereinander kollidieren könnten. Und wir gehen davon aus, dass gerade weil wir dort auch einen starken Tanker-Verkehr haben, das Risiko für eine Ölpest sehr deutlich ansteigen wird, würde man so ein Vorhaben realisieren."

Bernd Rohwer von der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein weist das zurück:

"Der Bauentwurf für die Fehmarnbeltbrücke sieht drei Öffnungen in der Mitte vor. Die mittlere wird für den Seeschiffsverkehr überhaupt nicht genutzt, sodass zwischen den beiden Fahrrinnen unter der Brücke ein erheblicher Puffer besteht, der dann auch als Sicherheitsabstand betrachtet werden kann."

Eine neue Variante in der Diskussion um den Fehmarnbelt haben norwegische Reeder ins Spiel gebracht. Sie wollen neben dem Fährhafen Puttgarden einen eigenen Hafen bauen und der Reederei Scandlines Konkurrenz machen. Befürworter der Brücke werten das als Beleg für den zunehmenden Verkehr auf der Vogelfluglinie. Gegner, die ohnehin für eine Ausweitung des Fährverkehrs eintreten, um die Brücke überflüssig zu machen, reagierten mit dem Argument: bei zwei Reedereien brauche man erst recht keine Brücke. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann hält dem entgegen:

"Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Fähre immer langsamer ist als die Straße und die Schiene, und Sie können bei der Schiene in kürzester Zeit von Hamburg nach Kopenhagen. Es ist ein enormer Zeitgewinn. Es ist, wenn der Verkehr sich umorientiert von der Jütland-Verbindung über die Fehmarnbelt-Querung, eine Einsparung von 150 bis 160 Kilometern Fahrstrecke. Jeder kann sich ausrechnen, wie viel CO2 ein Lkw auf dieser Strecke ausstößt. Deshalb gibt es also neben den wirtschaftlichen auch ökologische Gründe, die für die feste Querung sprechen – abgesehen davon, dass es natürlich ein gewaltiger wirtschaftlicher Impuls ist, weil parallel zur Strecke sich Gewerbegebiete auftun werden und viele neue Arbeitsplätze und Betriebe entstehen werden."

Neue Arbeitsplätze für Schleswig-Holstein – das ist auch für Bernd Rohwer von der Industrie- und Handelskammer das wichtigste Argument für die Brücke.

"Ostholstein, Lübeck würde die guten Zuganbindungen, die wir künftig bekommen, niemals kriegen ohne eine feste Fehmarnbelt-Querung. Wir erreichen, dass die Unternehmen, die sich in dieser Region ansiedeln, sehr viel schneller in die Öresund-Region kommen, eine Wachstumsregion, mit der wir zunehmend auch zusammenarbeiten wollen, wo auch Absatz-Potenziale und Technologiekooperations-Potenziale sind. Und wir erwarten übrigens auch positive Effekte für den Tourismus, und zwar für den Tourismus aus Norden her kommend – dänische Touristen, schwedische Touristen, die nach Schleswig-Holstein, nach Fehmarn wollen."

Fehmarns Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt glaubt, dass die Arbeitsplätze woanders entstehen werden – jedenfalls nicht auf Fehmarn:

"Es ist uns hier konkret noch kein einziger Arbeitsplatz in der Region versprochen worden. Es ist nur analysiert worden, dass mit mehr Verkehr, mit mehr Verkehrsaufkommen die Möglichkeit besteht, Arbeitsplätze ansiedeln zu können. Da bin ich sehr, sehr skeptisch, weil wir doch Randregion sind und mit der Brücke weiter zu einer Transitstrecke verkommen, sag ich mal ganz hart, weil die Verkehre dann in interessante Zentren gehen, die verkehrsmäßig dann dichter an den Großräumen dranliegen."

Für den Bürgermeister steht nicht mehr der Protest gegen den Brückenbau im Vordergrund. Er konzentriert sich jetzt darauf, die Forderung durchzusetzen, dass Fehmarn für alle Nachteile durch das Großprojekt finanziell entschädigt wird:

"Dieses Großprojekt darf die Insel nicht zerhacken in der Mitte, sondern Radwegeverbindungen, Landesstraßen, Landstraßen, Gemeindestraßen müssen weiter vernünftig funktionieren. Und das zweite wäre, dass wir dann auch einen Ausgleichsfonds machen für diese wirtschaftlichen Einbußen – in welcher Form sie auch immer anfallen. Und da hab ich auch ganz klar gesagt: Wenn sie nicht anfallen, wenn das Geschäft hier so weiter läuft, der Tourismus vernünftig weiter läuft trotz Baustelle, dann will ich auch keinen müden Cent haben vom Land oder vom Bund oder vom Bauträger, das ist mir dann egal. Aber wenn Einbußen da sind, die nachgewiesen werden, vernünftig nachgewiesen werden, dann muss ne Ausgleichsfunktion da sein. Darauf werde ich pochen."

Einen entsprechenden Forderungskatalog hat Bürgermeister Schmiedt an die Regierungen in Kiel, Berlin und Kopenhagen geschickt.


Die Erdgaspipeline
Von Almuth Knigge

Die Erdgaspipeline von Russland nach Deutschland taucht ab und an in den Medien auf, zum Beispiel wenn Anrainerstaaten protestieren und auf Gefahren hinweisen. Oder wenn sich Bundeskanzlerin Merkel, wie bei ihrem jüngsten Moskau-Besuch, für das Projekt ausspricht. Doch die Erdgasleitung durch die Ostsee ist auch und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern ein Thema.

Bundeskanzler Schröder: "Deutschland sichert in direkter Partnerschaft mit Russland große Teile seiner Energieversorgung auf Jahrzehnte."

Als Bundeskanzler schaute er den Energieriesen Gazprom, E.ON und Wintershall bei der Vertragsunterzeichnung über die Schulter, ein Jahr später besuchte Gerhard Schröder als Aufsichtsratchef der Betreiberfirma die Baustelle in Lubmin auf dem Gelände der Energiewerke Nord. Noch ist nichts zu sehen – EWN-Chef Dieter Ritscher bemüht die Phantasie des Besuchers.

"Es ist im Endeffekt so, hier soll sie anlanden, wenn sie direkt rübergucken, das ist der Greifswalder Bodden."

Die Fotografen folgen der Armbewegung des Strommanagers – der Blick schweift über flache See und Vogelschutzgebiet – als es noch keine Energieprobleme, gab war dieser Blick romantisches Seemotiv für Maler wie Caspar-David-Friedrich.

"Es hat auch Klagen in Brüssel gegeben, weil hier ist Vogelschutzgebiet. Das haben wir jetzt überstanden. Diese Fläche ist vorgesehen für die Anlandestation: Es kommen ja nicht nur zwei Leitungen an, es gehen auch mindestens zwei Leitungen weg, und die EON plant noch eine dritte Leitung Richtung Stettin."

Baubeginn soll Frühjahr 2008 sein, also jetzt – das erste Gas soll 2010 strömen. 2006 ist der Blick auf die Naturlandschaft immer noch romantisch, doch mit der Industriebrache auf dem Gelände des ehemaligen KKW im Rücken wird Gerhard Schröder wieder staatsmännisch.

Schröder: "Ich hoffe, ich kann einen positiven Beitrag leisten und damit auch ein bisschen was tun für eine Region die mir auch am Herzen liegt."

Zwei Jahre später – wieder ein Fototermin, ohne Schröder, diesmal in Mukran, dem Industriehafen auf der Insel Rügen. Nach vielen widersprüchlichen Meldungen über die Pipeline will die Trassenbaufirma Nordstream Optimismus vermitteln. Im Hafen wird schon "Gas" gegeben. Hier sollen zukünftig die Rohre beschichtet, auf Schiffe verladen, verschifft und dann verlegt werden, erklärt der Nordstream Logistik-Chef Ludwig von Müller.

"Das Gewicht der Rohre, also das reine Stahlgewicht, ist um die zehn Tonnen, da wir aber Gas durch diese Rohre fördern, müssen die Rohre zusätzlich beschwert werden damit sie stabil am Meeresgrund bleiben und es kommen ungefähr noch einmal zehn Tonnen dazu, es variiert etwas aber ungefähr verdoppeln wir das Gewicht durch die Beschichtung."
Imposante Zahlen, imposante Präsentationen. Trotzdem die Frage nach der Realisierung des rund fünf Milliarden Euro-Projektes – es gibt noch keine Genehmigung, Vor allem Schweden mauert. Immerhin laufen 500 km der ca. 1200 km langen Trasse durch die schwedische Wirtschaftszone.

Müller: "Die Vorgespräche laufen ja schon seit 1,5 bis 2 Jahren und es ist äh ... ,Projekte dieser Art, wenn man das mal verfolgt sind im Genehmigungsverfahren immer etwas schwieriger als ein Haus irgendwo zu bauen, also man darf da auch nicht so nervös werden zum Schluss hat so ne Pipeline, es gib ja auch ne internationale Gesetzgebung, sie hat ein Wegerecht und man muss den Nachweis führen ne sichere Pipeline zu machen und das die Umweltschutzauflagen eingehalten werden."

Und die sind nicht ohne. Auf dem Grund der Ostsee befinden sich mehrere Hunderttausend Tonnen Granaten, Bomben und chemische Munition aus beiden Weltkriegen. Besonders gefährlich sind die Phosphorbomben, da angespültes oder aufgefischtes Phosphor an der trockenen Luft in Flammen aufgeht. Laut Nord Stream verläuft die geplante Pipeline jedoch weitab von bekannten Munitionsfeldern. Trotzdem muss nachgebessert werden. Dass das Vorhaben aber doch noch scheitern könnte, daran glaubt keiner, zumindest nicht in Deutschland.

"Die Sicherheit, dass es kommt, haben wir insofern demonstriert, dass wir die Rohre für die erste Leitung schon bestellt haben, die ersten Rohre kommen im Mai in Mukran an und werden eingelagert, wir haben den Letter of Intent mit der Seipem, dem Verleger der Leitung abgeschlossen und werden bis Mitte des Jahres auch hier weiterkommen vertragsmäßig, so dass sie aus dieser Sache erkennen können, dass wir sehr sicher sind."

Durch Mecklenburg-Vorpommersches Seegebiet laufen nur rund 70 Km – aber die sind strategisch wichtig. Schließlich sollen im Nordosten die Trassen anlanden, über Land weitergeführt und dann ins europäische Netz eingespeist werden. Mehr als 100 Mitarbeiter im Wirtschafts- und Verkehrsministerium sind für Raumordnung und Planfeststellungsverfahren zuständig, koordiniert von Dr. Arnold Fuchs.

"Dieses Vorhaben dort ist von einer überregionalen strategischen Bedeutung, es ist auch von der EU-Kommission Bestandteil des sogenannten Tent-Netzes, des europäischen Netzes für die Erdgasversorgung geworden, das betrifft insbesondere die beiden Stränge, die durch Mecklenburg-Vorpommern gehen OPAL und NEL, die nach Westen gerichtete geht ja bis Großbritannien und die nach Süden gerichtete kann man quasi sich dann bis Italien vorstellen, und aufgrund dieses Stellenwertes, dieser strategischen Bedeutung denke ich schon, dass alle Beteiligten sehr engagiert arbeiten werden und Interesse haben, dass die Dinge zum Erfolg geführt werden."

Das Störfeuer aus den Anrainerstaaten verunsichert ihn nicht.

"Das sind über 50 Milliarden Kubikmeter, die durch die beiden Leitungen dann durchgehen, die ankommen in Lubmin, pro Jahr - und da sieht man, das ist ein Zehntel des europäischen Gasbedarfes und da sieht man diese Dimension, die dahintersteht, und was wir natürlich auch im Bewusstsein haben, um verantwortlich die Genehmigungsverfahren durchzuführen."

Auch die rot-schwarze Landesregierung ist sich, im Gegensatz zu vielen anderen Fragen, erstaunlich einig, was das Projekt Pipeline angeht. Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD, Gottfried Timm, hat keine Bedenken.

"Wir haben uns lange mit diesen Fragen beschäftigt, wir wollen, dass die Gasleitung aus Russland in Greifswald ankommt, auch deswegen um die Wertschöpfungskette von dort aufzubauen, das heißt, gut bezahlte Arbeitskräfte zu schaffen und die Energieversorgung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern, aber natürlich sehen wir auch dass die ökologischen Fragen beantwortet werden müssen, die können aber auch beantwortet werden."

Allein die Linke, die seit zwei Jahren wieder in der Opposition ist, meldet leichte Bedenken an. Prof. Wolfgang Methling war jahrelang Umweltminister in Schwerin.

"Wir glauben, dass eine Pipeline durch die Ostsee nur unter ganz bestimmten Bedingungen verlegt werden kann und dazu gehört eine Optimierung der Trasse, dazu gehört ein möglichst geringer Eingriff in die Biotope am Meeresgrund, dazu liegen umfangreiche Erkenntnisse vor, dass man die am wenigsten schädliche Variante entwickeln kann, es muss Variantenprüfungen geben nicht nur politische, sondern auch ökologische."

Sehen wird man die 1,40 Meter dicke Pipeline zwar nicht, da sie unterirdisch verlaufen soll. Allerdings muss zu ihrem Schutz eine zehn Meter breite Schneise baum- und strauchfrei bleiben - für Naturfreunde kein schöner Anblick. Während der Bauphase wird sogar ein 36 Meter breiter Arbeitsstreifen benötigt. In Brandenburg, durch das ein teil der Trasse laufen soll, ist das Raumordnungsverfahren gescheitert, eine Alternative muss gefunden werden. In Mecklenburg-Vorpommern, wo einem Zitat Bismarcks entsprechend, alles 50 Jahre später passiert, ist es noch erstaunlich ruhig. Das wird sich ändern, ist sich die Politik sicher. Und jetzt, wo die Trassenbauer nach und nach die Rohre am Rande der Strecke lagern, wird auch für die Bevölkerung im Nordosten sichtbar, welche Auswirkungen das ganze haben könnte.

Doch von Problemen will der Alt-Kanzler zumindest will bei seinen Besuchen vor Ort nichts wissen.

"Das ist eine realistische Vision, das ist doch gar keine Frage. Und nicht nur eine Vision, das ist ein festes Vorhaben, dass wir realisieren wollen."