"Die Vermessung der Welt"

Florian David Fitz als Carl Friedrich Gauß im Film "Die Vermessung der Welt"
Florian David Fitz als Carl Friedrich Gauß im Film "Die Vermessung der Welt" © picture alliance / dpa / Jens Trenkler
Von Hans-Ulrich Pönack · 24.10.2012
Detlev Buck hat Daniel Kehlmanns Geschichte um den Naturforscher Alexander von Humboldt und das Mathematik-Genie Carl Friedrich Gauß verfilmt. Ist das gelungen? Nein, meint unser Kritiker Hans-Ulrich Pönack. Das Ergebnis ist langweilig, belanglos - und vor allem typisch deutsch.
Die literarische Vorlage ist eine einzige Erfolgsbilanz: Im Herbst 2005 erschien der Roman "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann, setzte sich auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste, wurde in Deutschland zwei Millionen Mal verkauft und in über 40 Sprachen übersetzt.

Es geht um zwei große deutsche Denker und Handelnde: den Naturforscher Alexander von Humboldt und das Mathematik-Genie Carl Friedrich Gauß. Während der Adelssprössling Humboldt in die weite Welt zieht, um zu forschen, findet der Universitätsprofessor und Sternwartdirektor Gauß in Göttingen sein berufliches wie privates Dasein. Sie fiktiv neu zu begleiten, individuelle, persönliche, private Parallelen zwischen den beiden Leben zu ziehen, ist das Ansinnen. "Ein Erzähler operiert mit Wirklichkeiten. Aus dem Wunsch heraus, die vorhandene nach seinen Vorstellungen zu korrigieren, erfindet er eine zweite, private ... ", beschreibt Daniel Kehlmann sein erzählerisches Selbstverständnis in dem Essay "Wo ist Carlos Montúfar?"

Der Film will also kulturelles Gut aus dem Schriftstellerischen in geeignetes Kino-Gut von heute überführen. Dabei soll man etwas lernen, erklärte Detlev Buck in einer der aktuellen TV-Kultursendungen, wo über den Film referiert wurde. Und da haben wir es wieder - das unmögliche deutsche Lehrer-, Lern-, und Botschaftskino. Dieses atemvolle und dabei oftmals so leere Aufgepasst-Kino mit diesen Hab-Acht-Motiven und den vielen pädagogischen Ausrufungszeichen! Und auch immer wieder mit diesen theoretischen Erklärungen aus dem Off (hier von Christoph Waltz), die gerade das mit Worten beschreiben, was bildlich nicht gezeigt wird. Eine fürchterliche, weil viel zu trockene Art von Bewegungskino. Hochlangweilig. Ganz staubig.

Albrecht Abraham Schuch, 26, aus Jena stammend, bislang mehr Bühnen- und TV-Akteur ("Polizeiruf 110" / "Soko Leipzig"), tapst auftragsgemäß als Albrecht von Humboldt durch die Gegend und benimmt sich dabei mehr hölzern denn gescheit. Florian David Fitz, 37, in den beiden "Männerherzen"-Filmen als Werbefachmann mit von der lustigen Party, gibt den grüblerischen, meistens mürrischen Carl Friedrich Gauß, der daran verzweifelt, dass niemand mit seinem schnellen Verstand mithalten kann. Ohne Höhepunkte dümpelt das Geschehen um diese beiden klugen historischen Köpfe und Körper parallel wie egal vor sich hin, bis sie sich dann im greisen Alter anno 1828, bei einer Tagung in Berlin, endlich begegnen.

Aber das Unheil dieses neuen deutsch-österreichischen Films ist seine definitive Unglaubwürdigkeit. Anfangs habe ich geglaubt, dies sei Absicht: Regisseur und Co-Autor Buck will hier satirisch überzogen sein, aber nein, Buck meint das völlig ernst. Alle bewegen sich naiv, geradezu einfältig, so wie Marionetten von der Reservebank der Augsburger Puppenkiste. Das sollen große Geister gewesen sein? Nie und nimmer. Was sie sagen, tun, wie sie sich bewegen, ist von Papiersprache begleitet, Warum dieser Film überhaupt in 3D entstanden ist, ist nicht zu entschlüsseln. Der dunkle Brillenzusatz erweist sich als absolut rätselhaft wie überflüssig und ist wohl nur für Zusatzeinnahmen an der Kinokasse gedacht.

Dieser neue deutschsprachige Film ist ein weiterer bedeutungsschwangerer, völlig spannungsloser, biederer Kultur-Flop von uninteressantem Deutsch-Kino.

Deutschland. Österreich 2011/2012; Regie: Detlev Buck; Hauptdarsteller: Albrecht Abraham Schuch, Florian David Fitz; Länge: 122 Minuten
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