Die Verhandlungen waren "hart aber auch konstruktiv"

Moderation: Birgit Kolkmann · 27.09.2005
Der IG-Metall-Bezirksleiter Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Hartmut Meine, hat die Entscheidung begrüßt, den neuen VW-Geländewagen Marrakesch im Stammwerk Wolfsburg bauen zu lassen. Die Verhandlungen seien hart aber konstruktiv verlaufen, sagte Meine. Was da gelungen sei, sei ein Signal für die Produktion von wettbewerbsfähigen Fahrzeugen bei Volkswagen.
Kolkmann: Herr Meine, wie sieht die Einigung konkret aus, wir sind gespannt?

Meine: Also, die Meldung ist korrekt, der kleine Geländewagen wird in Wolfsburg und nicht in Portugal gefertigt, er wird bei der Auto 5000 GmbH, einer Tochter von VW in Wolfsburg gefertigt und zwar mit den Auszubildenden, die in den Jahren 2006 und 2007 bei Volkswagen auslernen, das sind rund insgesamt 1000 Auszubildende, die bei der Auto 5000 GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen. Für die Belegschaft in Wolfsburg sind keinerlei Abstriche vereinbart worden, wie es jetzt an vielfältigen Stellen gemutmaßt worden ist. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt, überraschend für viele, es ist jetzt gelungen, einen neuen Fahrzeugtyp für das Werk Emden und einen weiteren Fahrzeugtyp für das Werk Wolfsburg zu Bedingungen des Haustarifvertrages zu vereinbaren. Voraussetzung ist, dass Betriebsrat und Management im Rahmen des Haustarifvertrages Kostenoptimierungen realisieren können.

Kolkmann: Das alles klingt nicht nach einem blauen Auge für die Belegschaft, sondern nach einem Hauptgewinn.

Meine: Es ist uns sehr schwer gefallen, weil die Auszubildenden hatten ja ursprünglich einen Anspruch bei Volkswagen übernommen zu werden. Wir haben das Zugeständnis gemacht, dass diese zwei Jahrgänge in Wolfsburg jetzt bei Auto 5000 übernommen werden. Hintergrund ist, dass die Auslastung in Wolfsburg zurzeit nicht sehr gut ist und bei der VW AG die Auszubildenden wahrscheinlich nur in ein Teilzeitarbeitverhältnis übernommen worden wären. Bei der Auto 5000 verdienen die mit rund 2536 Euro ein gutes Geld, haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag und sogar eine Beschäftigungssicherung bis 2011.

Kolkmann: Der Lohndruck ist ja ziemlich groß im Inland durch die günstige Fertigung im Ausland, das war ja auch das Thema hier beim Marrakesch. Es gibt ja den Autoexperte Dudenhöfer, der immer wieder zitiert wird, der gesagt hat: 18.000 Arbeitsplätze hat VW zu viel in Deutschland. Wie kann man die trotzdem retten?

Meine: Nun, wir haben das gestern Nacht glaube ich vorgemacht. Durch konstruktive Verhandlungen und Vereinbarungen. Der Herr Dudenhöfer ist immer sehr schnell dabei mit flotten Sprüchen, er hat von Tarifpolitik, lassen Sie mich das mal so deutlich sagen, relativ wenig Ahnung. Ich glaube, was gestern Abend gelungen ist, ist ein Signal für die Produktion von wettbewerbsfähigen Fahrzeugen bei Volkswagen, einerseits bei der Auto 5000 GmbH, andererseits aber auch zu den Bedingungen des Haustarifvertrages. Ich denke, dass auch durch die Unterschrift von Dr. Pischetsrieder und Dr. Bernhard jetzt die ganzen Gerüchte weg sind, der Haustarifvertrag bei Volkswagen sei nicht zukunftsfähig. Im Rahmen des Haustarifvertrages sind Kostenoptimierungen möglich, daran arbeiten Management und Betriebsrat bei Volkswagen professionell.

Kolkmann: Können Sie sich vorstellen, dass es in Zukunft noch weitere Schritte hin zu einer Flexibilisierung innerhalb dieses Lohngefüges geben wird?

Meine: Wenn Sie sich genauer angucken die tariflichen Regelungen bei Volkswagen, sind sie ungeheuer flexibel durch die Einführung der vier Tage-Woche, durch ein Arbeitszeitkonto von plus 400 bis minus 400 Stunden haben wir schon eine solch gewaltige Flexibilisierung von Arbeitszeit und ich sage das ohne jegliche Übertreibung wie sie kein anderes Automobilwerk auf der Welt hat. Volkswagen ist bei den Arbeitszeiten ungeheuer flexibel und kann sehr schnell dann auf besondere Situationen in Boomzeiten oder in Talsohlen reagieren.

Kolkmann: Erwarten Sie durch den Einstieg von Porsche, dass bei VW möglicherweise da die Verhandlungen künftig etwas härter werden?

Meine: Das glaube ich nicht, wir haben bei Volkswagen eine Kultur, wo wir hart verhandeln, auch gestern Nacht waren die Verhandlungen sehrt hart. Der Einstieg von Porsche, den ich im Übrigen begrüße, hat auf diese Verhandlungen keinen direkten Einfluss gehabt.

Kolkmann: Was erwarten Sie nun von Porsche, sind erst einmal alle Befürchtungen einer möglichen feindlichen Übernahme von VW vom Tisch, kann nun in Richtung Innovation, Stichwort Hybridantrieb, vorangearbeitet werden?

Meine: Ganz genau das ist der Punkt. Die haben jetzt zwei Großaktionäre: das Land Niedersachen, die Firma Porsche, damit ist Volkswagen halbwegs geschützt von den Angriffen von Hedgefonds, das war ja die große Befürchtung, die wir hatten bei Wegfall des VW-Gesetzes, dass irgendwelche Finanzinvestoren kommen, das Unternehmen filettieren und die Arbeitsplätze dabei auf der Strecke bleiben.

Kolkmann: Hatten Sie den Eindruck, dass da schon einige am Werke waren?

Meine: Da haben einige drauf gesetzt, dass möglicherweise das VW-Gesetz von der EU nicht bestätigt wird, ich sehe jetzt optimistisch in die Zukunft, VW hat eine seriöse und konstante Eigentümerstruktur, die sie vor feindlichen Übernahmen schützt und ich denke auch, dass die technologische Zusammenarbeit zwischen Volkswagen und Porsche, die Sie angesprochen haben bei der Hybridfertigung, durch dieses Engagement von Porsche noch verbessert werden kann.

Kolkmann: Wie kann man jetzt noch das was viele Kunden fordern wahrmachen, nämlich dass VWs billiger werden? Viele Kunden möchten ganz gerne einen VW haben, aber sagen, im Vergleich zu anderen Konkurrenzangeboten sind die einfach zu teuer.

Meine: Wir haben dazu vereinbart, im Tarifabschluss im November schon, dass Betriebsrat und Management gemeinsam an Kostenoptimierungen arbeiten bei der montagegerechten Fertigung von Fahrzeugen, aber auch in der Optimierung von Arbeitsorganisation. Wenn Sie sich einmal anschauen die Form der Arbeitsorganisation in diesem Modell 5000 mal 5000 ist wesentlich effektiver. Dort wird Gruppenarbeit wirklich gelebt, da findet Qualifizierung parallel zur Fertigung statt, um Qualität zu verbessern, es wird daran gearbeitet an flachen Hierarchien, dass eine Fabrik nur noch mit drei Führungsebenen ausgestattet ist, das sind Punkte, wo Sie durch Gestaltung von Arbeitsorganisation und Produktgestaltung Kosteneinsparungen realisieren können und dann werden hoffentlich auch einmal die Fahrzeuge von Volkswagen ein Stück billiger.