Die unendliche Weite des Sternenhimmels

19.03.2012
Der Atomphysiker Hubert Reeves erklärt seinen Enkel das Weltall - und wir hören neugierig zu. Er erklärt im Plauderton, wie weit Sterne entfernt sind, erzählt dabei vom Sonnenuntergang, Ikarus und Dädalus und stellt die Frage nach dem Sinn allen Seins.
Schaut man mit Kindern in den Sternenhimmel, so ergeben sich die Fragen wie von selbst. Wie weit sind die Sterne entfernt? Wo ist das Weltall zu Ende? Wie entstand die Welt? Was war vor dem Urknall? Gibt es noch andere bewohnbare Planeten? Oder: Was ist ein schwarzes Loch? Fragen, die nur wenige Erwachsene beantworten können. Der Atomphysiker Hubert Reeves allerdings, der in diesem Jahr 80 Jahre alt wird, weiß genau Bescheid. In "Wo ist das Weltall zu Ende?" erklärt er seinen Enkeln in fiktiven Gesprächen das Weltall – und vieles mehr. Wir hören neugierig zu!

"Wie weit sind die Sterne entfernt" heißt ein Kapitel. Doch die wissbegierige Frage der Enkeltochter beantwortet Reeves nicht direkt. Stattdessen wendet er sich zunächst der Sonne zu und dem Sonnenuntergang, spaziert im Gespräch zurück in die Menschheitsgeschichte, erzählt von Dädalus und Ikarus, erinnert an gemeinsame Spaziergänge mit der Enkeltochter, um dann nach Umwegen zum Ziel zu kommen. Zu Zahlen, Maßeinheiten und sogar zu der Einsicht, "in die Ferne blicken heißt, in die Vergangenheit zu blicken".

Das klingt kompliziert, ist aber relativ leicht zu verstehen. Weil Hubert Reeves im Plauderton erzählt, aber ganz konsequent und logisch vorgeht: Vom Kleinen zu Großen, vom nahe Liegenden zum Fernen, vom Einfachen zum Schwierigen. Wie die Sonnenenergie durch eine kontrollierte Kernfusion entsteht – das wird Schritt für Schritt nachvollziehbar. Doch er bleibt nicht bei der Astronomie stehen, sondern zeigt, dass die Natur wie eine Stufenleiter strukturiert ist. Sie wird von Stufe zu Stufe komplizierter, bis an ihrem oberstem Ende das Leben steht. Das Leben, dessen Entstehung auch er nicht erklären kann.

Damit ist Hubert Reeves kleines Buch mehr ist als ein naturwissenschaftliches Erklärprojekt für Kinder. Es stellt die Frage nach der Herkunft und dem Sinn allen Seins. Für ihn hat es die symbolische Bedeutung, "eines spirituellen Testaments". So erfährt der Leser auch viel über die Geschichte der Naturwissenschaften, über Philosophie, Poesie und Religion. Denn die bieten den Menschen die Möglichkeit, Phänomene zu deuten, die er nicht versteht. Sie fangen ihn auf, wenn ihm, wie dem französischen Mathematiker und Physiker Blaise Pascal, schwindlig wird angesichts des unendlichen Raums.
Reeves hat sein Buch für Jugendliche ab 14 geschrieben. Doch auch jüngere Kinder können viele Passagen verstehen. Die Dialogform, mitunter allerdings etwas angestrengt, strukturiert die kleinen Kapitel. Sie präzisiert die Fragen, fasst die Antworten zusammen und fordert immer wieder zum Weiterlesen auf. Ein bemerkenswertes Buch, auch darum, weil es auch die Grenzen des menschlichen Denkens und Wissens deutlich macht. Bleibt das Universum auch weiterhin in vieler Hinsicht rätselhaft, Hubert Reeves hat einige seiner sehr komplizierten Geheimnisse spannend und gut verständlich gelüftet.

Besprochen von Sylvia Schwab

Hubert Reeves: "Wo ist das Weltall zu Ende? Das Universum meinen Enkeln erklärt"
Aus dem Französischen von Annabel Zettel
C.H. Beck Verlag, München 2012
141 Seiten, 14,95 Euro
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