Die Überwachungsmaßnahmen werden "immer stärker"

Von Michael Meyer · 02.05.2013
Gespräche werden mitgeschnitten, E-Mails kopiert, Informanten ausfindig gemacht: In vielen Ländern werden Journalisten überwacht, und ihre Quellen ausfindig gemacht. Die nötige Überwachungssoftware kommt oft aus Deutschland. In Berlin diskutierten Medienschaffende über den Quellenschutz im digitalen Zeitalter.
"Governments do their best to keep up… blogging websites and communication channels is as easy as switching off a mobile phone…"

Reporter ohne Grenzen und die Organisation Tactical Tech haben einen Film produziert, der illustrieren soll, wie gefährlich Informanten und Blogger in Ländern leben, die durch repressive Regime regiert werden. Derzeit wird in 60 Ländern das Internet massiv zensiert, schätzungsweise 120 Blogger sitzen weltweit derzeit im Gefängnis – die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Das Perfide daran: Deutschland ist stark daran beteiligt, wenn es darum geht, sogenannte Überwachungssoftware an repressive Regime zu liefern. Diese Produkte müssen nicht durch den Bundessicherheitsrat, können also frei verkauft werden.

Ein Skandal, meint nicht nur die Organisation Reporter ohne Grenzen, sondern auch eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen. Denn mittels dieser Software wurden und werden eine Reihe von Journalisten, Bloggern und Dissidenten ausfindig gemacht und deren Kommunikation abgehört, Gespräche mitgeschnitten, E-Mails kopiert, Informanten ausfindig gemacht. In Bahrain, Syrien, Iran, Saudi-Arabien – die Liste ließe sich fortsetzen. In diesen Ländern bedeutet die Frage des digitalen Quellenschutzes buchstäblich Leben oder Tod.

Lucas Josten, Mitglied der EU-Kommission für die digitale Agenda, betont, dass die EU dieses Thema auf dem Schirm habe, und man sich noch in diesem Jahr ausführlich damit beschäftige:

Lucas Josten : "Es ist heute schon so, dass sich Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame EU-Position beziehen können, dass Lizenzvergaben an Drittstaaten verweigert werden können, wenn das Risiko der Menschenrechtsverletzungen gegeben ist, oder der Verdacht des solchen besteht, aber es ist offensichtlich so, dass es nicht immer kohärent angewendet wird."

In zwei Wochen wird es dazu eine Debatte im Europäischen Parlament geben. Doch auch in der Europäischen Kommission und in Deutschland steht längst nicht alles zum Besten. Die Debatte um den sogenannten Bundestrojaner – Überwachungssoftware, die zum Einsatz gekommen ist, dabei hätte sogar die Webcam im Computer aktiviert werden können und einiges andere mehr – und auch die sogenannte Vorratsdatenspeicherung werfen Fragen nach dem Informantenschutz von Journalisten auf. Vorratsdatenspeicherung meint, dass Daten sozusagen auf Halde gespeichert werden, ohne konkreten Verdacht – komfortabel für ermittelnde Behörden. Noch immer drängt die EU darauf, dass Deutschland ein Gesetz zu den Vorratsdaten umsetzen muss, nach dem die Speicherung zumindest für sieben Tage zulässig ist. Auch bei Auslandstelefonaten und E-Mails wird massiv mitgeschnitten und nach Schlagworten durchsucht, moniert Peter Schaar, der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung:

"Was dabei deutlich wird, ist, dass durchaus diese Überwachungsmaßnahmen, gerade weil die Technik sich weiterentwickelt, immer stärker werden. Wir ziehen uns in dieser Debatte immer an diesen einzelnen spektakulären Aktivitäten hoch. Wir sagen völlig zurecht: Ich teile diese Kritik, Vorratsdatenspeicherung ist so etwas wie Generalverdacht und darf es deshalb nicht geben. Aber wenn man jetzt mal hinter die Kulissen schaut, wie lange Daten wirklich gespeichert werden, und zwar völlig unabhängig von der Vorratsdatenspeicherung, kommt man manchmal zu einem überraschenden Ergebnis."

Telefonunternehmen speichern etwa ihre Daten bis zu einem Jahr – zu Abrechnungszwecken, wie es heißt. Auch das ist nicht gerade beruhigend im Hinblick auf Daten- und Quellenschutz für Journalisten. Auch die Speicherung auf sogenannten Clouds ist ein hohes Sicherheitsrisiko, wenn man Quellen schützen will.

WikiLeaks und Co. agieren in rechtlich bedenklichen Grauzone

Ein noch viel größeres Problem und fast schon eine philosophische Frage ist die nach dem Gegensatz zwischen Transparenz und Datenschutz. WikiLeaks, jene berühmte Website, die bereits eine Reihe von brisanten Papieren veröffentlicht hat, ist ein Beispiel für Whistleblowing. Websites, die Dokumente veröffentlichen, Sachverhalte transparent machen, verraten unter Umständen Quellen, bringen Informanten in Gefahr. Zwar hat WikiLeaks-Gründer Julian Assange diesen Vorwurf letzte Woche in einem Interview der "Zeit" bestritten, aber dennoch: Die Whistleblowing-Seiten agieren in einer rechtlich bedenklichen Grauzone, sie sind nicht wirklich klassische Medien, agieren aber manchmal so, meint Peter Schaar:

"Das ist auch ein Problem, dass was man presserechtlich zu gewährleisten hat – gerade wenn es um die Rechte Dritter geht. Das lassen die für sich auch nicht gelten. Da muss man dann schon sich entscheiden. Dann bedeutet das auch, dass bestimmte andere Verpflichtungen, wie Gegendarstellungsrechte – dass das dann da auch mit reinkommt."

Letztlich ist Informanten- und Quellenschutz Aufgabe eines jeden Einzelnen, meint Astrid Herbold, Technikjournalistin, unter anderem für "Spiegel Online", "Die Zeit" und andere Medien. Herbold fordert, dass sich Journalisten schon mehr und stärker die Mühe machen müssten, technische Vorkehrungen zu treffen, wenn sie ihre Quellen schützen wollen.

Astrid Herbold: "Generell denke ich, es wird zum Berufsbild dazugehören müssen, das man diese Kompetenzen eben hat, dass wenn man an brisanten Themen arbeitet und recherchiert, das man dann in den Fällen auch weiß, wie man sich anonym durchs Netz bewegt, …., und ich glaube, da sind wir noch in den Anfängen, selbst unter den IT-Journalisten Kollegen, wir tasten uns da auch nur so vor, learning by doing würde ich mal sagen."

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