Die Toxoplasmose

25.08.2007
Schwangere werden regelmäßig vor rohen oder nicht durchgegarten Fleischprodukten aber auch vor Katzen und Katzenklos gewarnt. Grund ist ein winziger Parasit namens Toxoplasma gondii. Doch meist verläuft die Infektion unauffällig.
Eine Gefahr, daran schwer zu erkranken, besteht für immun geschwächte Patienten und das ungeborene Leben. Kinder von Müttern, die in ihrer Schwangerschaft an Toxoplasmose erkrankt waren, sind überdurchschnittlich häufig geistig zurückgeblieben, zeigen Hirnmissbildungen oder leiden unter Krampfanfällen. Auch bei Kindern, die bei der Geburt gesund erschienen, können sich noch Jahre später neurologische Symptome entwickeln.

Woher kommt der Erreger? Das Reservoir des Parasiten sind Katzen. Infizierte Katzen scheiden mit ihrem Kot widerstandfähige Eier des Parasiten aus, die von Mäusen und Ratten aufgenommen werden. Nun sorgt der Parasit dafür, dass die Ratte die angeborene Angst vor der Katze verliert. Befallene Nager fühlen sich vom Katzengeruch sogar noch angezogen. Dadurch gelangen die Toxoplasmen alsbald wieder in einem Katzenmagen, womit sich der Kreislauf schließt. Oft genug passiert es aber, dass auch Hühner oder Schweine zum Beispiel über Mäusedreck Toxoplasmen aufnehmen. Erhöht wird das Infektionsrisiko durch sogenannte "tierfreundliche Produktionssysteme" wie Freilandhaltung. Dort sind besondere Maßnahmen – zum Beispiel Ratten- und Mäusebekämpfung ohne Katzen - erforderlich, um das Risiko zu senken. Gleichermaßen kann der Erreger aber auch beim Reinigen von Katzenklos aufgenommen werden.

Aber normalerweise – ohne Schwangerschaft – ist der Erreger unschädlich? Ja, das dachte man bisher. Denn meistens verlaufen die Infektionen wie eine Grippe und werden auch meistens dafür gehalten. Inzwischen hat man aber gemerkt, dass es womöglich noch ganz andere Verbindungen zu Krankheiten gibt, bei denen man nie und nimmer an Mettbrötchen oder Katzenklos gedacht hätte. Toxoplasma manipuliert nämlich nicht nur das Verhalten von Ratten und Mäusen, sondern gleichermaßen auch von Menschen.

Bei einer Studie über Personen, die einen Unfall verursacht hatten, ganz gleich, ob als Autofahrer oder Fußgänger, fanden tschechische Forscher heraus, dass die Unfallverursacher weitaus häufiger Anzeichen einer Toxoplasmose zeigten als die Kontrollgruppe. Je "frischer" die Infektion, desto höher das Unfallrisiko. Bei einer weiteren Untersuchung zeigte sich, dass erkrankte Personen deutlich langsamer reagierten als solche ohne Infekt. Angesichts der Daten ist Toxoplasma für Verkehrsteilnehmer ähnlich riskant wie Alkohol oder Drogen.

Offenbar gehen die neurologischen Folgen einer Toxoplasma-Infektion aber noch viel weiter. Parasitologen der Prager Karlsuniversität verglichen Personen, die schon mal eine Toxoplasma-Infektion hatten, anhand eines Standard-Persönlichkeitstests mit einer parasitenfreien Kontrollgruppe. Dabei fielen die Ergebnisse für Frauen und Männer recht unterschiedlich aus: So waren infizierte Männer eher geneigt, soziale Regeln zu missachten und Einzelgänger zu sein, während sich infizierte Frauen im Unterschied zur weiblichen Kontrollgruppe als besonders kontaktfreudig und warmherzig erwiesen. Hierbei handelt es sich immerhin um charakterliche Wesensmerkmale von Menschen, die von ein paar Einzellern nach Gusto gestaltet werden.

Inzwischen wird die Toxoplasmose sogar als eine Ursache von Schizophrenie angesehen. Kinder von Müttern, die mal eine Toxoplasmose hatten, litten später mehr als doppelt bis dreimal so häufig an Schizophrenie wie Kinder von Frauen mit niedrigem Antikörperspiegel. Gerne wird dagegen vorgebracht, dass man derartige Erkrankungen mit Psychopharmaka behandeln könne und damit Parasiten als Ursache ausscheiden würden. Inzwischen zeigt sich aber, dass viele Psychopharmaka gegen Parasiten, Bakterien oder Viren wirksam sind. So auch im Falle der Schizophrenie. Womöglich stecken hinter altbekannten neurologischen Erkrankungen bzw. psychischen Leiden oft genug ganz handfeste Infektionen. Damit ergeben sich natürlich auch neue und vor allem wirksamere Behandlungsmöglichkeiten.

Literatur
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