Die syrische Band Khebez Dawle - Teil 5/5

Berlin: Wie schaffen wir das?

Die syrische Band Khebez Dawle auf dem Social Business Summit in Berlin. Die Band ist auf der Bühne und bereitet sich auf ihren Auftritt vor.
Die syrische Band Khebez Dawle auf dem Social Business Summit in Berlin. © Deutschlandradio / Tabea Grzeszyk
Von Tabea Grzeszyk · 08.01.2016
Rund einen Monat waren die Musiker der syrischen Band Khebez Dawle unterwegs, um von Beirut nach Berlin zu kommen. Unterwegs haben die Syrer Konzerte gegeben. In den Medien werden sie als Band bekannt, die ihre Flucht nach Europa in eine Tournee verwandelt hat.
Anas Maghrebi lehnt am Fenster eines ausgebauten Dachgeschosses in Fürstenberg, Landkreis Oberhavel in Brandenburg, 90 Kilometer nördlich von Berlin. Er und die Musiker der syrischen Band Khebez Dawle sind in einem Privathaus untergekommen, bei einem Paar, das sich für Flüchtlinge einsetzt. Als ich ihn nach zwei Jahren zum ersten Mal wiedersehe, bemerke ich erschrocken, wie dünn er geworden ist. Die Flucht hat Spuren hinterlassen: Aus seinen Gesichtszügen spricht noch immer der unerschütterliche Optimismus, aber manchmal wirkt es, als müsse er sich selbst erst wieder daran erinnern.
Der Zufluchtsort könnte kaum idyllischer sein. Trotzdem kann es Anas kaum erwarten, nach Berlin zu kommen.
Anas Maghrebi: "Es ist ein schöner Ort, um sich nach dieser langen Reise auszuruhen, vielleicht sogar, um sich zu heilen. Es ist ein vorübergehender Aufenthalt, nur um zu Atem zu kommen und uns zu organisieren, uns bereit zu machen, den Antrag zu stellen, den Prozess zu beginnen."
Die Realität im Flüchtlingsheim
Der Prozess, ihr Antrag auf Asyl in Deutschland, der über ihre persönliche Zukunft und die Zukunft der Band entscheiden wird. Diese sehen die syrischen Musiker in Berlin, der Partyhauptstadt, die Auftritte und Anerkennung verspricht. Berlin, Sehnsuchtsort für Künstler aus aller Welt.
"Berlin ist eine multikulturelle Stadt. Du kannst dich verbunden fühlen, dich niederlassen. Durch unsere Musik wollen wir versuchen, die Botschaft zu überbringen, an die wir glauben, unsere Mission, für die wir verantwortlich sind: Wir wollen für die Menschen sprechen, die keine Stimme haben, die missverstanden werden und von den Massenmedien falsch dargestellt werden. Unsere Mission ist es, die Wahrheit zu sagen, zu erzählen, was wir gesehen haben."
Die syrische Band Khebez Dawle gibt ein Konzert auf dem Social Business Summit in Berlin.
Die syrische Band Khebez Dawle gibt ein Konzert auf dem Social Business Summit in Berlin.© Deutschlandradio / Tabea Grzeszyk
Eine Woche später sind Anas, Hekmat und Bazz drei von 68.000 Flüchtlingen, die im Jahr 2015 Berlin erreicht haben. Anas Utopien treffen auf die bürokratische Realität. Gemeinsam mit fünf befreundeten Musikern werden sie in einem Zimmer in einem leer stehenden Rathaus im Westen Berlins untergebracht. Als ich sie besuche, muss ich beim Sicherheitsdienst meinen Pass abgeben. Anas holt mich ab, das ehemalige Verwaltungsgebäude mit langen Fluren und geschwungenen Treppenläufen ist ein echtes Labyrinth.
Die Kluft zwischen der Realität im Flüchtlingsheim und ihren Träumen könnte kaum größer sein. Die Musiker sind Mitte 20, sie möchten mit Khebez Dawle die Welt erobern! Sie wollen proben, eine neue Platte aufnehmen, auf Tournee gehen!
"Du kannst es dir nicht vorstellen, jeder kontaktiert uns und fragt uns nach irgendwas. Ich komme gar nicht mehr hinterher. Wir bekommen jeden Tag Emails, Einladungen, und ich sage nur: Wir sind in der Planung, wir werden Sie in unserem Terminplan berücksichtigen, Bla-Bla, nur Versprechungen. Wir können gar nichts bestätigen zur Zeit, wegen diesem Papierkram, unserem Status...es ist bescheuert!"
Der zweite Gitarrist steckt in der Türkei fest
Statt Konzerte geben steht Abwarten auf dem Programm. Verloren sitzen die Musiker auf vier Reihen mit Stockbetten herum. Sie sind dem Krieg in Syrien und der Unsicherheit im Libanon entkommen, doch die Langeweile in Deutschland ist dennoch schwer erträglich. Hekmat, Gitarrist und Keyboarder sagt, dass er als Flüchtling dankbar sei. Doch seine Bredouille als Musiker steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Hekmat Qasar: "Wir wollen ins Tonstudio gehen und neue Ideen ausprobieren. Jedesmal, wenn wir an einem Musikladen vorbeikommen, sehen wir Pedale, Gitarren, welches Equipment brauchen wir für welchen Sound? Du kannst nicht einfach herumsitzen und warten, dass alles von alleine passiert, wir wollen unsere Lust und unsere Energie nicht verlieren. Warten ist für alle die Hölle."
Ein Monat später. Die Jungs von Khebez Dawle haben zwei Konzerte in Berlin gegeben und eine Agentur gefunden. Anas, Hekmat und Bazz warten noch immer auf ihr Asylverfahren. Trotzdem sind sie viel weiter als ihr zweiter Gitarrist Bashar. Er steckt in der Türkei fest.

Hören Sie weitere Folgen der fünfteiligen Serie: Tagebuch einer Flucht mit der Band Khebez Dawle.
Bis zum 8. Januar in unserer Sendung Kompressor ab 14.07 Uhr:

Folge 1: Beirut. Keine neue Heimat.

Folge 2: Lesbos. Ankunft am Touristenstrand

Folge 3: Zagreb. Flucht als Musiktour

Folge 4: Wien. Ohne Hilfe geht es nicht.

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