Die Supergärtnerin

Von Susanne Balthasar · 14.07.2009
Vor einem Jahr hat die Gartendesignerin Gabriella Pape die Königliche Gartenakademie, ein Pflanzen- und Seminarcenter in Berlin, eröffnet. Inzwischen trampeln ihr die Kunden die Beete platt. Das trifft sich gut mit Papes Absichten, die nach dem Krieg verlorene deutsche Gartenkultur wiederzubeleben.
Pape: "Es gibt ja dieses schöne Gedicht: Wenn ich einmal wirklich was werde, dann werde ich Erde, das ist mein Lieblingsgedicht, da geht es auch darum wenn ich mit den Händen in ihr wühle, was ich da fühle. Das ist ein sehr - wie sagt man - das ist ein Gedicht, das kann man anfassen."

Ein saniertes Gewächshaus in Berlin, ein Diaprojektor, Seminarstühle. Ein Dutzend Gartenbesitzer ist zu dem Seminar Grundlagen der Gartengestaltung mit Gabriella Pape gekommen:

"Guten Morgen ..."

Wer sie ansieht, ahnt die Hamburger Herkunft: groß, blond, weiße Bluse, dunkelblaue Hose, ein bisschen Schmuck. Nüchterner Stil, trockener Witz:

Dann muss man sich als Designer beweisen: ein kleiner Garten mit Sitzfläche ...

An der Wand: Vorher-Nachher-Bilder. Zuerst eine riesige Rasenfläche, drum herum Stiefmütterchen oder Forsythien oder Weihnachtsbäume – der deutsche Standardgarten eben.

Seit dem Zweiten Weltkrieg, sagt Gabriella Pape, ist hier die Gartenkultur unbemerkt eingegangen:

"Meine Theorie ist, dass das wirklich mit der Nachkriegs- und der 'Vorsprung durch Technik'-Gesellschaft zu tun hat. Da gibt’s dann einen großen Platz fürs Auto oder zwei, dann passt nur noch ein Weg dazwischen und dann hat man links und rechts zwischen den zwei Carports noch einen Grünstreifen, ich nenne das Kärchergärten. Wir haben so viel Zeit verbracht, Dinge zu erwirtschaften, und es war einfach nicht wichtig, wir haben den Wert nicht erkannt."

Pape-Gärten sind Wow-Gärten: Nach Farben und Größen choreografierte Pflanzenflächen, Sichtachsen und Sitzecken, versteckte Räume und überraschende Einblicke. Der Garten als begehbares Naturbild. Ein Kunstwerk. Und noch viel mehr:

"Also dieses eigene aus einem Kern gezogene wächst mit und ist plötzlich groß und verschattet den Garten, das ist so ein Erlebnis, das ist was Bodenverbundenes, das hat auch Sinnlichkeit."

Die Deutschen entdecken das gerade. Wir sind auf Sinnsuche, sagen Lifestyle-Eperten und der Weg führt durch den Garten. Ihre Prognose: Nach dem Kochboom der Neunzigerjahre, kommt der Gartenhype. Gabriella Pape hat schon immer am liebsten in der Erde gewühlt:

"Ich kann gar nichts anderes, ich gärtner', seit ich laufen kann. Ich ziehe auch Gießkannen hinter mir her, da war ich noch keine drei Jahre alt. Ich war da in ’ner Traumwelt, ich konnte in meiner Welt verschwinden, in der Erde wühlen und Unkräuter, Giersch rausholen, das konnte ich tagelang machen."

Heute ist die 46-Jährige eine international renommierte Gartenarchitektin. Bis zu 20.000 Pflanzensorten beherrscht Gabriella Pape wie andere eine Fremdsprache. Dazu kommen die Regeln der botanischen Grammatik und natürlich eine grüne Seele:

"Wenn wir hier aus dem Fenster kucken, da ist die große Kiefer, dann weiß ich, das ist ein Boden, der ist durchlässig. Ich weiß wie der PH-Wert ist, ich sehe das alles. Das ist einem ins Blut über gegangen."

"Man könnte mir auch die Augen verbinden und mich in Uruguay auf den Acker stellen und ich würde an der Flora sehen, in welchem Land ich bin und dann gibt es den Genius Loci, das Stückchen Land, auf dem ich stehe, und der muss bewertet werden, bewertet nicht im Sinne von gut oder doof, sondern ich muss das reflektieren im Sinne der Gestaltung , wenn da nur Fabrikgebäude sind, dann versuche ich da keinen Englischen Cottage Garten. Sondern ich versuche das mit meinem Herzen so zu gestalten, das der Ort das auch annimmt."

Viel hat sie in Kew Gardens in London, dem Harvard der Gärtner gelernt, wo sie studiert hat. Sie bleibt in England, wo die Gartendesignerin mit ihrem Büro "Land Art" schnell bekannt wird. Der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere: Die Silbermedaille auf der Chelsea-Flowers-Show 2007. Prinz Charles persönlich bewundert ihren Senkgarten nach dem Vorbild Karl Försters, einem der prominentesten deutschen Gärtner - vor dem Ersten Weltkrieg:

"Es gab auch Menschen, die gesagt haben, wahrscheinlich habe ich die Silbermedaille nur gekriegt, weil die gesagt haben: Einer Deutschen geben wir jetzt nicht die Goldmedaille. So sehe ich das nicht. Mein Garten war halt einfach nicht perfekt. Ich war nicht stolz auf die Silbermedaille, ich hätte gern ne Goldmedaille."

Dann die Rückkehr nach Deutschland, der Aufbau der Königlichen Gartenakademie. Kaffeepause im Gewächshaus. Die Seminaristen der Königlichen Gartenakademie in Berlin tauschen ihre Eindrücke aus.

"Sehr sympathisch, sehr kompetent, sehr locker und sehr professionell."
§Sehr gut, viele Kniffe und Tricks. Ich habe meine Abneigung gegen Buchsbäume überwunden, und dann habe ich gekämpft mit meinem Garten und der Vorstellung dieses Gartens ..."

Aber das Seminar ist ja noch nicht vorbei. Angst vorm schönen Garten, sagt Gabriella Pape, soll morgen Abend keiner mehr haben.

Pape: "Also mir gehen nicht oft Pflanzen ein, aber wenn welche eingehen, dann freue ich mich und denke: kann man was Neues ausprobieren."

Im Moment hat sie dazu nur in ihrer Akademie Gelegenheit. Ihren Cottage-Garten in England hat sie kürzlich abgegeben. In Berlin lebt sie in einer Wohnung mit Balkon.