Die Strompreise "müssen moderat steigen und dürfen nicht explodieren"

Rainer Baake im Gespräch mit · 15.10.2012
Nach Ansicht Rainer Baakes, Direktor des Think Tanks "Agora Energiewende", ist die EEG-Umlage nicht der Hauptkostentreiber beim gestiegenen Strompreis. Zwei Drittel des Preisanstiegs hätten anderen Ursachen, wie zum Beispiel gestiegene Brennstoffpreise.
Nana Brink: Ab heute herrscht vielleicht Klarheit. Die Ökostromumlage zur Förderung erneuerbarer Energien, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG genannt, soll ab 2013, also der Strompreis soll sich ab 2013 von 3,6 Cent auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Unterm Strich verteuert sich damit die Stromrechnung für uns Otto Normalverbraucher um geschätzte 60 Euro im Jahr. Und natürlich wird dann auch heute wieder kräftig gestritten: Wer ist schuld daran, dass der Strompreis immer weiter steigt? Die Energiekonzerne zeigen mit dem Finger auf den teuren Ökostrom, und umgekehrt zeigen die Umweltverbände auf die Industrie, die ja aber bekanntermaßen weitgehend von den Kosten befreit ist. Am Telefon begrüße ich jetzt Rainer Baake, einer der Ideengeber der Energiewende, er war Staatssekretär im Umweltministerium unter rot-grün, ist heute Direktor der Agora Energiewende, einem Thinktank, der sich damit beschäftigt, die Energiewende umzusetzen. Schönen guten Morgen, Herr Baake!

Rainer Baake: Einen schönen guten Morgen!

Brink: 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Ist diese Zahl in Stein gemeißelt?

Baake: Nun, das werden wir heute sehen, ob es jetzt 5,3 oder 5,4 sind. Das ist auch eine Frage der Gestaltungsmöglichkeit, die Übertragungsnetzbetreiber an dieser Stelle haben werden. Aber ganz eindeutig: Der Strom wird teurer werden, und eine der Ursachen ist die EEG-Umlage. Sie ist in der Tat in den letzten Jahren gestiegen. Allerdings ist sie nicht der Hauptkostentreiber. Als das EEG geschaffen worden ist im Jahre 2000, hat der Strom rund 15 Cent gekostet, jetzt kostet er 25, das heißt zehn Cent Steigerung, davon etwas mehr als ein Drittel die EEG-Umlage; die anderen zwei Drittel haben andere Ursachen wie zum Beispiel gestiegene Brennstoffpreise, also für Kohle und Gas. Und wenn wir uns von diesen in Zukunft befreien wollen, dann haben wir keine Wahl außer umzusteigen auf erneuerbare Energien.

Brink: Sie sagen aber im gleichen Atemzug: Wir müssen begreifen, dass der Strom teurer wird, wenn wir die Energiewende wollen.

Baake: Ja, das ist richtig. Die Energiewende wird Geld kosten. Das heißt, wir werden jetzt investieren müssen, und diese Investitionen werden sich dann auch in den Strompreisen niederschlagen, und es ist ganz wichtig, dass dieser Pfad jetzt so ausgebaut wird, dass die Strompreise bezahlbar bleiben. Also ich bin nicht einer von denen, die sagen, die Strompreise werden in Zukunft sinken. Das werden sie nicht. Sie werden weiter steigen, aber sie müssen moderat steigen und dürfen nicht explodieren. Das ist jetzt die Hauptaufgabe der Politik, dafür zu sorgen.

Brink: Viele fragen sich ja aber in diesem gleichen Atemzug, wenn sie hören, dass der Strompreis streikt, wie schaffen wir es dann, diese Energiewende wirklich effizient einzusetzen? Also ein Beispiel: Der größte Solarpark Deutschlands wird eingeweiht, aber er hat keinen Anschluss an das Stromnetz. Das macht viele Verbraucher wütend.

Baake: Also das ist eine ganz klare Aufgabe, an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass solche Missstände nicht passieren. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, solche Solarparks anzuschließen, und hier muss eine rechtzeitige Koordination stattfinden und dann muss das schlicht und einfach geschehen. Ich halte diese Zahlen, die da teilweise im Moment durch die Presse gehen, auch für Panikmache. Also wir haben gerade mal, zum Beispiel, wenn es um Windenergieanlagen geht, Abregelungen, die bewegen sich in der Größenordnung von 0,2 Prozent. Das sind Scheinprobleme. In Wirklichkeit ist es so, dass der Strom aus erneuerbaren Energien, der in Deutschland produziert wird, auch tatsächlich ins Netz eingespeist wird und auch tatsächlich verbraucht wird.

Brink: Sie beschäftigen sich ja nun in Ihrem Thinktank, der Agora Energiewende, mit der effizienten Umsetzung dieser Wende. Wie schaffen wir es denn dann wirklich, dass sie effizient wird?

Baake: Wir müssen erst mal begreifen, was diese Energiewende eigentlich in den nächsten Jahren bedeutet. Sie wird bedeuten, dass über 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien aus Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen kommt. Das liegt daran, dass die anderen Technologien wie zum Beispiel Biomasse inzwischen an die Grenzen stoßen, weil unsere Fläche begrenzt ist. Andere Technologien wie, ja einige, zum Beispiel Wasserkraft haben nicht mehr das Potenzial, das heißt 90 Prozent und mehr des Stroms aus erneuerbaren Energieanlagen werden von Wind und Photovoltaik kommen.

Das sind die, wo die Kosten in den letzten Jahren dramatisch nach unten gegangen sind und wahrscheinlich auch noch weiter nach unten gehen werden. Dies sind aber zwei Technologien, wo alle Investitionen am Anfang anfallen, nämlich bei dem Aufstellen der Anlage. Anschließend haben Sie keine Brennstoffkosten, haben Sie keine Kosten für CO2.

Das heißt, diese Anlagen haben bestimmte Charakteristika, und es ist wichtig, dass wir jetzt versuchen, dieses System jetzt auch intelligent aufzusetzen, weil natürlich Wind und PV bedeuten, dass immer nur dann der Strom in diesen Anlagen produziert wird, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Das heißt, die Energiewende ist eine große Synchronisationsaufgabe. Wir müssen das wechselnde Angebot von Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen synchronisieren mit der Nachfrage der Kunden. Das ist die zentrale Aufgabe ...

Brink: Passiert denn das – pardon – passiert denn das gerade?

Baake: In Ansätzen ja. Also das, was jetzt am allermeisten dringlich ist, das ist ja in der Tat der Ausbau der Netze. Nicht nur, um Strom zu transportieren, sondern auch dafür zu sorgen, dass es einen Ausgleich gibt der fluktuierenden Einspeisung von erneuerbaren Energien. Der Wind weht nicht überall gleichzeitig, auch die Sonne scheint nicht überall in derselben Intensität. Je mehr wir hier uns mit Netzen verbinden in Deutschland und über die Grenzen von Deutschland hinaus, umso sorgen wir für einen entsprechenden Ausgleich. Zweite Priorität: die Lasten anpassen. Es gibt viel zu wenig Anreize, es gibt auch keinen Markt dafür, dass Lasten, das heißt also Stromnachfrage, zeitlich verschoben wird. Da sind in der Industrie riesengroße Potenziale, die müssen erschlossen werden.

Brink: Wenn man Sie so reden hört, dann geht es ja wirklich um diese Effizienz und man fragt sich, reden wir zu viel über den Strompreis, müssen wir nicht anders denken? Der Strompreis ist ja politisch so aufgeladen wie früher meinetwegen der Brotpreis im alten Rom.

Baake: Ja, ich würde mir wünschen, dass wir hier nicht so eine EEG-Preisdebatte führen, sondern darüber reden, wie denn die Energiewende insgesamt effizient umgesetzt werden kann. Weil es gibt ja andere preissenkende Effekte. Also wir klagen über die Endkundenpreise, aber an der Strombörse, beim Großhandel, da fallen seit einigen Jahren die Preise, und zwar ziemlich dramatisch. 2008 gab es dort noch Preise an der Strombörse von 90, 100 Euro pro Megawatt, inzwischen sind die bei 50 und teilweise darunter. Und wenn Sie mal schauen, was tagsüber passiert, wo normalerweise die Spitzennachfrage da war und auch entsprechende Spitzenpreise: Die Photovoltaik sorgt dafür, dass oftmals der Strompreis an der Börse tagsüber jetzt unter dem Nachtniveau liegt, weil so viel Fotovoltaikstrom vorhanden ist, der nicht zusätzlich kostet, weil mit der Investition haben sie alles bezahlt. Das heißt, hier geht es darum, das Gesamtsystem jetzt zu diskutieren und optimal zu gestalten, und dann werden die Strompreise auch in Maßen steigen und nicht mehr explodieren.

Brink: Rainer Baake, Direktor der Agora Energiewende. Schönen Dank, Herr Baake, für das Gespräch.

Baake: Auf Wiederhören!

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