Die Sorgen sind "völlig unbegründet"

Moderation: Hanns Ostermann · 09.11.2007
Nach Ansicht des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann ist die Vorratsdatenspeicherung ein wirksames Mittel im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Angesichts der klaren gesetzlichen Regelungen seien die Sorgen der Bürger vor zusätzlicher Überwachung "völlig unbegründet", sagte der CSU-Politiker.
Hanns Ostermann: Über die Gesetzesnovelle zur Telefonüberwachung und Vorratsdatenspeicherung möchte ich jetzt im Deutschlandradio Kultur mit Joachim Herrmann von der CSU sprechen, er ist Innenminister im Freistaat Bayern. Guten Morgen, Herr Herrmann.

Joachim Herrmann: Guten Morgen.

Ostermann: Wie ernst nehmen Sie die Sorgen, von denen eben die Rede war?

Herrmann: Ich nehme diese Sorgen sehr ernst, aber ich halte sie größtenteils für völlig unbegründet, denn wenn vorher ein Richter genau sich die Unterlagen anschaut und dann aufgrund konkreter Anhaltspunkte zum Beispiel eine solche Überwachung anordnet, dann entspricht das unserem ganz normalen rechtsstaatlichen Verfahren.

Ostermann: Trotzdem sprechen andere davon, dass die Axt an den Rechtsstaat gelegt wird, wenn zum Beispiel das geschützte Vertrauensverhältnis von Anwalt und Mandant durch die Telefonüberwachung zerstört wird.

Herrmann: Es ist ja nicht so, dass nun plötzlich die Gespräche zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten abgehört werden dürfen. Insofern ist das nicht richtig. Klar ist, dass es zum Beispiel eine Vorratsspeicherung gibt für eben dann alle Daten, das heißt die Telekommunikationsgesellschaften müssen grundsätzlich für einige Monate aufbewahren, wann hat wer mit wem telefoniert. Da werden, wohl gemerkt, nicht die Inhalte dieser Gespräche festgehalten, sondern die Tatsache, dass Gespräche stattgefunden haben. Aber in einen beispielsweise Prozess wird so etwas nur eingebracht, wenn ein Richter das angeordnet hat. Und das ist insofern ja keine stärkere Belastung oder kein stärkerer Eingriff in die Grundrechte, als das bisher der Fall war von der Struktur her, wenn ein Richter eben anordnet, dass beispielsweise eine Wohnung durchsucht werden kann.

Ostermann: Herr Herrmann, trotzdem werden Anwälte beispielsweise anders behandelt als Geistliche und Abgeordnete, wenn ich das Gesetz richtig verstanden habe. Warum diese Ungleichbehandlung?

Herrmann: Nun, wir müssen natürlich grundsätzlich die Möglichkeit haben, weil sich leider manchmal auch Anwälte in rechtswidriges Handeln hineinziehen lassen oder auch von sich aus ganz engagiert beteiligt sind. Ich bin selber als Anwalt tätig gewesen und habe hohen Respekt vor meinen Berufskollegen. Aber es ist letztlich von der Art wie manche agieren, leider einige schwarze Schafe, doch noch etwas anderes, als in der Regel Priester zum Beispiel, Angehörige der Religionsgemeinschaften, Pfarrer, hier agieren. Also, das sind feinsinnige Unterschiede. Ich glaube, dass das aber, wenn ich an die Beispiele, die Sie gerade vorhin gebracht haben, denke, nicht dasjenige ist, was insgesamt die große Mehrheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in irgendeiner Weise besorgt machen muss. Wichtig ist, dass wir vor allen Dingen auch in der Bekämpfung von internationalem Terrorismus unseren Sicherheitsbehörden einfach entsprechend wirksame Möglichkeiten an die Hand geben, ich betone aber noch mal, die einer vollen rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen in unserem Land.

Ostermann: Sie haben eben von schwarzen Schafen gesprochen, die es natürlich auch bei den Juristen, in jeder Berufsgruppe eigentlich gibt. Dann doch auch bei den Abgeordneten, das heißt, den Leuten in der Politik.

Herrmann: Bei Abgeordneten haben wir ja aufgrund der Immunität eine ganz besondere Situation. Hier muss ohnehin bei jedem Verfahren, das gehört nun auch zu unserer parlamentarischen Demokratie, hier muss bei jedem Verfahren ohnehin erst einmal der Parlamentspräsident eingeschaltet werden, gegebenenfalls ein speziell dafür eingerichteter Ausschuss tätig werden. In der Regel macht das aber der Präsident, weil das ganz wichtig ist für das Selbstverständnis einer Demokratie, dass nicht beispielsweise Sicherheitsbehörden von sich aus in das Parlament eingreifen oder gar ein Parlament lahmlegen können. Ich sage das gerade am heutigen 9. November mit der besonderen Geschichte Deutschlands. Denn so hat der Nationalsozialismus 1933 ja begonnen, indem die Sicherheitsleute Hitlers erst mal die Kommunisten ausgeschaltet haben aus dem Deutschen Reichstag, et cetera. Also, dass Abgeordnete in Deutschland einen besonderen Schutz haben und nicht einfach sozusagen von der Straße weg durch Sicherheitsbehörden kontrolliert werden, das hat schon eine ganz besondere Begründung und auch in Deutschland natürlich eine ganz besondere historische Notwendigkeit.

Ostermann: Sie sind mit dem Auto unterwegs, bayerische Innenminister sind fleißig. Trotzdem die Frage, kann dieser anfallende Datenwust, es ist ja eine unglaubliche Menge, wirklich dazu beitragen, unsere Sicherheit zu erhöhen?

Herrmann: Man muss sich ja noch mal bewusst machen, es wird beispielsweise jetzt die Deutsche Telekom, beziehungsweise Vodafone und so weiter verpflichtet, über eine Reihe von Monaten alle Datenverbindungen, die Tatsache von Telefongesprächen, das heißt, am soundsovielten hat der Anschluss Nummer sowieso mit dem Anschluss Nummer sowieso telefoniert, diese Daten zu speichern. Es ist nicht so, dass diese Daten als solche schon an Sicherheitsbehörden übermittelt werden, sondern sie werden bei der Telekommunikationsgesellschaft gespeichert. Wie sie das übrigens bisher schon aus Rechnungslegungsgründen auch getan haben.

Ostermann: Aber nicht in der Länge.

Herrmann: Jetzt speichern sie es noch ein paar Monate länger. Und nur, wenn ein konkreter Verdachtsfall vorliegt, kann dann zum Beispiel die Kriminalpolizei, ein Landes- oder Bundeskriminalamt zum Richter gehen und sagen, für den XY liegt ein Verdacht vor, da gibt es jetzt ein Verfahren wegen Verdacht des internationalen Terrorismus beispielsweise. Und dann können die aufgrund eines richterlichen Beschlusses sich für eine ganz bestimmte Person diese Telekommunikationsdaten sozusagen übermitteln lassen von der Gesellschaft. Das heißt, dass trotzdem nach wie vor 99 Prozent aller Daten nur bei der Telekommunikationsgesellschaft bleiben und nach dem gesetzlich vorgesehenen Ablauf dann gelöscht werden, also die Sicherheitsbehörden überhaupt nie diese Daten zu Gesicht bekommen, nie etwas mit diesen Daten zu tun haben.
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