Die Seligkeit der Farben

Von Anette Schneider · 03.01.2012
Die "durchfreute Natur" wollte er malen. Das Gewimmel der modernen Großstadt interessierte ihn nicht. August Macke, am 3. Januar 1887 in Meschede geboren, ließ die abbildhaft-naturalistische Malerei hinter sich und suchte nach neuen Ausdrucksweisen. Er fand sie in lichten, klaren Farben, mit denen er harmonische Formwelten schuf.
"Er hatte nur seine Malerei im Kopf, und alles andere, was ihm nicht in den Kram passte, ließ er einfach liegen",

erinnerte sich August Mackes Frau Elisabeth an den Gymnasiasten Macke. Und sein Freund, der Schriftsteller Wilhelm Schmidtbonn, schrieb:

"Er war breit und groß, mit gesundem und lachendem Gesicht. Seine Gestalt, Gesicht, Stimme füllten unser Zimmer ungewohnt aus. ... Mit Kraft und Lebensart ... hat er uns überschüttet."

Am 3. Januar 1887 wurde August Macke als Sohn eines westfälischen Bauingenieurs geboren. Aufgewachsen in Köln und Bonn, verließ er mit 17 Jahren die Schule und begann ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie.

"Morgens um 8 fängt der Schwindel an, um Nachmittags 5 wieder aufzuhören. ... Wir zeichnen nur nach sogenannten Gipsklamotten, d.h. Abdrücken",

berichtete er seinem Schulfreund Hermann Seuren.

Unzufrieden über die erstarrten Strukturen und konservativen Inhalte der Akademie, begann er gleichzeitig, am fortschrittlichen Düsseldorfer Schauspielhaus Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen und die reformorientierte Kunstgewerbeschule zu besuchen.

"Man kann in allen Techniken arbeiten, wie man will. Ton modellieren, schneiden, radieren, holzschneiden, lithographieren. ... Überhaupt alles mehr Leben. ... Der Unterricht gefällt mir riesig gut."

Noch hießen seine Vorbilder Böcklin, Klinger und Leibl. Doch 1907 sah Macke erstmals Fotografien impressionistischer Bilder.

"Denk dir, Elisabeth, Böcklin ist mir nichts mehr. ... Die Bilder kommen mir alle so pathetisch, so gesucht und bunt vor, ich kann sie nicht mehr sehen."

Umgehend reiste der junge Maler nach Paris. Er besuchte Galerien und Museen, entdeckte die Impressionisten, ihren Umgang mit Licht und Farbe und war fasziniert von der avantgardistischen Künstlergruppe der "Fauves".

Wenig später entstand das Bild "Baum im Kornfeld":

Eine gelbe Farbfläche - das Kornfeld. Die blaue Fläche darüber - der Himmel. Inmitten des Feldes: zwei grob umrissene Figuren und ein Baum.

1909, nach Reisen durch Italien, Holland und Belgien, heirateten Macke und Elisabeth. Das finanziell unabhängige Paar zog für eine Weile an den Tegernsee. Vor allem inspiriert durch die "Fauves", malte Macke dort Landschaften, Porträts und Stillleben in kräftigen Farben und klaren, vereinfachten Formen. Später befreundete er sich mit Künstlern des "Blauen Reiter", stellte zusammen mit ihnen aus, blieb aber ihrer Arbeit gegenüber distanziert.

"Sie haben riesiges künstlerisches Empfinden. Aber die Ausdrucksmittel sind zu groß für das, was sie sagen wollen. ... Sie ringen, glaube ich, zu sehr nach Form."

Macke hingegen wollte die Schönheit des Lebens einfangen, die "durchfreute Natur" zeigen. Das moderne, laute Großstadtleben interessierte ihn nicht. Er entwickelte eine helle, lichte Malerei, mit der er Idyllen entwarf: Oasen der Ruhe und des Rückzugs, des Einsseins mit einer friedvollen Umgebung.

Flaneure in Parks. Besucher in Gartenrestaurants und Zoologischen Gärten. Reiter in einer Allee. Paare unter Bäumen. Elegante Damen vor Schaufenstern.

Mal griff er Elemente des Kubismus und Futurismus auf. Mal setzte er kräftige Farben gegeneinander, mal ließ er sie ineinander fließen. Und stets verschmolz er seine stillen, gesichtslosen Figuren mit ihrer Umgebung, schuf so harmonische Farb- und Formwelten.

Schnell hatte Macke Erfolg. Gleichzeitig förderte er junge, avantgardistische Künstler. In Bonn organisierte er die berühmte Ausstellung "Rheinischer Expressionismus". Für Politik aber interessierte er sich nicht. Während das Deutsche Reich zum Krieg rüstete, reiste er im April 1914 mit Paul Klee und Louis Moilliet nach Tunis:

"Wir liegen in der Sonne, essen Spargel und so weiter. Dabei kann man sich herumdrehen und hat tausende von Motiven, ich habe heute schon 50 Skizzen gemacht. Gestern 25."

Zurück in Bonn, entstanden binnen Kurzem zahlreiche heitere, friedvolle Gemälde: orientalische Cafés, Flaneure und Parkwege, Bäume und Zeitungsleser, Häuser und Wege scheinen sich dort mehr und mehr in farbiges Licht aufzulösen. In ihnen feierte Macke

"die Seligkeit der Farben."

Bereits im August 1914 wurde Macke zum Militärdienst eingezogen. Ende September kam er bei einem Gefecht in Frankreich ums Leben. Er wurde 27 Jahre alt. Franz Marc schrieb in seinem Nachruf:

"Er hat von uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell wie sein ganzes Wesen war."