Die Selbstverwandlung der Maschinen

Von Arndt Reuning · 01.10.2009
Das ist Stoff für Science-Fiction-Filme: Tausende kleiner Mini-Roboter bilden einen Schwarm, lagern sich zu großen Maschinen zusammen, die jede beliebige Form annehmen können. Tatsächlich ist das noch Zukunftsmusik. Aber Ingenieure aus Pennsylvania haben nun einen modularen Roboter gebaut, der sich von alleine wieder zusammensetzen kann.
Beschwingt hüpft die Kreatur durchs Labor. Sechs gewinkelte Beinchen und ein Rückgrat - der Roboter sieht aus wie ein mechanisches Rieseninsekt. Sein Geheimnis steckt in dem langen, gestreckten Körper. Der besteht aus einzelnen würfelartigen Gelenken, vollkommen identisch. Konstruiert wurde dieser modulare Roboter an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Doktorand Jimmy Sastra erklärt das Prinzip:

"Man entwirft ein einzelnes Modul, und dann baut man unzählige Kopien davon. Und die können dann zu Robotern unterschiedlicher Größe und Form zusammengesetzt werden. Natürlich könnte man einen Roboter konstruieren, der nur eine einzige Aufgabe verrichtet, wie etwa diesen Hüpfgang. Und wahrscheinlich wäre solch ein Modell unserem sogar überlegen. Aber wir können unseren Roboter umbauen und noch viele andere Konfigurationen verwirklichen."

Zweibeiner, Vierbeiner, sogar Vierzehnbeiner haben die Ingenieure aus Philadelphia schon konstruiert. Außerdem ein Modell mit nur einem Bein, das wie eine Spielzeug-Metallfeder die Treppe herunter steigen kann. Und einen reifenförmigen Roboter, der wie von Geisterhand bewegt durchs Labor rast. Und jedes Mal bestehen die Konstruktionen fast nur aus den kleinen, schwarzen Bausteinen, den ckBot-Modulen. Jedes davon besitzt einen Servomotor und einen kleinen Computer, der mit den anderen Modulen per Funksignal kommunizieren kann.

"Das ist unser ckBot-Modul. Es hat nur eine Bewegungsmöglichkeit, eine Knickbewegung wie bei einem Ellbogengelenk. Es hat verschiedene Seitenflächen, an denen es sich mit den anderen Modulen verbinden lässt - auf viele verschiedene Arten."

Erläutert Mark Yim, der Leiter des ModLabs. Seine Vision ist es, dass irgendwann einmal die modularen Roboter eigenständig ihre Form und Größe ändern können, um sich so optimal an ihre Aufgabe anzupassen.

"Ich nenne es einen 'Eimer voller Zeug'. Jeder könnte solch einen Eimer voller Zeug in seiner Garage haben. Man geht dort hin und sagt: 'Bei meinem Auto ist ein Ölwechsel fällig'. Und das Zeug klettert aus dem Eimer, setzt sich zusammen und wechselt das Öl. Und kümmert sich später um die Wäsche oder reinigt die Dachrinne. Der Roboter würde dann automatisch seine Form ändern und sich um die jeweilige Aufgabe kümmern."

Zukunftsmusik, ohne Zweifel. Näherliegend sind da wohl eher andere Anwendungen, fügt der Roboter-Forscher hinzu.

"Das sind vor allem solche Anwendungen, bei denen am Anfang noch nicht unbedingt genau fest steht, worauf es hinaus läuft. Zum Beispiel die Erkundung von fremden Planeten. Oder für den Such- und Rettungsdienst in einem schwer zugänglichen Gelände. Wenn man nicht weiß, wie es vor Ort aussieht, dann kann es hilfreich sein, wenn der Roboter sich an die Verhältnisse anpassen kann."

Hilfreich kann es dabei auch sein, wenn die Maschine sich selbst reparieren kann. Wie das funktionieren kann, wollen die Experten der University of Pennsylvania mit ihren ckBots nun demonstrieren. Jimmy Sastra hat vier der Module zu einer Art Wurm verbunden. Drei dieser Cluster liegen auf einer Schaumstoffmatte, jedes von ihnen trägt noch ein zusätzliches Kameramodul.

"Die können sich alle autonom bewegen. An jedem Kameramodul blinkt eine rote Leuchtdiode, jeweils mit einem anderen, charakteristischen Muster. Darüber können sich die einzelnen Cluster finden, denn die Kameras erkennen diese Blinksignale."

Kaum hat das Blinken begonnen, schon beginnen sich zwei der Cluster auf dem Boden zu winden wie eine Schlange. Langsam aber stetig bewegen sie sich aufeinander zu, richten sich parallel zueinander aus. Und dann berühren sie sich.

"Okay, Cluster null und eins haben nun mit ihren Magnetflächen aneinander angedockt. Sie bewegen sich jetzt als eine Einheit und versuchen, sich mit dem anderen Cluster zu einer Dreier-Konfiguration zu verbinden."

Und das Spiel beginnt wieder von vorne. Die Einheiten blinken, das kleine Cluster robbt allmählich auf das große Cluster zu und schnappt ein. Jetzt haben sich alle drei Cluster zu einem einzigen, dreibeinigen Roboter verbunden, der sich langsam aufrichtet. Von jenem "Eimer voller Zeug" ist das natürlich noch meilenweit entfernt. Trotzdem: Mark Yim ist sich sicher, dass der universale Allzweckroboter eines Tages in den Garagen steht.

"Possibly it could be fifty years, it could be hundred years. I think it probably won't be five years."

In fünfzig Jahren vielleicht oder in hundert. Wahrscheinlich nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre, sagt er und lächelt.