Die "Schlange" im Jazz

Michel Godard spielt das Serpent

Drei Serpente aus dem frühen 19. Jahrhundert
Drei Serpente aus dem frühen 19. Jahrhundert © Imago / United Archives International
26.10.2015
Michel Godard ist ein Jazzer mit einem Faible für Instrumente der Renaissance-Zeit. Den Musiker ist besonders vom Serpent angetan, einem schlangenförmigen Blasinstrument. Mit den Musikern des Ensembles "Le Miroir du temps" ist Godard ein einzigartiges Experiment gelungen.
Michel Godard: "Ich liebe besonders das erste Stück 'Serpents dream'. Das habe ich schon lange im Kopf mit mir herum getragen, aber erst jetzt zum ersten Mal in dieser Instrumentierung realisiert. Es ist eine Musik mit einem raschen Jazztempo, die der Musik entspricht, die ich liebe und ständig höre, aber diesmal mit dem Timbre der alten Instrumenten."
Der 55-jährige französische Musiker Michel Godard hatte schon immer ein Faible für Renaissance-Musik und Instrumente aus jener Zeit. Er greift in seinen Jazzkonzerten immer wieder einmal gerne zum Serpent, einem ungewöhnlichen Blasinstrument, das seinem lateinischen Namen durchaus entspricht. Das Musikinstrument sieht tatsächlich wie eine sich hin und her biegende Schlange aus, ist oft aus Holz und besitzt nur einige wenige Löcher und ein sehr langes Mundstück.
"Der Serpent ist in gewisser Weise der Urahn der Tuba. Bestimmte Spielweisen sind auf beiden Instrumenten gleich. Man kann auf ihm gleichzeitig spielen und singen. Es ist sehr schwierig, gut zu spielen. Besonders schwierig ist die Intonation, also sauber zu spielen."
Michel Godard hat es besonders ein sehr altes Serpent angetan, das er während eines Musikfestivals in dem kleinen Dorf Villefranche-de-Rouergue in der Kapelle der Dorfkirche entdeckte. Ihn begleiten die Mitglieder seines Ensembles "Le Miroir du temps" ebenfalls auf alten Renaissance Instrumenten: ausgewiesene Spezialisten für alte Musik wie die Münchner Oboistin und Schalmeienexpertin Katharina Bäuml sowie der Straßburger Bruno Helstropfer, der die Theorbe, eine mittelalterliche Laute spielt. Hinzukommt sozusagen als moderne Ergänzung der Schweizer Schlagzeuger Lukas Niggli, der aus dem Jazzbereich und der neuen Musik stammt. Für sie hat Michel Godard die Stücke geschrieben, die jetzt auf der CD zu hören sind.
"Ich wollte ein Projekt mit Instrumenten aus der Renaissance machen, die neue Musik spielen. Ich arbeite schon seit langem an dieser Verbindung der Musik aus der Renaissance und der Improvisation des heutigen Jazz. Dahinter steckt die Idee, eine Musik zu schaffen, die durch 'Le miroir du temps' die Musik der Renaissance mit einem zeitgenössisches Gesicht wiederspiegelt."
Musik ist ruhig und schwebt im Raum
Nun lebt der aktuelle Jazz vor allem von der Improvisation, also von den Variationen eines vorgegebenen Themas und der Fähigkeit der Musiker, aus diesem Material etwas Neues, noch nie Gehörtes zu machen. Klassisch geschulte Musiker haben damit normalerweise ihre Schwierigkeiten. Sie halten sich lieber an den Noten fest. Nicht so Michel Godards Spezialisten für Alte Musik:
"Musiker, die Alte Musik spielen, insbesondere die Musik der Renaissance, haben oft große Übung im Improvisieren innerhalb dieser Renaissance Musik. Jetzt gibt es eine ganze neue Generation von Musikern der Barock-Musik, die sehr gut im Stil der Musik des 17. Jahrhunderts improvisieren können, aber auch in einem anderen Musikstil. Ich finde es sehr interessant, dass sie innerhalb der Harmonien, die es im Jazz gibt, wissen, was zu machen ist."
Von den dreizehn Titel auf der neuen CD stammen acht aus der Feder des französischen Serpent-Spielers. Zwei sehr alteLieder hat er neu arrangiert. Eine Komposition hat der Schweizer Schlagzeuger beigesteuert und eine mitkomponiert und schließlich gibt es einen Song des letztes Jahr verstorbenen amerikanischen Bassisten Charlie Haden.
Die Musik ist ruhig und sanft, schwebt sozusagen im Raum, kommt selbst in ihren lebendigen und flotten Passagen ganz ohne Hektik aus. Es ist Schönklang pur und da gelingt dem Komponisten tatsächlich der Brückenschlag zwischen der eingängigen, schlichten, kirchlich geprägten Musik der Renaissance und zeitgenössischem Klang. Die Improvisationen drängen sich nie auf, sind organisch eingebettet, fließen ganz weich mit ein. Es ist genau diese Qualität, die Michel Godard dazu brachte, ein altes Stück des bereits erwähnten Charlie Haden neu zu interpretieren:
"Zuerst einmal ist es ein wunderschönes Stück und weil Charlie Haden uns einige Monate, bevor wir es aufgenommen haben, verlassen hat, ist es eine Art Hommage an ihn. Außerdem klingt es auf den Instrumenten der Renaissance sehr schön, denn es ist sehr einfach geschrieben. Es ist beinahe wie ein Thema der gregorianischen Gesänge. Ich glaube, es sind die Jazzmusiker, die das nötige Wissen haben, um diesen Mittelweg zwischen der alten Musik und der heutigen Musik zu bewahren."
Ein ungewöhnliches Experiment, das zweifelsohne gelungen ist.
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