Die Schlacht bei Waterloo

Von Volker Ullrich · 18.06.2005
Die Schlacht von Waterloo, in welcher der französische Kaiser den vereinigten Heeren des britischen Herzogs von Wellington und des preußischen Generals Blücher unterliegt, besiegelte Napoleons Schicksal. Es war eine der großen Schlachten, die Weltgeschichte schrieben. Napoleons Herrschaft war damit endgültig beendet.
Dieser Mann hat sich nicht geändert, er ist immer noch gleich despotisch, siegesbe-sessen und wahnsinnig wie eh und je. Ganz Europa wird über ihn herfallen, und er wird innerhalb von vier Monaten geschlagen sein.

So urteilte Polizeiminister Joseph Fouché im April 1815 über Napoleon, und er sollte Recht behalten. Nur wenige Wochen zuvor war der Kaiser der Franzosen von seinem Verbannungsort, der Insel Elba, triumphal nach Frankreich zurückgekehrt, hatte er den Bourbonenkönig Ludwig XVIII. vertrieben und aufs neue die Herrschaft an sich geris-sen.

Doch die europäischen Mächte zeigten keinerlei Neigung, sich noch einmal mit dem Usurpator zu arrangieren. Kaum hatte die Nachricht von seiner Rückkehr den Wiener Kongress erreicht, erklärte man ihn für geächtet. England, Russland, Österreich und Preußen erneuerten ihr Bündnis und verpflichteten sich, die Waffen nicht eher nieder-zulegen, bevor Napoleon nicht endgültig besiegt sei.

In Belgien zog der britische Befehlshaber, der Herzog von Wellington, ein Heer von 95.000 Mann zusammen; ihm schloss sich eine preußische Armee unter General Blü-cher mit 120.000 Mann an. Die österreichischen und russischen Streitkräfte begannen sich am Mittel- und Oberrhein zu sammeln. Währenddessen wirkte Napoleon seltsam unsicher, fast wie gelähmt. Seinem Kriegsminister Carnot schien es so, als würde ihn bereits ein Vorgefühl des kommenden Unglücks niederdrücken.

Ich kenne ihn nicht mehr wieder. Die kühne Rückkehr von Elba scheint den Quell seiner Energie erschöpft zu haben; er schwankt, er zaudert; statt zu handeln, redet er - Alle Welt fragt er um Rat.

Endlich entschloss sich Napoleon, den Angriff der verbündeten Armeen nicht abzuwar-ten, sondern selbst die Initiative zu ergreifen. 125.000 kampferprobte Soldaten stan-den ihm zur Verfügung. Sein Plan ging dahin, die englischen und preußischen Verbän-de voneinander zu trennen, sie nacheinander zu schlagen, um sich anschließend auf die Österreicher und Russen zu werfen.

Am 12. Juni 1815 begab sich Napoleon zu seinen Truppen. Am 15. Juni schob er bei Charleroi einen Keil zwischen Wellingtons und Blüchers Armeen. Einen Tag später griff er die Preußen bei Ligny an und bereitete ihnen eine schwere Niederlage, ohne sie al-lerdings entscheidend zu besiegen. Daraufhin wandte er sich gegen Wellington, der sich südlich des Dorfes Waterloo verschanzt hatte.

Doch starke Regenfälle erzwangen eine eintägige Kampfpause – eine Verzögerung, die sich sehr nachteilig für die Franzosen auswirkte. Denn die zurückgewichenen preußi-schen Truppen konnten in der Zwischenzeit ihre Verfolger abschütteln und sich wieder auf die Armee Wellingtons zu bewegen.

Erst gegen Mittag des 18. Juni eröffnete Napoleon die Schlacht. Er suchte die Entschei-dung im Zentrum zu erzwingen. Doch Wellington hatte eine starke Verteidigungspositi-on gewählt, und Angriffswelle auf Angriffswelle brach unter dem konzentrierten Feuer der Briten zusammen.

Selbst Napoleons letzte Trumpfkarte, seine legendäre Alte Garde, stach nicht mehr, und als am Abend Blüchers Verbände in den Kampf eingriffen, war die Schlacht ent-schieden. Mit dem Ruf "rette sich wer kann" stoben die Franzosen in wilder Flucht aus-einander. Gnadenlos setzten die Preußen nach. Nur knapp entging Napoleon einer Ge-fangennahme.

Die Katastrophe von Waterloo war das Ende – nicht nur der Hundert-Tage-Herrschaft, sondern der phänomenalen Laufbahn Napoleons überhaupt. Zu vollständig und demü-tigend war die Niederlage, als dass er sich darüber irgendwelche Illusionen machen durfte. Bereits im Sommer 1813 hatte er in einem Gespräch mit dem österreichischen Außenminister, Fürst Metternich, erklärt:

Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, der Sohn des Glücks! Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und gefürchtet zu sein.

Dieser Tag war nun gekommen. Am 22. Juni dankte Napoleon ein zweites Mal ab. Mitte Juli 1815 musste er sich auf Gedeih und Verderb seinen erbitterten Feinden, den Eng-ländern, ausliefern. Die schickten ihn in die Verbannung nach Sankt Helena, einer fer-nen Insel im Südatlantik. Dort verbrachte Napoleon seine letzten Jahre – immer auch in Gedanken an jene Schlacht, die sein Scheitern endgültig besiegelt hatte.

Ich habe die Gunst des Schicksals auf einem Schlachtfeld errungen, und auf einem Schlachtfeld habe ich sie verloren. Was immer geschieht, ich habe mein Schicksal er-füllt.