Die Schattenarmee der USA

18.02.2008
Der New Yorker Journalist und Irak-Experte Jeremy Scahill schildert in "Blackwater" den kometenhaften Aufstieg der gleichnamigen Söldnerfirma. Ihre Angestellten verdienen im Irak das Vielfache von regulären Soldaten, kleiden sich gern wie Rambo und benehmen sich auch so. Allerdings brauchen sie bei Totschlag und Mord keine Strafe zu fürchten.
Dass die USA den Irak-Krieg auch mithilfe privater Militärdienstleister – vulgo: Söldnerheere – führen, ist der Weltöffentlichkeit spätestens seit Februar 2004 bekannt, als vier Mitarbeiter der Firma "Blackwater" in Falludschah gelyncht und ihre Leichen an einer Brücke aufgehängt wurden. (Wenig später belagerte die reguläre US-Armee die Stadt und tötete Tausende.)

Im September 2007 standen "Blackwater"-Sicherheitskräfte im Blickpunkt, nachdem sie in Bagdad wegen vermeintlicher Gefährdung eines amerikanischen Konvois 17 Zivilisten erschossen hatten. Weder die irakische Regierung noch das US-Militär fanden plausible Gründe für das Blutbad. Rechtliche Folgen haben die Täter wohl trotzdem nicht zu erwarten, sie genießen de facto Immunität.

In "Blackwater" verfolgt der New Yorker Journalist und Irak-Experte Jeremy Scahill im Reporterstil den kometenhaften Aufstieg der Söldnerfirma, beleuchtet die Strukturen der Bush-Administration, die das lukrative Sicherheitsgeschäft im rechtsfreien Raum fördert, und zeigt die Risiken der Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols.

"Blackwater", das ist zunächst die Geschichte des Millionenerben und fundamentalistischen Christen Erik Prince, der 1996 ein privates Waffenlager und ein Trainingscenter aufbaute, in dem ehemalige Navy SEALs und andere Elitesoldaten Militärs, Polizisten und Zivilisten weiterbilden. Nach dem 11. September engagierte sich Prince, angestachelt von der rigorosen Privatisierungspolitik des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, in der Söldnerbranche. Mittlerweile umfasst seine Privatarmee 2300 Mitarbeiter in neun Ländern. Prince kann im Bedarfsfall auf mehrere Zehntausend Leute zurückgreifen; er besitzt 20 Flugzeuge und Kampfhubschrauber.

"Blackwater"-Mitarbeiter sind Männer wie Curtis Williams, der nach dem Ende seiner Dienstzeit bei den Navy SEALs den "Adrenalinstoß" vermisst hat. "Wir wollen losziehen und die Schurken töten. So sind wir gestrickt", beschreibt Williams sich und seinesgleichen in Scahills Buch. Söldner aus den USA verdienen im Irak das Vielfache von regulären Soldaten, kleiden sich gern wie Rambo und benehmen sich auch so. Allerdings brauchen sie selbst bei schnödem Totschlag und Mord keine Strafe zu fürchten – bisher wurden Söldner weder unter militärisches noch ziviles Recht gestellt.

Scahill erklärt die Zustände mit dem Einfluss der Firmenbosse in Washington. Im Gegenzug für Dienstleistungen, die zwar vom Steuerzahler finanziert werden, aber keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen, also der Regierung freie Hand gewähren, hätten sie Immunität ausgehandelt. Zu den heiklen Verflechtungen gehört, dass US-Vizepräsident Dick Cheney früher Vorstandsvorsitzender von Hulliburton war, eine der erfolgreichsten Firmen im Business, in dem jährlich weit über eine Milliarde Dollar umgesetzt wird.

Von Seite zu Seite entwickelt sich "Blackwater" zu einem erregenden Buch über den Krieg im Irak, in Afghanistan, gegen den Terror in aller Welt – und über die undemokratische Manier, in der die Bush-Administration neben der US-Armee eine Schattenarmee für Freiheit und Demokratie durch die Zeitgeschichte marodieren lässt. Scahill hat erkennbar eine kritisch-linke Perspektive – auf dem Einband loben Naomi Klein, Michael Moore und Arundhati Roy sein Werk – und spricht im Fall des Iraks von "Eroberungskrieg". Aber er schreibt ohne Schaum vor dem Mund, was angesichts der zynischen Machenschaften eines Donald Rumsfeld oder Paul Bremer (ehemaliger US-Zivilverwalter im Irak) und der Nähe, die Scahill als New Yorker Journalist und Kriegsreporter zu Ereignissen und Personen hat, eine enorme Leistung darstellt.

Die Original-Ausgabe von "Blackwater" stand wochenlang auf der Bestsellerliste der "New York Times", wurde aber weder von dieser Zeitung noch sonstigen wichtigen Blättern des Landes rezensiert. Vieles spricht dafür, dass Scahills Buch ins Mark der amerikanischen Führungsschichten trifft. Es verrät nichts grundsätzlich Unbekanntes, aber es setzt den politischen und moralischen Kollaps der US-Regierung unter George Bush konzentriert und konkret ins Bild und führt viele widerwärtige Seiten der amerikanischen Kriegsführung vor.

Offenbar ist die Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten von Privatfirmen abhängig geworden, die über dem Gesetz stehen und von einer Lobby gelenkt werden, die Freiheit und Sicherheit sagt, wenn sie Selbstbereicherung meint. Im Sinne der mächtigen Söldner-Branche wäre, so vermittelt die Lektüre, jeder weitere Krieg äußerst wünschenswert – eine grauenvolle Aussicht für alle, die künftig zu Kollateralschäden dieser Praxis werden.

Rezensiert von Arno Orzessek

"Blackwater"
Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt
von Jeremy Scahill

aus dem Englischen von Bernhard Jendricke und Rita Seuß
Antje Kunstmann Verlag
München, Januar 2008
350 Seiten, 22,90 Euro
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