Die sanfte Ironie des Alltags

13.09.2011
In seinem neuen Erzählband witzelt der in Berlin lebende russische Autor Wladimir Kaminer über die Liebe der Deutschen zu Navigationsgeräten und deutsche Männer beim Flirten. Es sind Geschichten mit typischem Kaminer-Sound: unbekümmert, direkt, leicht.
Was wären die Deutschen ohne Wladimir Kaminer? Er ist längst eine Standardgröße der deutschen Selbstreflexion. Er zeigt ihnen, wie sie sind, indem er aus einer Zwischenwelt heraus auf die Deutschen schaut. Kaminer ist weder Russe noch Deutscher – wenn überhaupt ist er Berliner: ein bisschen schlecht gelaunt, leicht bissig, dabei aber auch entspannt und ironisch. Das alles lässt sich in einem Berliner vereinen.

Auch im Schreiben von Wladimir Kaminer, der seit inzwischen 20 Jahren den Deutschen Kolumnen liefert, die aus dem Privileg schöpfen, dass der Autor weder hier geboren noch hier groß geworden ist. Und dieser Umstand schließt bekanntlich jemanden aus der Gruppe "Deutscher" in Deutschland weitestgehend aus – Multikulturalismus, Globalisierung und Staatsbürgerschaftsrecht hin oder her.

Aber Kaminer schlägt sich gar nicht lange rum mit gesellschaftlichen Grundfragen, sondern behält einfach den ironischen Kaminer-Sound bei, den er schon seit Jahren pflegt: unbekümmert, direkt, leicht – und wunderbar zum Vorlesen geeignet, da durch Pointen durchzogen. Das ist vielleicht der Effekt, den die deutschen Leser an ihm lieben – mag es Krisen geben, mag man verzweifeln an der gesellschaftlichen Lage – bei Kaminer wird alles leicht und verdaulich.

Deutschland wird zum Schrebergarten, den man mit ein paar Schritten durchschreiten kann - ein Ort an dem pflichtbewusste, aber etwas langweilige Gärtner Nutzpflanzen anbauen. Kaminer ist der Besucher in diesem Garten und schaut sich um wie in einem Kuriositätenkabinett – das Deutschland ja vielerorts tatsächlich ist.

Auch in Kaminers neuem Band "Liebesgrüße aus Deutschland" kann er sich wunderbar auslassen über die Liebe der Deutschen zu Navigationsgeräten (und ihre sture Befolgung – das sind sie ja gewohnt), über deutsche Männer, die beim Flirten mit einer Frau allzu lange "intellektuell summen", anstatt gleich zu sagen, was sie fühlen: "Die Courage, die meine Landsleute aufbringen, wenn es ums Saufen, Ausgehen oder sich Verlieben geht, ist dem deutschen Mann fremd."

Kaminer macht sich über Kuschel-Pädagogik lustig, die für die Schüler eine "abenteuerliche Reise ins Land des Unbekannten" vorsieht, anstatt – wie Kaminer es in sowjetischen Zeiten erlebte (und dennoch nicht wiederhaben will), den Kindern ein paar Fakten mit auf den Weg zu geben, den Rest kriegen sie schon mit, basta. Oder wenn er die historischen Grundlagen des Funktionieren des Staates beschreibt, wofür die Amerikaner den Colt brauchten, die Russen das Destilliergerät, "und die Deutschen den Aktenordner".

Oder aber die Lyrik, die Deutsche gerne aufwenden, wenn sie Wein beschreiben: "leicht im Abgang". Kaminer scheitert an der Übersetzung dieses Begriff ins Russische und muss feststellen: "Man kann so etwas auf Russisch nicht sagen, weil in Russland nichts leicht im Abgang ist."

Nichts wirkt hier verkrampft, kaum etwas ist böse, alles ist leicht zu konsumieren. Kaminer tut kaum jemandem weh, auch die Pointen am Ende der kaum zusammenhängenden Geschichten in diesem Buch sind eher "leicht im Abgang", anstatt noch mal nachzulegen. Kaminer bleibt ein sanfter Alltagsironiker - aber er lässt uns auch etwas unzufrieden zurück, denn seine Texte hinterlassen nach dem Lesen kaum mehr Spuren.

Besprochen von Vladimir Balzer

Wladimir Kaminer: Liebesgrüße aus Deutschland
Manhattan Verlag, München 2011
288 Seiten, 17,99 Euro