Die neue Wohnungsfrage

Wie aus Immobilien Anlageprodukte werden

"Hier entstehen exklusive Eigentumswohnungen" steht auf einem Werbebanner im Bezirk Mitte in Berlin.
Werbebanner für "exklusive Wohnungen" in Berlin © picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinberg
Von Barbara Eisenmann · 28.02.2017
Wohnungen sind Mangelware, die Mieten steigen immer weiter. Dadurch werden sie für Anleger als Finanzprodukt interessant. Für Menschen in Großstädten hat das jedoch zur Folge, dass sie kaum bezahlbaren Wohnraum finden.
Seit einigen Jahren schießen die Preise für Mieten und Immobilien in den Städten in die Höhe. Selbst die Deutsche Bundesbank warnt inzwischen vor einer Immobilienblase. Und es stellen sich Fragen: Warum sind Wohnungen überhaupt zu Finanzprodukten geworden und Häuserblasen offenbar zum Normalzustand? Wie können lokale Wohnungsmärkte zum Spielball globaler Finanzakteure werden?
Der Philosoph Friedrich Engels hat schon im Jahr 1872 oder 73 "Zur Wohnungsfrage" geschrieben - und da steht gleich am Anfang:
"Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung der Wohnungsverhältnisse ... durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten."

Abschied von der staatlichen Wohnungspolitik

Um das Problem von heute zu verstehen, müssen wir da anfangen, als der Staat sich von der Wohnungspolitik verabschiedet hat. Zwischen 1998 und 2007 sind über 750.000 Wohnungen privatisiert worden. Und von vier Millionen Sozialwohnungen Ende der 80er-Jahre gibt es heute gerade noch 1,5 Millionen.
Die Folgen dieser Politik beschreibt der Wirtschaftsjournalist Stephan Kaufmann:
"Dadurch, dass privatisiert wird, wird der Immobilienspekulation Material gegeben, der Staat zieht sich raus, weniger sozialer Wohnungsbau. Auf der anderen Seite hat die Politik natürlich auch dafür gesorgt, dass mehr Finanzkapital weltweit unterwegs ist, beispielsweise indem es weniger besteuert wird oder indem die Finanzmärkte liberalisiert worden sind. Das alles hat dazu beigetragen, dass die Finanzsphäre sich aufgebläht hat."
Seit Immobilien global konkurrenzfähige Finanzprodukte sind und ein ganzes Heer von Dienstleistern damit beschäftigt ist, immer neue Immobilienanlageprodukte für internationale Investoren zu finden oder herzustellen, haben nicht nur Arme ein Problem in den innerstädtischen Bezirken der großen Städte Wohnungen zu finden, auch Normalverdienerinnen tun sich schwer: Busfahrerinnen, Krankenhauspersonal, Lehrer, Polizistinnen, usw.

Lukrativer Leerstand im Luxussegment

Luxuslofts, selbst wenn sie leerstehen, oder superteure Miniapartments für Studenten zahlen sich für Investoren eben aus. Nur bezahlbare Wohnungen rentieren sich nicht. "Real Estate is attacking housing", so hat das David Madden, ein britischer Soziologe von der London School of Economics, mal genannt.
Wie würde man das ins Deutsche übersetzen? Man müsste ausholen und sagen, "housing", das ist Wohnen als Gebrauchswert. Und "real estate", das ist die Immobilie als Tauschwert. Man kann das aber auch mit Zahlen dokumentieren. In München haben sich die Preise für Wohnungen seit 2008 durchschnittlich um 80 Prozent verteuert. In Berlin um 50 Prozent. In Düsseldorf und Frankfurt um 30 bis 40 Prozent.
Ein Frau steht in München vor dem Büro eines Immobilienmaklers
Ein Frau steht in München vor dem Büro eines Immobilienmaklers.© dpa / picture alliance / Peter Kneffel

Immer mehr Menschen betroffen

Und so entsteht dann eine neue Wohnungsfrage. Engels sagt in seinem Text, wo er über "die eigentümliche Verschärfung der Wohnungsverhältnisse" spricht, auch, dass "diese Wohnungsnot nur soviel von sich Reden macht, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat."
Wie heute. Klar. Die Wohnungsfrage rückt hauptsächlich deshalb in die öffentliche Aufmerksamkeit, weil selbst in der Provinz und am Stadtrand die Preise für Immobilien steigen und immer mehr Leute von ihr betroffen sind.
(hum)
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