Die Macht der Geschichten

Moderation: Kolja Mensing · 23.06.2013
Der Konstanzer Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke beschäftigt sich mit der politischen und gesellschaftlichen Funktion von Erzählungen. Das Thema hat offensichtlich Hochkonjunktur, denn erzählt wird heutzutage auf allen Kanälen.
Das Erzählen ist schon oft totgesagt worden – und doch scheint es zur Zeit Hochkonjunktur zu haben. Nicht nur Schriftsteller und Drehbuchregisseure erzählen Geschichten, auch Werber und Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer haben den Umgang mit öffentlichkeitswirksamen "stories" gelernt – und Psychotherapeuten raten ihren Patienten zum erzählerischen Umgang mit der eigenen Biografie.

Dazu kommen die zahllosen erzählerischen Überreste des Alltags, die sich über soziale Netzwerke mit hoher Geschwindigkeit im digitalen Raum verbreiten: So viel erzählt wurde noch nie. Wie können wir dieser Flut der Geschichten begegnen? Wie können wir uns wappnen gegen den Ansturm der Narrative in allen Lebensbereichen?

Der Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke (Jahrgang 1958) hat sich in seinem Buch "Wahrheit und Erfindung" mit der gesellschaftlichen und politischen Funktion von Erzählungen beschäftigt. Koschorke lehrt an der Universität Konstanz und ist für seine Arbeiten unter anderem mit dem Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet worden und mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Albrecht Koschorke selbst hat eine Familiengeschichte, die weit über das Private hinausgeht: Sein Vater ist Manfred Koschorke, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Mitglied der Bekennenden Kirche im Widerstand war, während seine Mutter Emmy Koschorke, geborene Jellinek, aus einer jüdischen Familie stammt. Auch darum geht es in diesem "Werkstatt"-Gespräch - um die Macht ganz privater Geschichten.


Bücher von Albrecht Koschorke:

Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer allgemeinen Erzähltheorie
S. Fischer Verlag, 480 Seiten, 24,99 Euro

Die heilige Familie und ihre Folgen
S. Fischer Verlag, 240 Seiten, 12,99 Euro