Die Kunst des Sehens

Von Michael Köhler · 01.07.2012
Berühmt wurde sie durch ihre abstrakten Farbflächenbilder. Aber auch theoretisch hat sich die britische Künstlerin Bridget Riley mit der Wahrnehmung auseinandergesetzt. Jetzt wurde sie mit dem renommierten Rubenspreis der Stadt Siegen geehrt. Siegen – die Heimatstadt von Peter Paul Rubens – vergibt diesen Preis nur alle fünf Jahre an noch lebende europäische Künstler als Anerkennung für ihr Lebenswerk. <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="169614" text="Nicht der erste Preis" alternative_text="Nicht der erste Preis" />, den die 81-jährige Londonerin entgegennimmt.
"Ich bin sehr geehrt und erfreut, dass mir dieser Preis gegeben wird und es ist eine großes Vergnügen, meine Arbeiten hier zu zeigen. Ich bin wirklich aufgeregt wie das alles aussieht und welcher Empfang mir von der Siegener Bevölkerung bereitet wurde."

Die höfliche Britin versteckt ihre glückliche Zufriedenheit nicht. Sie steht nun auch in einer Reihe mit englischen Rubens-Preisträgern wie Francis Bacon, Lucian Freud und anderen. Heute hat sie, nach den vorausgegangenen Preisträgern Sigmar Polke und Maria Lassnig, den renommierten, wenngleich auch gering dotierten Peter Paul Rubens Preis der Stadt Siegen erhalten und eine große Ausstellung eröffnet. Museumschefin Eva Schmidt:

"Wir haben natürlich auch nach einer Grand Dame gesucht dieses Mal. Die Malerei ist ja eine Männerdomäne. Also gerade in der Generation, in der wir suchen, ist es noch eine Männerdomäne, aber insofern ist Bridget Riley einfach eine ganz tolle Position. Das kann man mit Fug und Recht sagen. Spätestens seit den Siebziger Jahren sind ihre farbigen abstrakten Bilder mit parallelen Streifen, mit kleinformatigen Rhomben oder Blattmotiven ein fester Bestandteil des internationalen Kunstmarktes und der Museumswelt. Gern ordnet man sie der sogenannten Op-Art zu. Aber sie sagt, dass ihre Ölbilder zuerst einmal Gemälde sind, sie sind Kunst und keine wissenschaftliche Abhandlung über das Sehen."

Bridget Riley: "Ja, so ist das. Malerei ist eine Kunst, die das Sehen fordert. Ich bin keine Wissenschaftlerin, ich bin Malerin. Wahrnehmung ist das wissenschaftliche Wort für Sehen und alles was das bedeutet. Auch die Art der Geisteshaltung, des Denkens, die das Betrachten hervorruft."

In Siegen wird das Werk von Bridget Riley aus den Jahren 1980 bis 2012 gezeigt, also auch allerneueste, wandfüllende Arbeiten. Das zeichnerische Frühwerk ist ausgespart. Wollte man böse sein, könnte man in der Sprache des Kunstdienstes "artnews" sagen, das sei "trophy art with recognizability factor" - Trophäenkunst mit Wiedererkennungsfaktor. Das verkennt aber die historische Leistung der englischen Malerin innerhalb der Farbfeldmalerei zwischen Elsworth Kelly und Gerhard Richter auf der eines Seite und Barnett Newman und Mark Rothko auf der anderen Seite. Museumschefin Eva Schmidt:

"Bridget Riley ist eine einmalige Position in der abstrakten und konkreten Farbfeldmalerei, die sie sehr ernsthaft seit fünfzig oder sechzig Jahren verfolgt und da war die Sache einfach klar."

Bridget Riley ist nicht nur Malerin, sonder auch Autorin theoretischer Schriften. In den Siebzigern reagierte sie auf die Impressionisten und arbeitete mit wenigen weichen Pastellfarben in Wellenbewegungen. In den Achtzigern entstehen die kräftigen Streifenbilder mit schmalen, parallelen, sehr satten Farben, die einen Flächenteppich ergeben. Die südwestenglische Landschaft und ihr spezifisches Licht beeinflussen ihr malerisches Werk.

Eva Schmidt: "Also ich glaube, dass Bridget Riley das Rationale, Analytische und das Intuitive, Empirische auf eine unnachahmliche Weise verbindet."

Es ist kein Zufall, dass Bridget Riley auch einige Wände eines Liverpooler Krankenhauses gestaltete. Freude und Trost sind diesen abstrakten Bildern nicht nur nicht fremd, sie sind Absicht. Ihre Gemälde künden, wie sie es selbst einmal sagte, von der Freude des Schauens. Und es ist nicht abwegig, sie eine abstrakte Malerin des Naturschönen zu nennen.

"Sehen Sie, Ich habe mich schon mit Fragen der Anschauung befasst, bevor eine Gruppe von Künstlern 'Op-Art-Künstler' genannt wurde. Das hat mein Leben quasi nur seitlich berührt. Ich hab weitergemacht wie vorher und tue es noch."

Service:
Die Ausstellung mit Werken von Bridget Riley ist noch bis zum 11. November 2012 im Museum für Gegenwartskunst Siegen zu sehen.
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