Die Kultur-Flatrate und das Urheberrecht im Internet

Von Peter Glaser · 01.02.2010
Eine große Lösung wäre die Einführung einer Kultur-Flatrate – einer Pauschalabgabe auf Internet-Anschlüsse. Im Gegenzug könnte die Verbreitung digitaler Kopien legalisiert werden.
Im Frühjahr kam das Institut für Europäisches Medienrecht in einem Gutachten zu dem Schluss, dass "die gesetzliche Einführung der Kultur-Flatrate ... nicht weniger [sei] als die logische Konsequenz der technologischen Revolution, die durch das Internet erfolgt ist."

Die Unterhaltungsindustrie hat längst eigene Pauschalmodelle in Betrieb genommen. Provider in verschiedenen europäischen Ländern bieten ihren Kunden für 5 bis 10 Euro im Monat Zugriff auf mehrere Millionen kopiergesicherter Musiktitel. Das bekannteste Angebot dieser Art heißt passend "Comes with Music". Dabei können Käufer bestimmter Handy-Modelle ein Jahr lang sämtliche Titel der vier Majors herunterladen. Die Kosten sind – für den Kunden unsichtbar – im Preis des Telefons enthalten. "Es geht”, sagt der Mediensoziologe Volker Grassmuck, "gar nicht mehr um das Ob einer Flatrate, sondern nur noch um die Frage, wie und zu wessen Gunsten.”

Seit 1998 mit Napster die erste Tauschbörse ans Netz ging, ist das Problem notorisch. Als Napster im Februar 2001 per Gerichtsbeschluss geschlossen wurde, nahmen weltweit bereits 80 Millionen Nutzer daran teil. Wie aktuelle Untersuchungen zeigen, nutzt inzwischen etwa die Hälfte der Internet-Bevölkerung die technisch weiterentwickelten Tauschbörsen. Nach Ansicht der Unterhaltungsindustrie ist das Filesharing der Hauptgrund für die erheblichen Umsatzrückgänge der letzten Jahre. Aber auch ein Bündel von Gegenmaßnahmen, von Werbekampagnen über Strafanzeigen bis zum Einsatz von digitaler Rechteverwaltung, hat daran nichts geändert.

In der Musikindustrie setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass der Kampf gegen unerlaubte Vervielfältigungen nicht zu gewinnen ist. Als am 18. November die weltgrößte Tauschbörse "The Pirate Bay” ihr herkömmliches Angebot einstellte, waren die Gründe dafür nach Angaben der Betreiber nicht nur juristische Probleme, sondern der technische Fortschritt: Die neuesten Datentauschprotokolle benötigen keine solche spezielle Suchmaschine mehr, um Musikdateien, Filme oder Software im Netz zu finden.

Eine Kultur-Flatrate würde die Situation ändern und für die Künstler, für die Rechteverwerter und für die Nutzer Vorteile bringen. Würde eine solche Pauschale gesetzlich verankert, könnte damit die – wohlgemerkt – nichtkommerzielle Vervielfältigung und Weitergabe von urheberrechtlich geschützten Gütern wie Musik, Filme, Software oder digitale Texte über das Internet legalisiert werden. Die Rechteinhaber würden zum Ausgleich aus der Pauschale entschädigt.

Solche Pauschalvergütungen sind im Übrigen nichts Neues. Mit Verwertungsgesellschaften wie der GEMA oder der VG Wort sind Erfahrung und Infrastruktur dafür längst vorhanden. Auch zur Erhebung der Downloads – also was wie oft heruntergeladen wurde – gibt es inzwischen von spezialisierten Unternehmen wie BigChampagne eine Reihe von Verfahren. Von dieser neuen Messweise würden übrigens viel mehr Urheber profitieren als bisher.

In einer Umfrage der schwedischen Verwertungsgesellschaft STIM haben 86,2 Prozent der Befragten angegeben, dass sie für legale Tauschbörsennutzung einen monatlichen Betrag bezahlen würden. Die Mehrheit hielt zwischen 5 und 10 Euro für eine solche Kultur-Flatrate für angemessen. 5 Euro im Monat bei 30 Millionen Breitbandanschlüssen in Deutschland ergeben 1,8 Milliarden Euro im Jahr – das wäre deutlich mehr, als die Tonträgerindustrie nach eigenen Angaben 2008 in Deutschland insgesamt umgesetzt hat.


Peter Glaser, Schriftsteller, 1957 als Bleistift in Graz geboren. Lebt als Schreibprogramm in Berlin. Glaser ist Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Bachmann-Preisträger und begleitet seit drei Jahrzehnten die Entwicklung der digitalen Welt. Blog Glaserei